Ob eine Banknote echt oder gefälscht ist, ist letztendlich egal, solange ich darauf vertrauen kann, meinen Geldschein (Nennwert) gegen andere Güter (Warenwert) in einem halbwegs stabilen Verhältnis eintauschen zu können. Diese These habe ich in meinem Artikel zu den fälschungssicheren Banknoten[1] aufgestellt. In diesem Beitrag möchte ich die Faktoren rundherum betrachten: was passiert mit beschädigten Scheinen? Wird Bargeld ewig als Zahlungsmittel dienen (Rolle der Zentralbanken)? Darf man (eigenes) Geld verbrennen/vernichten? Wie hängen „Macht“ und „Geld“ zusammen?

Die für mich spannendste Frage zuerst: darf ich mein eigenes Geld zerstören? Ja, klar! Ein Geldschein ist eine körperliche bewegliche Sache wie auch ein Buch oder ein Autoreifen. Wenn ich der Eigentümer des Geldscheines (oder der Münzen) bin, darf ich damit verfahren, wie es mir beliebt – also verschenken, vernichten, tauschen, in einen Safe sperren.[2] Für unabsichtlich verschmutzte/beschädigte Banknoten erhält man jedenfalls kostenlosen Ersatz bei der Nationalbank, wenn man entweder mehr als die Hälfte des Scheines vorlegt oder aber glaubhaft machen kann, dass der fehlende (größere) Teil vernichtet wurde.[3] Auch was sonst so selbstverständlich klingt, wurde bereits festgelegt: Münzen und Scheine müssen zum vollen Nennwert angenommen werden (damit will man vermutlich einen Nord-Süd-Euro-Wechselkurs vermeiden), historisch betrachtet gab es schon Fälle, wo vom Nennwert erheblich abgewichen wurde (insbesondere ab dem Zeitpunkt, als die Münzen nicht mehr zu einem hohen Grad aus echtem Silber oder Gold geprägt wurden). Der Einzelhändler muss aber nicht jeden Schein annehmen, etwa wenn er über zu wenig Wechselgeld verfügt oder wenn der Unterschied zwischen Warenwert und Nennwert auffallend groß ist – oftmals gibt’s dann ohnehin in der Nähe jemanden, der wechseln kann. [4] Ein Punkt, der bald wackeln wird: bei Barzahlung soll kein Aufschlag verrechnet werden (ich habe schon ein Lebensmittelgeschäft gesehen, bei dem Barzahlung durch ein Schild an der Türe ausdrücklich ausgeschlossen wird: „No cash. We only accept pin, maestro and creditcard.“ – siehe Bild oben).Bei Zahlscheinen gibt es inzwischen astronomisch hohe Gebühren (fünf Euro aufwärts[5], man muss zudem einen Lichtbildausweis vorlegen bzw. sein Geburtsdatum, seinen Geburtsort und seinen Namen nennen), allerdings dürfen Unternehmer nach wie vor (EuGH- und OGH-Urteil) keine zusätzlichen Zahlscheingebühren einheben.[6]

Historisch betrachtet wurden Münzen oftmals als Grabbeigaben oder zur Besänftigung von Gottheiten eingesetzt, hatten also einen starken Machtcharakter/Symbolwert (Geldtopf am Ende des Regenbogens, Münze im Brunnen/Pudding, Kopf-oder-Zahl-Wurf, Bezahlung des Fährmannes Charon für die Überfahrt über den Hades). Erst später kamen die Tauschfunktion, Recheneinheit und Aufbewahrungsform hinzu. Mittlerweile sind wir beim Giralgeld (also in einem Computersystem gespeicherte Zahlenreihen) angelangt, Bargeld birgt manchen Geschäftsleuten zu viel Risiko (Fälschung, Diebstahl, Fehlbetrag in der Kasse) – sie steigen wie in der Innenstadt von Den Haag (Niederlande) lieber auf ausschließlich elektronische Bezahlung um.

Es gab schon einmal eine Währungsunion mit den Griechen, über einen Zeitraum von 60 Jahren hinweg! Die lateinische Münzunion bestand von 1865 bis 1926 – und kann mit dem Rausschmiss Griechenlands aufwarten.[7] Auch die damaligen Gründungsstaaten sind nicht schwierig zu erraten: Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz. Sie legten feste Absolutgewichte und das Wertverhältnis von Gold- zu Silbermünzen fest. Erst zu dieser Zeit kam die Idee der stetigen Inflation auf, denn die Staaten hatten erhebliche Kriegsschulden untereinander zu begleichen (Napoleon, Spanische und Italienische Unabhängigkeitskriege, Großbritannien-USA, Krim, Türkei, Preußen/Schlesien und natürlich der erste Weltkrieg). Da die meisten Staaten de facto zahlungsunfähig waren, gaben sie ihren Bediensteten hübsch gestaltete Papierscheine mit (ua. Maria-Theresia-Schein, 1762, siehe Abbildung) – damit konnten diese zukünftige Steuerschulden bezahlen oder auf ein jederzeit verfügbares Bankguthaben zugreifen.[8] Diese Schuldscheine waren nicht personengebunden, eigneten sich somit hervorragend für den täglichen Gebrauch – sie wurden überall angenommen, da man mit diesen Scheinen seine Steuerschulden begleichen konnte bzw. tatsächlich vom Staat den Nennwert ausbezahlt bekam (hier 50 Gulden-Münzen). Dieses System funktioniert solange, wie genügend real existierende Münzen vorhanden waren (Reservehaltungssatz) – erst mit der stetig steigenden Münznachfrage konnte man irgendwann die Koppelung an den Goldpreis nicht mehr gewährleisten (das Bretton-Woods-Abkommen endete 1973). Vertiefende Gedanken dazu bietet Gerd Zeitler in seinem Blog[9] an.

Zuletzt gab es Krawalle vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt – doch warum erst jetzt, und nicht schon viel früher? Die einzelnen Nationalbanken und die EZB können doch nur solange existieren, bis wir nicht mehr in die staatliche Währung vertrauen bzw. uns Parallelwährungen aufbauen (zB. regionale Tauschring-Systeme, Krypto-Währungen wie Bitcoins). In einer so austauschbaren Gesellschaft (wenig familiäre Bindungen, Arbeitsplatzsorgen, Substitutionsprodukte) gibt es eigentlich nur noch ein Ziel, das uns eint: Reichtum und die damit einhergehende Macht, so Hans-Jürgen Krysmanski[10]. Die Fixierung auf die Möglichkeit, eines Tages „reich“ (verschiedene Definitionen) zu sein, trägt erst zum Zusammenhalt bei – denn ich weiß, dass mein Reichtum legal nur über Leistung (Wissen, Service, Konsumgut) an andere vermehrt werden kann, die mir wiederum Teile ihres Besitzes dafür abgeben. Die Diskussion in Richtung Vermögenssteuern kann eigentlich nur dadurch nachhaltig aufgelöst werden, indem wir in ein anderes Wirtschaftssystem übertreten, wo all diese bunten Zettelchen keine Bedeutung mehr haben – etwa bei regionalen Tauschringen oder in einer Gesellschaft, in der Werte wie Ehrlichkeit, Vertrauen, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität oder Verlässlichkeit im Vordergrund stehen.[11] Derzeit werden im rechtlichen Kontext leider Begriffe wie Egoismus/rücksichtsloses Verhalten (Umweltschutz), Durchsetzungsfähigkeit (Kampfpreise), Gier (Kartellbildung) und Geiz (Ausbeutung) belohnt, die unser gesamtes wirtschaftliches Leben beeinflussen. Insgesamt möchte ich mit diesem Artikel zeigen, dass wir mit technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Veränderungen immer nach dem Prinzip verfahren sollten: „Brauchen wir diese Neuerung, damit es unserer Gemeinschaft besser geht?“ – wenn diese Frage nicht zufriedenstellend beantwortet werden kann, dann hilft diese Neuerung im besten Fall bloß einigen wenigen, die nicht das Gros unserer Gemeinschaft repräsentieren (beispielsweise TTIP[12] oder geplante Obsoleszenz[13]).

Eine schöne Geschichte zum Nachdenken, als Abschluss meiner monetären Ausführungen: Mark Twain schuf 1954 eine Filmkomödie, in der einem armen Mann die einzige existierende Eine-Million-Pfund-Note überlassen wurde, um herauszufinden, ob diese Banknote Glück und Wohlstand bringe. Und tatsächlich: er ging in eine Schneiderei und bat um einen neuen Anzug – er wurde prompt bedient, denn wer über eine Million Pfund verfügt, sei ein wahrlich reicher Mann – aber wechseln könne man leider nicht. Im Restaurant erging es dem armen Mann ähnlich: wer in so einem vornehmen Anzug bei ihm speisen möchte und noch dazu über eine Million Pfund verfüge, der solle einfach die Konsumation bezahlen, sobald er kleinere Scheine habe – und so weiter und so weiter. Allein der vermeintliche Reichtum öffnet diesem armen Mann Tür und Tor – da jeder von seiner offensichtlichen Liquidität überzeugt war.[14] Das dürfte, umgelegt auf moderne Verhältnisse, wohl auch der Grund sein, warum die USA nach wie vor das Top-Rating (AAA) halten[15], haben sie doch enorme Schuldenberge (in Höhe von etwa 19 Billionen US-Dollar)[16] angehäuft – aber es kann sich eben keiner vorstellen, dass dieses unfassbar mächtige Land jemals pleitegehen könnte.

Viele meiner Ideen für diesen Artikel habe ich aus „Geld- und Kreditwesen im Spiegel der Wissenschaft“ (Hrsg. Ulrike Aichhorn), insbesondere aus den Beiträgen von Hanke, Janisch und Keul bezogen.

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Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Bernhard Juranek

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fischundfleisch

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