Seit meinem 14 Lebensjahr schreibe ich, und auch, wenn mir immer wieder gesagt wurde, das ist doch bloß eine pubertäre Phase, hat es mich nie mehr losgelassen. Das Leben hat mich dann fortgeführt, oder ich habe mich fortführen lassen, wie man es sehen will, doch letztlich bin ich wieder zurückgekehrt, denn wir gehen immer nach Hause, sagte bereits Novalis. Umso mehr Jahre vergehen, desto mehr verstehe ich die Bedeutung seiner Worte. Nach Hause, als der Ort, der uns einen Ausweg aus der „Unbehaustheit“ der modernen Welt (Heidegger) bietet, wobei dieser Ort auch ein Zustand oder ein Miteinander-sein sein kann. Alles ist offen, alles im Fluss. Und so kehrte ich wieder zurück. Kehrte dorthin zurück, wovon ich ausging und wohin ich eigentlich immer gehört hatte. Doch auch das Fortgehen hat seinen Grund. Auch Umwege, oder Wege, die uns als solche erscheinen mögen, gehören zu den Möglichkeiten zu Wachsen, immer mehr das zu werden, was in uns selbst grundgelegt ist und das zum Vorschein kommt, wenn wir es entdecken. Wir wachsen aneinander und an uns, am Glück und am Leid, an der Herausforderung und an der Bewährung, wenn wir uns lassen. Immer jedoch geschieht es in einer dialoghaften Struktur, wobei in dieser Welt alles und jeder Dialogpartner sein kann, wenn auch auf verschiedenen Ebenen.

Trotz all dieser Gewissheit taucht dann doch immer wieder der Gedanke auf, wozu das eigentlich gut sein soll. Was hat das Schreiben für einen Sinn? Natürlich kann ich mich immer noch bourgeois zurücklehnen und mich auf mein L’art pour L’art Recht berufen, denn die Kunst braucht keine Rechtfertigung außerhalb ihrer selbst. Das werde ich vielleicht einmal tun, wenn mir gar nichts mehr einfällt. Doch noch ist es mir zu wenig. Wenn ich an meine Anfänge zurückdenke, dann war wohl noch die Hoffnung, die Illusion da, dass Kunst etwas bewegen, verändern kann, dass sie aufrüttelt, mitunter auch mit dem moralischen Zeigefinger, doch das verliert sich. Spätestens dann, wenn sich die Eindeutigkeit verliert, wenn man nicht mehr naiv und voller Überzeugung die Welt in Gut und Böse, Schwarz und Weiß einteilen kann, denn umso mehr Geschichten man hört, desto weniger Eindeutigkeiten gibt es. Die Welt wird bunter, aber auch weniger durchschaubar. Jede Auswirkung hat eine Ursache, aber auch diese Ursache ist ebenfalls Auswirkung auf eine Ursache. Das Kind, das in der Schule vor Erschöpfung einschläft, kann man als verwahrlost sehen, bis man erfährt, dass es seine kranke Mutter pflegen muss. Gerade Familiengeschichten tragen da ein großes Potential in sich. Ich habe also aufgehört die Welt verändern, verbessern zu wollen, vor allem auch deshalb, weil Verbesserungswut immer voraussetzt, dass ich eindeutig weiß was besser ist, und das gleich für die ganze Welt. Es war meiner Jugend geschuldet. Aber was kann dann der Sinn sein?

Der Sinn liegt, für mich, in der Schlichtheit. Wenn ich die Erfahrung mache, dass meine Geschichten berühren, etwas zum Klingen bringen, das vielleicht schon verstummte, dass Erfahrungen angesprochen werden, mit denen man sich allein gelassen fühlte, dann hat das Schreiben Sinn. Wenn eines meiner Bücher zu einem Begleiter wird, in dem man immer wieder nachlesen kann, und auch jedes Mal etwas entdeckt, anregend, erweiternd, entgrenzend, dann ist das Sinn.

Und wenn es mir gelingt, einfach einmal ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, einen Moment zu beglücken und zu verschönern, dann ist es Sinn. Es braucht nicht mehr. Sinn ist Schlichtheit in der Bereicherung des Schreibenden und des Lesenden.

14
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

liberty

liberty bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Luis Stabauer

Luis Stabauer bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

U.Peslac

U.Peslac bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Andy McQueen

Andy McQueen bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Miki

Miki bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Das B

Das B bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Hansjuergen Gaugl

Hansjuergen Gaugl bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Veronika Fischer

Veronika Fischer bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Paradeisa

Paradeisa bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

FraMoS

FraMoS bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

4 Kommentare

Mehr von Daniela Noitz