Harmonie und Ausgewogenheit herrschen in Österreich. Interessen werden durch die entsprechenden Vertretungen wahrgenommen und partnerschaftlich mit den entsprechend gegenläufigen ausverhandelt, und damit auch jeder profitiert, wird das in Zwangsbeglückungen festgeschrieben – denn die Menschen wissen von sich aus nicht was gut für sie ist. Und der Österreicher hat gelernt, wenn jemand auf Deinem Haupte seinen Darm entleert, dann sagt man artig Danke.

Jeder hat es in irgendeiner Weise. Jeder muss sie haben. Und wir freuen uns natürlich alle darüber. Unsere Interessensvertretungen und Kammern, damit auch jeder weiß was er will. Und damit der Wert dieser Institutionen auch ja nicht gering geschätzt werden kann, zumal deren ausgezeichnete Arbeit, deren Einsatz für die Mitglieder, muss es entsprechen monetär abgegolten werden. Die unselbständig Erwerbstätigen finden sich in der Arbeiterkammer wieder, die Selbständigen in der Wirtschaftskammer, die Bauern in der Bauernkammer, die Notare in der Notariatskammer, die Ärzte in der Ärztekammer, und was es da noch für liebliche Blüten treiben. Wie schön ist es doch seine Abrechnungen durchzusehen und zu entdecken welch entscheidenden Beitrag man leisten dürfen muss, um diese einflussreichen, anständigen und vor allem mitgliederfreundlichen Vertretungen am Leben zu erhalten. Was sie für ihre Mitglieder tun? Nun, das hat die Wirtschaftskammer jetzt erst wieder äußerst plakativ gezeigt.

Vor Weihnachten wurden in Buchhandlungen Mysteryshopper eingeschleust, die überprüfen sollten, ob sich die entsprechenden Buchhändler auch an die Buchpreisbindung halten und keine überhöhten Rabatte geben, die mit 5% begrenzt sind. Wobei der Kammer natürlich bekannt ist, dass die Buchhandlungen sich derzeit eine goldene Nase verdienen und keine Konkurrenz in div. Onlinebuchhandlungen sehen können. Denn wer kennt schon Amazon. Solch ein Mysteryshopper verlangte 14 Stück eines Werkes zum Einzelpreis von € 4,90. Besagter Herr gab sich als Gymnasialprofessor aus und meinte, er bräuchte dieses Werk für seine Klasse. Aufgrund dieser Informationen fühlte sich nun der Buchhändler genötigt eines dieser Exemplare gratis herzugeben. Was für ein Schrecken! Denn das dies den Bestimmungen widersprach, ist mit bloßem Auge erkennbar. Denn diese 14 Exemplare ergaben einen Gesamtumsatz für den Buchhändler von €68,60. Wenn besagter Buchhändler dieses eine Exemplar verschenkte, so überschritt der die 5% Grenze massiv, nämlich um ganze 2,1% Punkte oder – in absoluten Zahlen ausgedrückt -, die möglichen € 3,43 um € 1,47.

Mit großem Schrecken wurde dies zur Kenntnis genommen, und so schwer es auch fallen mochte, der Übeltäter musste vehement auf sein Vergehen hingewiesen werden, so dass diesen Buchhändlern nach Weihnachten eine Strafe in Höhe von € 1.000,-- ins Haus flatterte, aufgepeppt durch € 900,-- Rechtsanwaltskosten. Was denkt sich der brave Österreicher? Natürlich: Wie gut doch meine Kammer auf mich schaut und meine Delikte nicht durchgehen lässt, sondern mich darauf hinweist, denn schließlich, heute sind es nur € 1,47, aber morgen, da sind es dann schon €2,--, und kaum, dass man es sich versieht ist die Moral völlig abhanden gekommen. Man muss den Anfängen wehren. Und nachdem der grundsätzlich brave, aber auf Abwege geratene Buchhändler in sich und zu seinem Beichtvater gegangen ist, zahlt er frohen Herzens Strafe und Rechtsanwaltskosten, und natürlich auch die Zwangsmitgliedschaftsbeiträge, denn eines ist gewiss: Wer solch eine Interessensvertretung hat, braucht sich um Feinde nicht zu kümmern.

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