Der ÖVP-EU-Spitzenkandidat Othmar Karas schlug eine Abstimmung über einen künftigen EU-Vertrag vor.

Allerdings sollte man in Anbetracht der Tatsache, dass gerade ein derartiger Abstimmungspopulismus zu einer schweren EU-Krise, nämlich der Brexit-Krise geführt hat, und auch in Anbetracht früherer Abstimmungen, die alle mit Ablehnung ausgingen, wie das dänische oder französische Masstricht-Referendum, sollte man einmal innehalten und nachdenken, auch wenn - wie Michael Häupl, der frühere Bürgermeister von Wien (SPÖ) einmal sagte, Wahlkampf die Zeit der fokussierten Unintelligenz ist.

Eines der Paradoxa ist, dass wenn man verschiedene Dinge bündelt in einem Abstimmungsprozess, dass man dann oft Ablehnung erntet, weil: wenn in einem Zehn-Punkte-Programm neun zustimmungsfähige Puntke sind und ein Punkt, der abgelehnt wird, dann neigen viele Menschen dazu, das ganze Paket abzulehnen, obwohl neun gute Punkte darin waren.

Zudem sind Referenden über die Verträge oft gar nicht sachlich auf die Verträge bezogen, sondern sind eng verbunden mit Personenfragen: bei Abstimmungen über Verträge wird oft über diejenigen abgestimmt, die die Verträge ausverhandelt haben.

Oder Referenden zu Sachfragen werden zu Denkzettelwahlen bzw. -abstimmungen, mit deren Hilfe man seinen Unmut über die Regierung ausdrücken kann.

Seien wir doch ehrlich: die EU war immer schon ein Elitenprojekt und das ist vielleicht auch gut so. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Wille der europäischen Völker, zusammenzuarbeiten, sehr gering, zu tief waren die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte.

Die damaligen politischen Eliten machten genau das Gegenteil dessen, was ihre Völker wollten, und so begann der europäische Intregrationsprozess.

Ähnlich war der Wiener Kongress von 1815 ein guter Friede, der den Kriegsauslöser großzügig behandelte, weil er ein Freidensschluss feudaler und aristokratischer Eliten war, die auf ihre Völker keine Rücksicht zu nehmen brauchten.

Umgekehrt war der demokratische Versailles-Frieden von 1919 nach dem ersten Weltkrieg der dümmste und grausamste Friede der Menschheitsgeschichte, der den nächsten Weltkrieg schon vorprogramierte, eben weil die Politiker der Siegerstaaten populistisch den Rachegedanken ihrer Völker und dem Glauben, die Verlierer und angeblichen Kriegsauslöser müssten alles bezahlen, nachgaben.

Zahlreiche richtungsweisende Politiken wie die chinesische Ein-Kind-Politik, die das schnelle Bevölkerungswachstum Chinas in den 1980er Jahren ebenso schnell einbremsten wären wohl in Demokratien unmöglich gewesen; zumindest als Erstmodell.

Dem demokratischen Populismus entspricht es auch, zu glauben, alles sei demokratisierbar, jedes Thema, egal, wie komplex, sei den Bürgerinnen und Bürgern verständlich zu machen.

Aber das widerspricht wiederum der Arbeitsteilung und der Spezialisierung in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft.

https://diepresse.com/home/euwahl/5628643/Karas-will-europaweites-Referendum-ueber-neuen-EUVertrag

Und letztlich löst das ein Problem nicht: die Dominanz der Großstaaten und der Großsprachen inerhalb der EU. Kleinstaaten erfüllen in der internationalen Politik oft die Funktion des Prügelknaben, dessen, den man dreschen kann wegen irgendetwas ganz anderem als dem, was als Begründung angegeben wird.

Gerade die EU-14-Sanktionen des Jahres 2000 sowie die Waldheimaffäre wären wohl unmöglich gewesen, wenn Österreich eine Großmacht gewesen wäre und kein Kleinstaat.

Und letztlich zeigt auch der Zeitpunkt dieser Karas-Äußerung nämlich die heisse Phase des EU-Wahlkampfs, worum es eigentlich geht: darum, bei den EU-Wahlen möglichst gut abzuschneiden, nicht darum, dann auch tatsächlich einen neuen EU-Vertrag einem Referendum zu unterziehen.

Ähnlich unredlich waren auch die Versprechen derselben Partei in der EG-Beitrittsdebatte 1994, der Schillung würde erhalten bleiben.

Und es stellt sich in der Tat die Frage, inwieweit hier taktisches Versprechen eine Rolle spielt, inwieweit Karas diese Ansage nur deswegen macht, weil er weiss bzw. glaubt, dass sie in der EU ohnehin nicht mehrheitsfähig ist, inwieweit er eine versprechensnahe Ansage macht, im Wissen, dass er sie sowieso nicht wahrmachen kann, und der Mehrheits-Trend in eine ganze Richtung geht.

CC / Österreichisches Aussenministerium /HIgh Contrast https://de.wikipedia.org/wiki/Othmar_Karas#/media/File:Pressekonferenz_mit_Othmar_Karas_(8631476962).jpg

Othmar Karas: Wahlkampfversprechen oder ernst gemeint ? Nach all den Abstimmungsflops in der Geschichte der EU von den Referenden zu Masstricht bis hin zum Brexit-Referendum will Karas wieder abstimmen lassen über den nächsten EU-Vertrag ? Oder war das Ganze nur ein Wahlkampfmanöver, ohne ernst gemeint zu sein ?

Ähnlich wie die Ansage 1994, der österreichische Schilling würde erhalten bleiben ?

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