Wozu Parteien ? Es gibt ja auch Expertenkabinette und Direktdemokratie

Nun haben wir in Österreich wieder mal die übliche Regierungskrise und Demokratiekrise.

An der alle (oder fast alle) Parteien kräftig mitschuld sind.

Erst war da die SPÖ mit ihrer Ausschliesseritis und ihrem Bundesparteitagsbeschluss, nienienienieniemals mit der FPÖ koalieren zu wollen, völlig egal, wie korrupt die ÖVP ist.

Ähnliches gilt für die Grünen, die auch den Freiheitlichen spinnefeind gegenüberstehen. Umgekehrte Feindbildkonstruktionen betrieb auch der frühere FPÖ-Obmann und Vizekanzler Strache mit seinem Sager "Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht", um eine Koalition mit den Grünen abzulehnen. Auch der jetzige FPÖ-Parteiobmann Kickl geht mit seinen "Impfnazi"-Sagern in genau diese Richtung. Das einzige Argument, an diesem eigentlich für die SPÖ Wien maßgeschneiderten korruptionserzeugenden SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss "Niemals mit der FPÖ" festzuhalten, ist wohl die Furcht, Wähler zu verlieren.

Wer aus reinen Wahlkampfgründen eine andere Partei zum ewigen Feind erklärt, völlig egal, wie korrupt dadurch dritte Parteien werden, und im Wissen, dass diese Feindbildkonstruktion Gefahr läuft, dritte Parteien zu korrumpieren, der sich doch genauso mitschuld an Korruption und irgendwie genauso korrupt.

Und wenn die ÖVP weiss, dass sie sowieso nie aus der Regierung rausfallen kann, weil SPÖ und FPÖ nicht miteinanderkönnen, dann ist das für sie natürlich ein Freibrief, so korrupt zu werden, wie sie will.

Und gemäß dem Spruch "Gelegenheit macht Diebe" ist es fast ein Zwang für die ÖVP, korrupt zu werden, wenn die SPÖ sich darauf festlegt, nie mit der FPÖ zu koalieren, völlig egal, wie korrupt die ÖVP ist. So gesehen sind es SPÖ und Grüne, die die Gelegenheit schufen, die die ÖVP-Diebe machte.

Als der frühere Kärntner Landeshauptmann und frühere FPÖ-Parteiobmann Dr. Jörg Haider noch lebte, warnte er immer vor der "Ausschliesseritis", vor der Tendenz, aus Feindbild-Gründen, aus Wahlkampfgründen irgendeine andere Partei zum ewigen Feind zu erklären, damit man seine Vulgärversion oder Perversion des "Antifaschismus" oder eine ähnliche praktizieren könne.

Der von Haider geprägte Begriff der "Ausschliesseritis" fand übrigens auch Eingang in den deutschen Sprachgebrauch.

Bei den Landeswahlen in Hessen 2008 gab es in der SPD eine Debatte, ob man nicht doch mit der Linkspartei koalieren solle, was aber dann doch nicht gemacht wurde. Und in der Folge dieser Hessen-Wahl wurde Haiders Ausschliesseritis-Begriff auch in Deutschland übernommen und verwendet.

Das beweist zumindest, dass es Ausschliesseritis nicht nur nach Rechts, sondern auch nach Links geben kann.

Nur sind diese sowohl nach Links als auch nach Rechts ausschliessenden Mitteparteien oder Koalitionen der Mitte sehr verlustgefährdet, sodass sie oft zum Aufstieg derjenigen Extreme führen, die sie eigentlich bekämpfen wollen oder bekämpfen zu wollen vorgeben.

Und überhaupt werden Wahlen und Demokratie sehr überschätzt.

Mit dem Auffliegen der mutmaßlichen äußerst problematischen Umfragekaufkorruption haben wir jetzt schon die dritte Wahl, die geprägt ist vom massiven Verdacht der Umfragemanipulation:

die Wahl zum ÖVP-Parteiobmann 2016, der erste Wahlgang der Bundespräsidentenwahl 2016, und die Grazer Gemeinderatswahl 2021.

Und jetzt haben wir irgendwie den Zustand, dass das "normale" System der Parteienregierungen nicht mehr funktioniert: Keine Partei will mit der Kurz-ÖVP, die SPÖ will nicht mit der FPÖ, sodaß gar keine Bildung einer Mehrheitsregierung möglich ist.

Früher nannte man die Unfähigkeit, stabile Regierungen zu bilden, "italienische Verhältnisse", mit leicht abwertenden Unterton. Und heute hat Österreich selbst diejenigen italienischen Verhältnisse, die es Italien früher vorgworfen hat. Was für mich mit teilweise norditalienischen Vorfahren eine Genungtuung ist.

Aber die Bundesverfassung räumt dem Bundespräsidenten große Kompetenzen ein, insbesondere bei der Regierungsbildung. Er kann zwar nicht wie Caligula sein Pferd zum Regierungschef machen, aber fast. Zum Beispiel den Portier des "Hotel Sacher" könnte er schon zum Kanzler machen.

Was gerade in Krisensituationen wie dieser hilfreich sein kann. Wenn das Parlament und die Parlamentsparteien nicht mehr der verlängerte Arm der Regierung sind und es parteilose und politikerlose oder profipolitikerlose Regierungen gibt, dann könnte sich auch die Gewaltentrennung, also die Trennung von Exekutive/Gesetzesvollzug und Legislative/Gesetzgebung stärker entwickeln. Und genau diese Trennung entspricht auch der Demokratischen Machtverteilung auf möglichst viele Köpfe.

Die allmächtigen Kanzler, die nach Belieben agieren können, scheinen fast eher eine Führerdiktatur zu verkörpern, als eine Demokratie.

Und diese extreme große Macht des Kanzleramts und der Ministerien, auch und insbesondere über das Parlement korrumpiert auch Parteien oder Teile derselben.

Nun wurde bekannt bzw. intensiv publiziert, dass SPÖ-Kanzler Kern und ÖVP-Vizekanzler Mitterlehner 2016 geplant hatten, die Werbeausgaben der Ministerien zu begrenzen, indem jede einzelne Werbekampagne im Ministerrat zustimmungspflichtig gemacht werden sollte.

Wogegen Kurz und Sobotka waren, und aus Geldern der Ministerien finanzierte eine ÖVP-Gruppe dann auch die gekauften Falsch-Umfragen, die Kurz an die Macht bringen sollten.

Im Prinzip war diese Werbeausgabenbegrenzung ein sinnvoller Vorschlag, weil es nichts bringt, wenn Parteien in beliebiger Größenordnung Steuermittel verschwenden, um sich gegenseitig zu bekämpfen, und das war es worauf "große Koalitionen" oft hinausliefen.

Auch Strache übernahm dieses System des Versuchs des Medienkaufs durch Anzeigen, während die auf einem FPÖ-Ticket amtierende Ministerin Kneissl es ablehnte und als "Mafia-Schutzgeld-System" und deswegen von Boulevardmedien als "wirr" bezeichnet wurde.

Wenn das alles vorher bekannt gewesen wäre, ebenso wie die Chats zwischen Schmid und Anderen (auch Kurz), dann wären die Wahlen vermutlich völlig anders ausgegangen.

Wie soll man denn ernsthaft wählen, wenn man alles Wichtige immer erst nach der Wahl erfährt ? Unter diesen Bedingungen der heimlichtuerischen Parteien macht Demokratie doch gar keinen Sinn.

Da bräuchte man dann vielleicht eher Epistokratie, wie von Jason Brennan in seinem Buch "Gegen Demokratie" vorgeschlagen.

Wozu Parteien ? Es gibt ja auch direktdemokratische Instrumente, wie Volksbegehren, Volksbefragung und Volksabstimmung. Diese haben zwar auch ihre Tücken und Schwächen (die man aber auch ausmerzen kann), aber es kann durchaus sein, dass eine parteienlose Demokratie, die nur auf diesen direktdemokratischen Instrumenten beruht, besser funktioniert als die derzeitige Politik, die aus dem Krisenmodus nicht rauskommt. Und eine weitere Alternative wäre die Allparteienregierung, dass jede Partei gemäß ihrem Stimmanteil Anteil an den Regierungsposten bekommt. Auch damit wären Dämonisierungen unmöglich. Der ebenfalls verstorbene frühere Doyen des Austro-Journalismus, DDr. Günther Nenning, behauptete mal, in Vorarlberg sei es viel früher Tradition gewesen, die Politiker der verschiedenen Parteien solange ohne Essen und Trinken in ein tiefes Loch zu zwingen, bis sie sich geeinigt haben. Und dem würde die Allparteienregierung ein bisschen entsprechen.

Eine weitere Reformmöglichkeit wäre, von den von den Parteieliten bestimmten Parteilisten völlig abzugehen, und nur mehr die Vorzugsstimmen zu werten. Sodass die Wähler und Wählerinnen alleine entscheiden über die Listenreihungen und nicht die jeweiligen Parteiobleute.

Die Friedensschliesser des Wiener Kongresses von 1815 nach den Napoleonischen Kriegen, Castlereagh, Metternich und Talleyrand und Andere vertraten immer die Gegen-Position zu Feindbildkonstruktion: "Es gibt in der Politik keine ewigen Freunde und keine ewigen Feinde, sondern nur ewige Interessen".

Aber das waren ja auch nicht "Demokraten", sondern besser. Sie hatten es nicht nötig, wie angeblich "demokratische" Rechts- und Linksextremisten totale Feinde zu konstruieren, ähnlich dem Freund-Feind-Schema, das der umstrittene nazi-nahe Rechtstheoretiker Carl Schmitt beschrieb. Wenn Parteien nur Probleme machen, aber keine lösen, wenn Parteiendemokratie nur in Krisen und Bürgerkriege (so wie in den 1930er Jahren) führt, dann ist es doch hoch an der Zeit, über die Abschaffung der Parteiendemokratie nachzudenken, über Alternativen dazu.

CC / Zirnig https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Haider#/media/Datei:J%C3%B6rg_Haider_28082008.jpg

Die Besten sterben immer zuerst ? Der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider war immer ein Kritiker der "Ausschliesseritis", die nun mal wieder in die übliche Krise führte .....

CC / WikiImages https://pixabay.com/de/photos/b%c3%bcrgerkrieg-schlacht-amerika-74010/

Beim US-Bürgerkrieg 1861 - 1865 ging es wenigstens um eine wichtige Frage: die Sklaverei. Aber heute bei uns geht es vergleichsweise um eher nichts, scheinbar fast nur mehr darum, welche Polithallodri-Clique das Recht bekommt, sich zu bereichern.

Es lohnt sich einfach nicht, sich deswegen die Schädel einzuschlagen, wenn man ein normaler Bürger oder eine normale Bürgerin ist.

Siehe auch:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltenteilung

https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_de_Secondat,_Baron_de_Montesquieu

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