Zu Asia Argento und Madonnas umstrittenem Franklin-Tribute-Auftritt

Zwei Showbiz-Frauen machten kürzlich durchaus negative Schlagzeilen: beide wurden vielleicht übermäßig kritisiert.

Asia Argento war eine der führenden Vertreterinnen der #MeToo-Bewegung, allerdings wurde in der vergangenen Woche ein Vergleich bekannt, den sie mit dem damals 17-jährigen Jimmy Bennett geschlossen hatte, wegen angeblicher sexueller Nötigung. In diesem Fall kommt noch die Tatsache dazu, dass einvernehmlicher Sex in Kalifornien erst mit 18 möglich ist.

CC 3.0 / zug.gem. Olivier Strecker https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Asia_Argento_(Cannes_Film_Festival_2012).jpg

Asia Argento (ausgerechnet bei den Filmfestspielen von Cannes) : Mißbrauchsopfer und gleichzeitig Mißbrauchstäterin ?

Ihre Glaubwürdigkeit im Rahmen der MeToo-Bewegung hat dadurch sicherlich gelitten, wenn auch der Fall derzeit wohl vielleicht weniger drastisch ist, weil es sich um einen einzelnen Fall handelt. Ihre Dementis klingen irgendwie nicht 100%ig glaubwürdig, aber die Showbizbranche ist extrem abhängig vom Image; der tiefe Sturz von Kevin Spacey ist ein Beispiel dafür.

Die Fallhöhe wäre geringer, wenn man die sogenannten "Stars" gar nicht so hoch steigen liesse. Sowohl Schweigegeldzahlungen als auch Doppelmoral könnten in einem Zusammenhang stehen mit der übermäßig großen Popularität und Bezahlung der Showbiz-Stars, insbesondere in den USA. Auch sexuelle Übergriffe könnten mit einem allzugroßen Einkommensunterschied zusammenhängen. Wenn Hollywood nun Einzelfälle sexueller Übergriffe hart sanktioniert, aber an den Grundlagen (Machtgefälle durch Einkommensunterschiede und Popularitätsunterschiede, etc.) nichts ändert, dann erscheint mir das irgendwie als inkonsequent.

Ich habe mir im Zuge der Debatte einige Reden von ihr angehört, und ein Satz ging mir nicht aus dem Kopf:

die Filmfestspiele von Cannes seien Harvey Weinsteins "Jagdrevier" gewesen. Nun liegt Cannes so ziemlich an der Grenze zweier katholischer bzw. katholisch dominierter Staaten, nämlich Frankreich und Italien.

Ich persönlich fühlte mich Asia Argento irgendwie verbunden, weil sie in etwa so alt ist wie ich, und ihr Vater (Horrorfilmregisseur Dario Argento, der in Italien geboren ist) ziemlich genau im selben Jahr geboren wie mein Vater, und im katholischen Kriegs- und Nachkriegsitalien dieselben Probleme herrschten wie im katholischen Nachkriegsösterreich.

Es stellt sich die Frage, inwieweit Gewalt eine Kultur ist, die von Generation zu Generation weitergegeben wird, und inwieweit das Individualstrafrecht, das bei uns herrscht, dieser Weitergabestruktur gerecht wird.

Aber nun zu Madonna und ihrem umstrittenen Auftritt bei dem Aretha-Franklin-Tribute:

https://variety.com/2018/music/news/madonna-vmas-aretha-franklin-tribute-1202911376/

Das Musikmagazin "Variety" schreibt, Madonna wurde "geröstet" ("roasted" ) für ihren Auftritt.

https://variety.com/2018/music/news/madonna-response-aretha-franklin-tribute-backlash-mtv-vmas-1202911781/

Sie selbst sagte, sie hätte gar keinen Tribute beabsichtigt.

(Um das gelöschte Bild von Madonna in der Aretha-Franklin-Tribute-Kleidung zu betrachten, bitte den Variety-Link anklicken. Ich weiß, ist blöd, aber Urheberrecht führt halt dazu, dass man öfter klicken muss, weshalb Kleinstverdiener-Blogs äußerst userunfriendly sind, was vielleicht der Sinn der Sache ist)

Ich fand Madonnas Auftritt überhaupt nicht skandalös oder respektlos, sondern sehr interessant.

Erstens unterschied sie sich - ebenso wie sie sich als aus einer katholischen Kultur entstammend - durch ihre Bekleidung von den Anderen: sie trug eine seltsame Kopfbekleidung, die an die Dornenkrone von Jesus Christus erinnern kann, und sie trug eine bis zum Hals geschlossene Körperbekleidung, die einerseits an Burkas und andererseits an katholische Nacktheitsverbote, Pornoverbote und Ähnliches erinnerte, gerade in Zeiten, in denen möglicherweise pflichtzölibatsbedingte Mißbrauchsfälle durch katholische Geistliche durch die Medien gehen, nicht unangebracht.

In ihrer Rede würdigte sie Aretha Franklin durchaus, sprach aber mehr über ihre eigenen Erfahrungen als Opfer von Gewalt.

Bei einem Aretha-Franklin-Tribute war die afroamerikanische Community natürlich stark vertreten, und viele Vertreter derselben neigen dazu, für sich eine Art Opfermonopol zu beanspruchen: die Afroamerikaner als Opfer der weissen Herrschaft, als Opfer der Sklaverei, als Opfer des Kapitalismus, etc.

Ich fand ihre Rede so gesehen sehr politisch bzw. möglicherweise sehr politisch. Aber ältere Frauen - und Madonna ist mit 60 Jahren eine solche - können in einer von Jugendfetischismus geprägten Szene offensichtlich nicht mit benevolenter Aufnahme und Interpretation rechnen.

Katholiken sind in den USA genauso eine Minderheit wie Afroamerikaner.

Aber Madonna ging nicht soweit, gegen Weisse gerichteten schwarzen Rassismus in der Musikszene, wie z.B. von Public Enemy zu kritisieren. Und das wäre wohl viel eher skandalträchtig.

Aber vielleicht ist die Musikszene generell unfähig zu solcher Selbstkritik, wenn sie schon diesen Madonna-Auftritt als skandalös betrachtet.

Und vielleicht spielt auch ein Konflikt der Kulturen eine Rolle: können Protestanten Katholiken verstehen ?

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