Zum Anti-Atomwaffenpopulismus der türkis-grünen Regierung

Aussenminister Schallenberg und Kanzler Kurz haben eine Pressekonferenz gegeben, in der sie behaupteten, die Atomwaffenstaaten würden ihre Abrüstungsverpflichtung laut Atomwaffensperrvertrag verletzen und Atomwaffen würden keine Sicherheit schaffen.

Ich halte die darin geäußerten Positionen allesamt für falsch und werde das anhand von drei Themenfeldern erläutern:

1.) Zur Frage, ob Atomwaffen Sicherheit schaffen: Noch niemals in der Geschichte der Menschheit hat ein Staat Atomwaffen gegen einen anderen Staat kriegerisch eingesetzt, wenn auch der andere Staat Atomwaffen besessen hat. Man nennt das die "balance of terror", bzw. das "Gleichgewicht des Schreckens". Trotz eines äußerst konfliktgeladenen Ideologie- und Systemkonflikts blieb der Kalte Krieg zwischen kapitalistischem Westblock und kommunistischem Ostblock 1948-1991 friedlich, wohl deswegen, weil beide Seiten Atomwaffen hatten, deren Einsatz sie sich gegenseitig androhten, falls der andere angreift. Durch den kriegsverhindernden Aspekt des atomaren Gleichgewichts des Schreckens wird der Fokus gelenkt auf die wirtschaftliche und organisatorische Kompetenz von Systemen, nicht mehr auf die kriegerische: so gesehen ist das atomare Gleichgewicht des Schreckens auf sehr effektive Art pazifistisch.

Österreich war in diesem Konflikt wie so oft Sicherheitsschmarotzer und profitierte insbesondere von der NATO-Nachrüstung, die eine Reaktion auf die östliche Aufrüstung mit SS-20-Atomraketen war, die insbesondere in der damaligen DDR stationiert wurden.

Die beiden einzigen kriegerischen Atomwaffenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki (wobei man in der Tat diskutieren kann, ob der zweite überflüssig war) hatten auch und sehr wesentlich den Sinn, erstens eine sehr blutige und sehr grausame Bodeninvasion von Japan im Zweiten Weltkrieg zu verhindern, und zweitens wäre Japan möglicherweise Teil des Ostblocks geworden ohne Atomwaffeneinsätze, mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Weltgeschichte.

Es gibt natürlich auch die "konventionellen", nicht-atomaren Bombardements durch klassische Brand- und Sprengbomben, wie zum Beispiel auf Tokio oder das ohnehin praktisch schon kriegsunfähige Deutschland (und Österreich) 1944 und 1945, die der darin verwickelte britische Premier Winston Churchill selbst einmal als Terror bezeichnete, und die heute wohl als Kriegsverbrechen einzustufen wären, wie schon das frühere Mitglied im US-National Security Council, Brent Scowcroft (der übrigens im Vormonat verstarb) meinte. Eine allzustarke Fokussierung auf die Atomwaffen und Dämonisierung derselben kann daher zu einer Verharmlosung und Bagatellisierung der "konventionellen Waffen" führen. Aber die Atombombe als neuere Waffe hat natürlich eben durch ihre Neuigkeit einen größeren Hysterieeffekt und eine größere Medienwirksamkeit als klassische Bomben, wie sie schon seit Jahrhunderten verwendet werden, und mit diesem Hysterieeffekt des Neuen spielen Kurz und Schallenberg, scheinbar obwohl sie wissen, dass konventionelle Waffen auch existieren und verheerende Zerstörungen anrichten können.

Da sich Diktaturen viel leichter tun als Demokratien, Menschen in den Krieg zu schicken, ist die Atombombe auch eine sehr demokratische Waffe, die oft dazu dient, das konventionelle Übergewicht von Diktaturen auszugleichen. Man kann daher vermuten, dass die Atomwaffeneinsatzdrohung zahlreiche konventionelle Offensivkriege von Diktaturen gegen Demokratien verhindert hat.

2.) Zum von Kurz und Schallenberg absurderweise hochgelobten Atomwaffensperrvertrag, der sich absurderweise auf die Situation aus dem Jahr 1967 bezieht: damals bestanden fünf Atommächte: USA, GB, Russland/Sowjetunion, Frankreich und China. Seither sind zahlreiche Staaten sicher oder gewiss als Atommächte dazugekommen: Israel, Pakistan, Indien und einige weitere vielleicht dazugekommen: Iran, Nordkorea.

Die Situation heute ist eine derart grundlegend verschiedene als die, die der Atomwaffensperrvertrag beschreibt, dass man ihn wahrscheinlich als clausula-rebus-sic-stantibus-obsolet erklären muss, also als ungültig wegen Wegfall der Vertragsgrundlage, weil eben die Lage heute eine völlig andere ist als die 1967-Situation, auf der der Vertrag beruht.

Weder haben sich sich die Atommächte an die darin enthaltene Abrüstungsverpflichtung gehalten, noch haben sich die (alle) Nicht-Atommächte daran gehalten, keine Atomwaffen entwickeln zu wollen.

Es stellt sich die Frage, ob die einzigen Effekte, den dieser Vertrag hatte, die Ambiguisierung ist, also dass viele Atommächte nicht mehr offen zugeben, Atomwaffen zu haben, sondern offiziell erklären, keine zu haben, während immer wieder Indizien über ihre Atomwaffen bzw. Atomwaffen-Programme autauchen; sowie die Verharmlosung der Scheinnichtatommächte (eines der wenigen Resultate des Atomwaffensperrvertrags: Man muss Begriffe wie "Scheinnichtatommächte" verwenden). Der Atomwaffensperrvertrag hat so gesehen wie alle gutgemeinten, aber schlechtgemachten Verträge nur Intransparenz und Lüge in der internationalen Politik hoffähig gemacht, aber nichts positives bewirkt. Aber es passt zum Katholizismus von Kurz und Co., durch überstrenge Moral und Verbote, an die sich kaum ein Katholik und kaum eine Katholikin hält, wie z.B. Kondomverbot, Pornoverbot, Abtreibungsverbot und Antibabypillenverbot (früher auch Verbot des vorehelichen Sex), nur eine Verlogenheit zu erzeugen. Genauso wie das frühere katholische Beerdigungverbot für Selbstmörder ein gewaltiger Korruptionsmotor war, weil Familienmitglieder Ärzte und Leichenbeschauer bestachen, um den Selbstmord zu vertuschen, damit das selbstmörderische Familienmitglied im Familiengrab im katholischen Friedhof beerdigt werden kann.

3.) Weitere Aspekte des österreichischen Anti-Atomwaffenpopulismus sind: Vergiftung der Beziehungen zu Atommächte, vielleicht speziell USA und Israel. Kanzler Kurz knüpft damit an an seinen mit Antisemitismus spielenden Kurs, durch ständige Erwähnung der Silberstein-Affäre, die eigentlich eine ziemliche Normalität im Internet zum Inhalt hatte, nämlich die Leichtigkeit der Identitätsfälschung in Internet, antisemitische Signale zu setzen. So gesehen stellt sich die Frage, ob Kurz durch seine ständigen antisemitismuskompatiblen Signale mitschuld ist an antisemitischen Übergriffen in Österreich wie zum Beispiel dem Anschlag auf den Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde in Graz.

Und es stellt sich auch die Frage, ob der seit langem betriebene von Kurz betriebene Anti-Atomwaffenpopulismus eine Mitursache des Brexit ist, also des Austritts der Atommacht Großbritannien aus der EU. Ein Verzicht der Staaten auf Atomwaffen würde einem Regelbrecher oder einem Terroristen, der in Besitz einer Atomwaffe kommt, ein Atomwaffenmonopol verschaffen und damit ein extrem hohes Erpressungspotenzial.

Es mag schon die Koalition zwischen ÖVP und Grünen festigen, wenn die ÖVP sich dem pazifistischen Ideal der Grünen anschliesst, aber in vielerlei Hinsicht kann das sehr großen Schaden anrichten.

Aber Kurz und Co. ist das wahrscheinlich egal: Hauptsache, man schneidet in den Meinungsumfragen gut ab, was zählt dann schon Vergiftung der internationalen Beziehungen ?

Der neue Stil der neuen Volkspartei und der neuen türkis-grünen Koalition: Meinungsumfragen zählen, aber Wahrheit nicht ?

https://kurier.at/politik/inland/kurz-und-schallenberg-atomwaffen-schaffen-keine-sicherheit/401044402

Apropos NATO: der frühere FPÖ-Parteivorsitzende und Kärntner Landeshauptmann Dr. Jörg Haider stand der NATO sehr positiv gegenüber.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Noch keine Kommentare

Mehr von Dieter Knoflach