Bachmut, oder nicht?

„Während sich die russischen Streitkräfte überaus dumm anstellen, machen es die Ukrainer äußerst geschickt. Die Kämpfe um Bachmut binden eine Großzahl an russischen Kräften. Soldaten, die wiederum an anderer Stelle fehlen. So kann die Ukraine ihre Reserven schonen – und Kräfte für Offensiven im Frühjahr aufbauen. Je mehr Selenskyj zudem die ‚Bedeutung‘ Bachmuts betont, desto dringender will Prigoschin es erobern. Russland fällt auf einen Trick rein“, erklärte Marcus Keupp, Dozent für Militärökonomie an der Militärakademie der ETH Zürich, dem Nachrichtenportal t-online.

Auch militärisch gebe es seiner Ansicht nach Fallen für die Angreifer. Größere Panzer würden etwa in den Straßen schnell stecken bleiben, meinte der Betriebswirt exemplarisch, „und bald den Verteidigern zum Opfer fallen. Es gibt zwar auch kleinere Panzer, die für den Kampf im urbanen Gebiet besser geeignet sind. Aber die russische Armee hat sie schlichtweg nicht“. Bachmut eigne sich noch aus einem anderen Grund für die Ukraine, erklärte er: „Die Stadt liegt in einer Ebene, auf den Hügeln in der Umgebung steht die ukrainische Artillerie.“

Seine These: „Die russischen Truppen werden in einen Fleischwolf geschickt – ohne jede Rücksicht. Dieses Vorgehen ist aus militärischer Sicht außerordentlich dumm. Aber es geht im Kampf um Bachmut nicht in erster Linie um die Erreichung militärischer Ziele, sondern um einen Machtkampf in der russischen Führung.“ Dieser Machtkampf tobe angeblich zwischen „Wagner“-Chef Prigoschin und dem russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Beide seien „verfeindet“, meinte Keupp: „Aber auch Prigoschin ist das Schicksal seiner Leute ziemlich egal. Diese Menschen werden als ‚überflüssig‘ betrachtet, so zynisch das ist.“

Die Einschätzung, dass die ukrainische Armee Bachmut (noch) nicht aufgeben will, um die russischen Streitkräfte dort zu konzentrieren und Zeit für eine Gegenoffensive zu schaffen, ist verbreitet. So entsteht auch nach und nach der Eindruck, dass Putins russische Frühjahrsoffensive bereits in Stocken geraten ist.

Die amerikanische New York Times berichtete jüngst unter Berufung auf ukrainische Kommandeure, dass man die Stellungen so lange wie möglich halten wolle, bis der Gegner geschwächt in kommende Kämpfe gehe. „Die Aufgabe unserer Truppen in Bachmut ist es, dem Feind so viele Verluste wie möglich zuzufügen“, erklärte zudem der stellvertretende Kommandeur der ukrainischen Nationalgarde, Wolodymyr Nazarenko, dem Sender NV Radio: „Jeder Meter ukrainisches Land kostet den Feind Hunderte von Menschenleben.“

Laut dem ukrainischen Verteidigungsminister Olexij Resnikow verlieren die russischen Truppen bei Bachmut so jeden Tag bis zu 500 Mann durch Tod oder Verwundung. Dieselbe Strategie hatten die Ukrainer schon im Sommer 2022 bei den Kämpfen um Sjewjerodonezk und Lyssytschansk angewandt, schreibt die New York Times in einer Analyse.

Kiew rechnet laut der New York Times damit, dass sich die Kämpfe bei einem Fall von Bachmut in die nächstgelegene Stadt Tschassiw Jar verlagern. Dort würden die ukrainischen Streitkräfte bereits Stellungen errichten und ausbauen. Der Generalstab hofft demnach, dass die russischen Verbände wie vergangenen Sommer so sehr geschwächt sind, dass im Donbass, wo aktuell Kupjansk evakuiert wird, die Möglichkeit zu einer Gegenoffensive besteht.

Denn: Die russischen Truppen würden in Bachmut regelrecht „verbluten“, meinte Militärexperte Keupp, „anders kann man es nicht ausdrücken. Sie sind schlichtweg Kanonenfutter: Bis zu 600 Mann Verlust pro Tag sind eine erschreckende Zahl“. Er schätzte die Verluste der russischen Invasionstruppen dort sogar auf das Sechsfache der ukrainischen Verteidiger. Bleibt die Frage, ob das die Befehlshaber im Kreml kümmert.

Quelle: merkur.de

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A. M. Berger

A. M. Berger bewertete diesen Eintrag 21.03.2023 12:36:05

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