Kaffeenotstand! Ich habe noch soviele Bohnen daheim, daß es gerade für zweimal 80 Umdrehungen meiner geschmiedeten Kaffeemühle reicht, zwei Kaffeetscherl ist das. Also gehe ich einkaufen dorthin, wo der gemeine Schildbürger einkauft: in den Supermarkt. Lustlos schiebe ich meinen Wagen durch die Gänge, alles sehr verdrießlich hier. Es steckt in Plastik, was nur irgend reingeht, sogar das Bio-Gemüse (das vor allem, wohl wg. Kontaminationsgefahr), sowas wie Musak beschallt mich, der Boden ist geputzt. Es gibt keinen Kontrast zwischen Gutem und Gammel, alles ist poliert, die Äpfel gewachst, auch der Gammel soll verkauft werden und glänzt wie alles andere. Scheußlich.

Ich sehe Orangen. Wie war das noch... ich versuche zu erinnern, damals gab es Zeiten für den Rotkohl, Tomaten, Erdbeeren und Orangen. "Orangenzeit ist vorbei", denke ich anfang Mai, "aber heutzutage ist das eh wurscht". Meines drohenden Skorbuts eingedenk packe ich ein Sackerl in den Wagen. Dann noch dies und das für Gemüsesuppe oder was anderes, Kasse, zahlen, raus hier, aber schnell.

Wieder daheim. Den Kaffee hab ich vergessen, zefix.

Ich leiere mich so durch den Tag und spare mir die letzten 80 Umdrehungen für morgen auf. Abends fällt mein Blick auf das Netz mit Orangen: "Spanien" lese ich, aber das tut nichts zur Sache. Greife nach meinem besten wohlgeschliffenen Küchenmesser, das aus Stahl aus Vietnam hergestellt wurde, ritze die Schale wie es Brauch ist (zumindest bei uns) und schäle dieses kleine Wunder. "Wann hab ich das letzte Mal eine Orange geschält?" frage ich mich. Die Umfrage liefert Werte zwischen einem halben und zwei Jahrzehnten. Und das stimmt! Zwischendurch begleiteten mich Weibspersonen, welche mir Orangen auf das anständigste schälten, aber da wir jeweils Eins waren zur jeweiligen Zeit, gilt auch hier der Satz:

"Wenn die Zukunft nicht mehr das ist, was sie mal war, dann wird sich die Vergangenheit in naher Zukunft ändern."

Ich zerteile die geschälte Frucht und nehme ein Bruchteil davon, vernichte es zu einem höheren Zweck - wie, was? meine Selbsterhaltung ein höherer Zweck? - eher so vielleicht... nehme es in Beseitigungsgewahrsam: ja, das paßt.

Schmeckt nach nichts. Jedenfalls nach nichts von dem, wonach Orangen schmecken sollten. Ich habe schon lange keine Orangen mehr gegessen, aber ich habe ein Elefantengedächtnis was Gerüche und Geschmäcker angeht. Es gibt noch Bäckereien, die Semmeln herstellen, die genauso schmecken und riechen wie damals, als diese irgendwo in Milch eingebrockt wurden. Ich war so um die drei Jahre alt, und ich erinnere vom Ort nur die Treppe zum Haus, die Tür, und beide undeutlich. Die Semmeln aber schweben wie Edelsteine in meinem Gedächtnis, durch nichts angreifbar. Frag mal deinen Hund wie sowas geht.

Schmeckt nach nichts. "Das ist eine weitere Vorstufe zu Soylent Green" denke ich, während ich das Orangenschnitz obabampf.

Jetzt ist September, die frischen Champignons auf den Wiesen sind wegen der Jauche ungenießbar. "Ja mei", sag ich mir, "bei so wenig Bienen dieses Jahr, was sollns die Champignon-Fresser da besser ham", und hoffe, daß ich noch ein paar Hirscherl find heuer da im Wald, wo nur ich weiß wo die sind.

Da sind Riesen auf den Wiesen.

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berridraun

berridraun bewertete diesen Eintrag 10.09.2018 08:48:11

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