"Halt, bitte halte doch einmal an!“ - ruft meine Sitznachbarin Katrin und wedelt nervös mit ihrer Kamera. Unser Kleinbusfahrer Gert, der uns hier durch die Gegend kutschiert und in Sachen Gelassenheit seiner nordischen Herkunft nur gerecht wird, scheint gleich zu wissen, worum es geht. Darum nämlich, den doppelten Regenbogen, den wir seit fünf Minuten verfolgen, endlich von draußen und ohne verschmierte Fensterscheibe dazwischen zu fotografieren. Einen Atemzug danach stehen wir auch schon auf einem Parkplatz. Es ist dennoch zu spät. Der Regenbogen hat sich buchstäblich in Luft aufgelöst. Uns bleibt nur die Gewissheit: Er wird nicht der Letzte bleiben, den wir hier an der dänischen Nordsee zu Gesicht bekommen.

Seit unserer Ankunft auf dem Holmsland Klit (= Holmsland Düne), dieser 30 Kilometer langen Landzunge zwischen Nordsee und Ringkøbing Fjord im dänischen Lütland, werden wir regelrecht von ihnen verfolgt. Von den Regenbogen, die sich mal hier, mal dort, mal als schüchterner Hauch, mal in knalliger Farbenpracht auf dem Himmel zeigen. Kein Wunder, sind doch Bucht- und Meerwasser von gerade einmal zwei Kilometer breitem Land getrennt. Wenige tausend Einwohner haben hier auf der kargen Erde mit ihren Kartoffel- und Haferfeldern ein ruhiges Zuhause gefunden.

Eine Stille und Gemächlichkeit, die jeden Sommer jäh unterbrochen wird: Dann nämlich, wenn von den Kommunen Nymindegab im Süden über den Hafenort Hvide Sande in der Mitte bis nach Søndervig im Norden abertausende Touristen in die Region einfallen. Dann sind die 10.000 Ferienhäuser und Hausboote genauso voll wie die Parkplätze davor, an denen Autos mit (zu 95%) deutschen Kennzeichen halten. Aus den Schornsteinen qualmt es, die Geschäfte schmücken ihre Auslagen heraus und an den Tischen vor den Cafés herrscht ein ständiges Kommen und Gehen.

Von diesem regen Treiben ist im September nur noch im touristischen Zentrum der Hafenstadt Hvide Sande etwas zu erahnen. Täuschen lassen sollte man sich von der Ruhe in den Straßen aber nicht, denn über mangelnde „Action“ kann man sich auch zu Beginn der Nebensaison nicht beklagen. Dann, wenn die Luft rauher, windiger, vor allem kälter und nässer wird, kann man nämlich ganz schön ins Schwitzen kommen!

Einmal rechts! Nein, doch zweimal, oder dreimal“, ruft mir meine dänische Reisegefährtin Thea zu und sticht ihr Paddel ins Fjordwasser, damit wir nicht wieder – wie die zig Male zuvor – seitlich im Schilf stecken bleiben. Bei den heftigen Windböen wird selbst die angeblich ach so ruhige Kajakfahrt im seichten Ringkøbing Fjord zur schweißtreibenden Herausforderung. Beirren lassen sollte man sich davon aber nicht, schließlich bleibt spätestens beim nächsten Regenguss ohnehin kein Körperteil trocken. Das wissen auch die Wind- und wetterfesten Freizeitsportler, die sich trotzdem an der Wakeboard-Anlage im „Kabelpark“ anstellen, um auszuprobieren, wie lange sie sich auf dem Wasserski halten können. Oder die Hartgesottenen, die sich beim Windsurfen in den geschützten Buchten in die Wellen der 17 Grad kalten Nordsee stürzen.

Die Dänen scheinen gegen das Wetter gefeit zu sein. Sie laufen noch bis November in zehenfreien Highheels und schicken Sandalen (oder barfuß) übers Watt. So hart im Nehmen sind die deutschen Touristen nicht, doch abschrecken lassen sie sich von Wind und Wetter genauso wenig. „Wollte ich Sonne haben, dann wäre ich für meinen Urlaub in den Süden gefahren“, meinen sie pragmatisch, stapfen mit Windjacken, Gummistiefeln, Mütze und Schal ausgerüstet los, um sich bei endlosen Strandspaziergängen gegen die Stürme zu stemmen oder bei einer Heide-Radfahrt umso heftiger in die Pedale zu treten.

Vielleicht wissen sie aber auch bloß, dass die – nach dänischem Sprichwort - „Oberschenkel dicken Regentropfen“ sowieso eher früher als später dem blauen Himmel und strahlendem Sonnenschein weicht. Und dass die schönsten Regenbogen genau dann zu beobachten sind, wenn zuvor ein kräftiger Schauer niedergeprasselt ist...

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