Gedanken zum österreichischen Journalismus

Die Wiener Zeitung aus 1780 besteht noch heute als älteste österreichische Zeitung. In Wien um die Jahrhundertwende ("fin de siecle") herrschte infolge des Hinterlandes der Monarchie eine vorbildliche und ausgeprägte Zeitungskultur in den Kaffeehäusern.

Jedoch seit dem 1.Weltkrieg ging diese Kultur verloren. Es gab die Zensur des Austrofaschismus und daruffolgenden Nationalsozialismus. Auch nach dem 2.Weltkrieg gab es infolge der Besatzungsmächte-Zensur noch keine wirkliche Medienfreiheit. Nach dem Staatsvertrag 1955 kam die Zeit der Parteizeitungen, es gab nur Rot und Schwarz.

Im Zuge weiterer gesellschaftlicher Liberalisierung und Demokratisierung gelang es den Medien, sich den Ruf eines Gatekeepers (=Schleusenwerter der Informationsflut) und einer de facto 4.Gewalt im Staat zu sein. Einige deutsche Verlagshäuser (WAZ, Gruner&Jahre) expandierten nach Österreich.

Mit dem STANDARD erfolgte Ende der 80er-Jahre mit Bronner eine Neugründung mit hohem, journalistischem Niveau (Vorbild NYT, SZ, FT-Farbe lachsrosa,NZZ, Welt, etc..), jedoch immer wieder mit Höhen und Tiefen, was die Finanzierung betraf. Als Wirtschaftszeitung startend sollte sie dann auch parteiunabhängig Politik und Kultur in Österreich abbilden und war damit erfolgreich. Zuvor versuchte Bronner es schon mit den Magazinen Trend und Profil, die er später verkaufte und Österreich Richtung New York als Maler auf 13 Jahre verließ, eine durchaus wilde Zeit. Als Maler wird man erfolgreich, wenn man ein Partytiger ist - Bronner war kein Partymensch.

Die Gegenstück zum STANDARD oder auch PRESSE als weiteres Qualitätsblatt sind Boulevardblätter, wie ÖSTERREICH, KRONE, HEUTE als Gratisblatt, etc.. "Jedes Land hat die Zeitung und Politik, dies es verdient" - sagt man.

Auch der NEWS-Verlag begann einen Tabubruch Richtung Boulevardisierung, der ins Persönliche gehende Journalismus. Das kaputtsparen hat den NEWS-Verlag (fast) in den Ruin geführt. Die geringste Wertschätzung scheint Fellner mit seinem ÖSTERREICH zu genießen, ein Skandalblatt.

Österr. Zeitungen werden einem starken politischen Druck ausgesetzt, neben der offizielen 12 Mio. Presseförderung insgesamt gibt es parteiengesteuert noch über 100 Mio. inserategesteuerte indirekte Förderungen durch Ministerien und staatsnahe Unternehmen.

Bronner (Haifa, Wien - frz.Lyzeum-Schüler, Hamburg, Bonn, 13 J.New York , Sohn des Kabarettisten Bronner, Eltern KZ ermordet,TBC als Kind, 2 schwerkranke Kinder, Gattin Andrea Psychotherapeutin), "Schicksalschläge dürfen nie als Ausrede herhalten, um sich im Leben gehen zu lassen", manche versaufen sich) sah sich "nicht als Verleger, der daneben auch malt, sondern als Maler, der verlegt". Man kann eine Zeitung nicht halb gründen, man muss an den Rand des Möglichen gehen ohne sich auf politische Kompromisse einzulassen. Auch der Standard war einmal knapp vir dem Scheitern, auch wenn sich Banken auf politischen Druck zurückziehen.

Der STANDARD war erste deutsche Online-Zeitung.

Ein neues Problem tat sich im neuen Jahrtausend auf. Der zunehmende Onlinejournalismus zu Lasten der Printauflagen schafft es nicht, eine ausreichende Monetarisierung sicher zu stellen - ein Problem, mit dem alle Onlinemedien kämpfen.

Print wird nicht ganz verschwinden, aber weiter schrumpfen und verursacht viel höhere Kosten.

Online hat auch den Vorteil, besser mit elekronischen Medien multimedial unterhalten zu können, als Printmedien.

Österreich ist medial schlechter geworden:

In Zeiten zunehmender Verlustgebarungen bei den Medien gilt ein Zitat von Karl Kraus:

"Je größer der Stiefel, umso größer der Absatz".

Das wissen die Verleger und verfallen damit noch mehr dem Boulevard mit seiner Niveaulosigkeit. Auch im ORF zählt Quote vor Qualität. Der Österreichjournalismus bewegt sich nach unten , es findet ein Wettbewerb nach unten statt. Ein verzerrter Wettbewerb noch dazu, weil einige willfährige Blätter (die Namen sind bekannt) nur durch versteckte, politische Förderungen über entsprechende Inserate überleben - eine politisch induzierte Negativauslese.

Dieser Negativspirale nach unten haben die Gratiszeitungen noch einen zusätzlichen Schub verliehen. Im GGs. zu Deutschland wird in Österreich diese Negativ-Entwicklung insbesondere von der Politik degoutant gefördert - jeder Politiker möchte mit PR-Beiträgen toll dastehen. 2 bis 3 Boulevardmedien werden in Österreich nur durch die Politik am Leben gehalten - die Politik erkauft sich über Anzeigenschaltung Berichterstattung - degoutant.

Eine fehlgeleitet Politik deformiert insgesamt dieses Land. Zeitungsverleger (Namen bekannt), die sich kaufen lassen, sind disgusting. Unser schwaches politisches Personal trägt die Verantwortung für die Lähmung des Landes und hinzu kommt die Alternativelosigkeit für den Wähler einer ewig großen Koalition und auch kleine funktionieren nicht, wie wir gesehen haben.

Die Suche nach der Wahrheit ist die ureigendste Aufgabe eines Journalisten gepaart mit einem hohen Maß an Neugierde. Er muss bereit sein, Hürden in Kauf zu nehmen. Er soll auch in einem Kommentar die Pro und Contra aufzeigen, sodass der Leser seine Schlüsse selbst ziehen kann. Denn in beiden Positionen - Pro und Contra - steckt ein Stück und selten die ganze Wahrheit (dialektisches Denken = These/Antithese/Synthese). Einziges Kriterium sollte die Suche nach Qualität sein, obwohl mir manchmal Zweifel aufkommen, wieviel Qualität überhaupt noch nachgefragt wird.

Die Zunahme der Hasspostings wird für die Medien ein Problem, der Standard musste anlässlich Haiders Tod sogar die Seite sperren wegen unerträglicher Geschmacklosigkeiten von Hasspostings.

Übrigens ist es auch spannend, sich durch Schreiben erst selbst richtig kennen zu lernen, denn Schreiben heißt auch nachdenken. Es ist auch spannend, sich vom Leben überraschen zu lassen und die spannensten Karrieren sind die mit Brüchen.

Eine Zeitung muss sich zeitweise verändern, darf nicht "ranzig" werden. Relaunches dürfen sich jedoch nicht darauf reduzieren, der Eitelkeit des Chefredakteurs zu dienen.

Ein paar Worte zur wirtschaftlichen Situation 2015 einiger Medien:

o STYRIA Medien Verlag:

"Presse", "Kleine Zeitung und willhaben.at" (=cash-cows), Verlustträger Wirtschaftblatt 2016 liquidiert, 24-Sata größte Kroatische Zeitung mit 600 Styria-Mitarbeitern in Kroatien und 60 in Slowenien. Antenne-Radio, etc......Gesamtmitarbeiterstand STYRIA-Group über 3000 MA. Von der STYRIA-Medien Group AG schätzungsweise an betreuten Tages/Wochenzeitungen/Magazine in Österreich um die 70 und 40 in Slow/Kroatien, Radiosender, Buchverlage, Online-Dienste.

Wichtigste Namen kfm.: Raiff.-Exbanker Mair (VstVs), Schweighofer+Kribitz(Vst), Santner (AR-Vs): Patterer (Chefr.).

Mair/RLB-Boss löste Pirker ab, da Pirker offensichtlich mit dem Eigentümer Meinungsverschiedenheiten hatte.

Obwohl die Kleine Zeitung immer mehrere bis zu zweistellige Millionen- Gewinne schrieb, haben sich die Zeiten inzwischen auch geändert und die STYRIA-Group verbuchte 2014 einen Buch-Verlust von 28 Mio. Ursächlich waren a.o. Umstände in Slowenien/Kroatien mit Beteiligungsabschreibungen, die erfolgreiche KlZ selbst blieb natürlich in der Gewinnzone. Das Wirtschaftblatt floppte seit Jahren und wurde liquidiert (66 MA gekündigt). Zusammen mit der auch immer wieder verlustreichen Presse mussten in der letzten Dekade beide in zweistelliger Höhe - dem Vernehmen nach im Bereich von mindest 20 Mio. - gestützt werden. Cash Cow blieb die regional (Stmk., Kärnten) bestens aufgestellte Kleine Zeitung.

o Der ORF als größtes Medienunternehmen mit 1 Mrd. Umsatz schreibt nur 7,6 Mio. Gewinn - dort gibts vermutlich noch überdotierte Journalistenveträge im Vergleich zur Medienkonkurrenz.

Dem ZIB2 Anchor-Man und Rambo Armin Wolf könnte man ins Stammbuch schreiben: "Je größer du bist, um so mehr bescheide dich, dann wirst du Gnade finden bei Gott"

Wie es mit der STYRIA 2015 aussah, davon ist zu mir noch nichts

durchgedrungen (Umsätze liegen immer etwas über 400 Mio.). Über die Kleine hört man bisweilen Kritiken über suboptimales Vorgesetzten-und Kommunikationsverhalten intern mit nicht immer nachvollziebaren Führungsentscheidungen. Das kommt aber ohnedies in den meisten Häusern vor und sollte nicht verwundern.

o Der STANDARD (Ums. 59 Mio./375 MA) schrieb nach 2 Verlustjahren seit 2015 wieder +1,7 Mio. EGT - ein erfreulicher "turn-around" mit ca. 1% mehr Reichweite, als die Presse und ihm gelang der erfolgreichsten Onlineauftritt.

o Pirker (vormals KlZ. u. Red Bull u.Saubermacher) mit seiner inzwischen von Gruner&Jahr (Bertelsmann) übernommenen, verschuldeten NEWS-Gruppe hat mit 9,4 Mio. Verlust (davon über 5 Mio. operativ) einen ordentlichen Flopp gelandet.

o Die Salzburger Nachrichten bauen vermutlich schon das 3.Jahr um die 3 Mio. Verlust.

o Die KRONE hatte innerhalb der letzten Dekaden einen fast 10%-igen Reichweiteneinbruch. Ich halte Dichand jun. nicht für die beste Besetzung. Natürlich schreibt die Krone als österr. Boulevardblatt trotzdem noch schöne Gewinne von über 16 Mio.

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/der-oesterreichische-journalismus-ist-am-besten-weg-sich-abzuschaffen-17544

o Viele internationale Medien bewegen sich in der Verlustzone, weil die digitale Transformation das alte Geschäftsmodell zerstört hat mit hohen Anzeigenverlusten und Preiseinbrüchen insb. im Printbereich. Überzeugend Profitable, neue Geschäftsmodelle wurden noch nicht gefunden. Die digitale Transformation hat Rahmenbedingungen verändert, das Angebot im Medienbereich (Social Networks, Webblogs, etc..) drastisch erhöht und zur Abwanderung von Anzeigeerlösen und Preiseinbrüchen geführt neben rückläufiger Printauflagen. Im Onlinebereich haben Investitionen zusätzliche Produktionskosten verursacht.

Kostendruck, Personalabbau und Beschleunigung im Onlinejournalismus gefährden überdies die Qualität.

GUARDIAN = 100 Mio. Verlust (von der Trust-Stiftung gestützt)

FAZ = drei Jahre Verluste stiftungsgestützt baute 200 Stellen ab

WELT = Verlust

NZZ = erlebte auch schon Verlustjahre, die Gruppe hat jedoch 2015 einen Gewinn verbucht. Die NZZ. at war ein Flopp, Fleischhacker musste gehen. Neue Auftritt sieht besser aus.

ZEIT und deutsches Handelsblatt sind noch am erfolgreichsten

New York Times = Verluste

Wallstreet Journal (Murdoch) hat Probleme (Offerte an 450 Mitarbeiter) und Financial Times (gehört jetzt den Japanern) bauen Stellen ab, die FTD (Financial Times Deutschland) baute lfd. um die 40 Mio. Verluste und musste 2015 eingestellt werden (G&J/Bertelsmann).

SPIEGEL kämpft genauso, er hat seit dem Jahr 2000 70% der Printanzeigen verloren,er strich 150 Stellen,....

Arianna HUFFINGTON (66, Burnoutexpertin), Gründerin der erfolgreichen Nachrichtenwebsite "Huffington Post", verlässt das Unternehmen, das um 315 Mio. USD an AOL verkauft wurde, ohne das die Journalisten davon etwas bekamen, das schreibende Fussvolk ging leer aus. Die gebürtige Griechin hatte die "Huffington Post" im Jahr 2005 gegründet mit dem neuen Konzept, Leser zu den Inhalten des Portals Beiträge schreiben zu lassen und hatte damit großen Erfolg. Im Gegensatz zu den vergleichsweise monolithischen Zeitungshäusern baute sie ein Medium auf, das vom vielstimmigen Gemurmel von Bloggern und Kommentatoren zehrte, die in grosser Zahl für Gotteslohn auf der Plattform mitmachten.

Insgesamt ist zu sagen, dass der Journalismus in einer tiefen Krise steckt, eine KPMG-Studie sprach kürzlich im Schnitt von 30% Umsatz- und 50% Werbeerlöseinbrüchen, das wird vermutlich bis zu einem Drittel an Arbeitsplätzen kosten.

Kritiken der jüngsten Zeit an den Medien:

o Mainstreamjournalismus, schwaches Agendasetting

o Selbstgefälligkeit (am "Tisch der Götter" )

o Elitenbeißhemmung (Kritik der SZ, HB an Österr.)

o Qualitätsverlust wegen Onlinebeschleunigung und Kostendruck - Gefahr der Boulevardisierung

o fehlender Mut zu investigativem Journalismus und gegen den Strom zu schwimmen

o Gouvernantenhaftigkeit trotz im Social-Media Zeitalter verlorengegangener Gatekeeper-Funktion, der Plattforem-Journalismus mit "instant articles" (NYT, Spiegel, Times, BBC, Bild, etc....ganze Artikel werden auf Facebook gepostet und der Verlag darf dafür auf dieser Seite Werbung machen - Vorteil "Netzwerkeffekt" macht das Rennen ("Netzwerkschwarmeffekt" Facebook, Google, Twitter, WhatsApp, etc.)

o innenpolitischer Verdummungsjournalismus (jeder Innenpolitiker-Furz wird mehrmals kommentiert)

o Unzureichende Interaktivität mit der Postingcommunity, nicht alle sind "Trolle"

o Jüngste Kritik: mehr zu den Leuten hinausgehen!! - weg vom reinen Agenturjournalismus. Die Leser zu Clubmitgliedern machen.

o Es kommt der Tag, wo Print nur noch optional sein wird

o Individualisierungsmodelle zugeschnitten auf den User

Die Zukunft - "Hoffnung allein zahlt keine Mieter" - um zu überleben heißt:

o Economies of Scale (Fixkostendegression durch Expansion, Erschließung neuer Absatzmärkte Umsatzausweitung und damit verbundene Stückkostensenkung infolge Fixkostendegression (= Skaleneffekt des größeren Maßstabes)

o Economies od Scope (Synergieeffekte durch Vernetzung und Kooperationsmodelle auch mit der Konkurrenz. Schaffung eines integrierten Medienkonzerns durch Zusmmenarbeitsmodelle mit anderen Medienhäuser, um Synergieeffekte zu schaffen.Denkbar sind Joint Ventures und strategische Allianzen mit anderen Verlagen)

o dem neuen Plattform-Kapitalismus (Sascha Lobo) die Stirn bieten

o Abkehr vom Mainstremajournalismus, wieder hin zum Qualitätsjournalismus

o Perfektionierung der Cross-u. Multimedialität

o Paywallmodelle hinken nach wie vor

o Diversifikation ("Bauchladen";) als letzter Rettungsanker zur Querfinanzierung des Journalismus. Integrierte Leistungsangebote (E-Commerce, Software, Telekommunikationsleistungen,Endgeräte, etc..)

Die Pfeiler, auf die Journalismus gebaut sein muss:

1. Achte Deinen Leser!

2. Schreibe wahr!

3. Erkläre die Welt!

4. Führe Debatten!

5. Recherchiere!

6) Sei fair

7) Langweile nicht mit langen Worthülsentexten

8) Schreib verständlich

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