Hatte die österreichische Verfassung ein Problem mit der „Menschenwürde“?

In Deutschland ist im Art.1 des Grundgesetzes die „Menschenwürde“ als unantastbar und für jeden Menschen gleich verankert. Auch die US-Constitution nimmt Bezug auf die Menschenwürde. Nicht so die Österr. Verfassung, wo die Menschenwürde keine ausdrückliche Erwähnung findet. Die im Verfassungsrang stehende EMRK nimmt sonderbarerweise auch nicht Bezug auf die Menschenwürde.

Deshalb hat eine Regierungspartei einmal den Vorstoß unternommen, wenigstens den Art. 7, worin festgehalten wird, dass alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind zu ergänzen mit: „Die Menschwürde ist unantastbar, sie ist zu achten und zu schützen“. Trotzdem ist weiterhin nichts passiert. Möglicherweise ist „Menschenwürde“ ein zu unbestimmter Gesetzesbegriff und der Judikatur könnte damit zuviel Macht eingeräumt werden, indem zB. die Abtreibung eine Verletzung der Würde des ungeborenen Kindes sein könnte.

Erst mit der "Europäischen Grundrechtscharta" (2009) hat erstmals auch die „Menschenwürde“ sehr spät und völlig unauffällig, aber immerhin! in die Österr. Verfassung indirekt Eingang gefunden, dort heißt es:

Kapitel I "Würde des Menschen", der Artikel 1 lautet:

"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen." !!!!!

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat 2012 nämlich eine richtungsweisende Grundsatzentscheidung getroffen, wonach die erst einige Jahre nach der EMRK ergangene Grundrechtecharta der EU wie eine Verfassung zu sehen!!!. Der VfGH kann also wegen einer Verletzung der Charta angerufen werden - und er kann Gesetze aufheben, die zu ihr im Widerspruch stehen. Die EU-Grundrechtscharta trat am 1. Dezember 2009 - mit dem Vertrag von Lissabon - in Kraft.

Sie garantiert den EU-Bürgern eine Reihe einklagbarer Rechte - neben den klassischen Grund- und Freiheitsrechten aus der Menschenrechtskonvention auch soziale Grundrechte oder die Verpflichtung der EU zum Umweltschutz.

Gerade auch wenn es um unwürdige Darstellungen von Kriegsflüchtlingen geht, ist auch die verfassungsmäßige Verankerung der „Menschenwürde“ sinnvoll. Darüber hinaus geht es aber auch um alte Menschen, die trotz Jugendwahn nicht weniger Würde, als junge haben oder behinderte Menschen. Auch Kinder haben eine Würde (Missbrauchsfälle katholische Kirche!).

Es geht auch um den Persönlichkeitsschutz im Informationszeitalter.

Der Aufklärungs-und Vernunftphilosoph Kant geht davon aus, “ dass der Mensch ein Zweck an sich sei und demnach nicht einem ihm fremden Zweck unterworfen werden darf. Das heißt: Die Menschenwürde wird verletzt, wenn ein Mensch einen anderen bloß als Mittel für seine eigenen Zwecke benutzt – etwa durch Sklaverei, Unterdrückung oder Betrug.“

Der EUGH (Europäische Gerichtshof) mit Sitz in Luxemburg ist das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union (EU)-gilt nur für ihre 28!!! Mitgliedsstaaten, Rechtquelle EMRK. Er sichert «die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge». Mit dem Gericht der Europäischen Union und dem Gericht für den öffentlichen Dienst der EU bildet er die Judikative im politischen System der EU.

Der EGMR (Europäischer Gerichtshof f.Menschenrechte) hat als Rechtsquelle die Gundrechtecharta (GRC), welche erst seit 2009 neben dem Lissabonvertrag in Kraft getreten ist für alle 47!!! Mitgliedstaaten des Europarates gilt (ich glaube ohne Polen und GB).

Weitere Artikel der EU-Grundrechtscharta:

Artikel 2 regelt das "Recht auf Leben" und das Verbot der Todesstrafe,

Artikel 3 das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit inklusive eines Verbots von Eugenik und des Klonens von Menschen.

Kapitel II enthält die "Freiheitsrechte" - also etwa das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf Bildung und das Asylrecht.

Kapitel III ("Gleichheit";) regelt die Gleichheit aller Personen vor dem Gesetz sowie ein umfassendes Diskriminierungsverbot (Rassismus, Sexismus etc.) und die Verpflichtung zur Integration von Behinderten.

Neue Grundrechte finden sich in:

Kapitel IV ("Solidarität") - unter anderem das Recht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, Kollektivverträge abzuschließen sowie das in Österreich bisher nicht gesetzlich verankerte Streikrecht und der Anspruch auf kostenlose Arbeitsvermittlung. Außerdem soll die Politik der Union ein "hohes Umweltschutzniveau" und ein "hohes Verbraucherschutzniveau" sicherstellen.

Unter Kapitel V ("Bürgerrechte";) findet sich neben dem Wahlrecht aller EU-Bürger bei EU- und Kommunalwahlen auch eine für Österreich neue Bestimmung, nämlich das "Recht auf eine gute Verwaltung". Konkret: Das Recht auf Anhörung im Verwaltungsverfahren, auf Aktenzugang und auf eine begründete Entscheidung der Behörden.

Kapitel VI regelt "justizielle Rechte" wie das Recht auf ein unparteiisches Gericht, die Unschuldsvermutung sowie die Bestimmung, dass niemand wegen derselben Straftat zweimal verurteilt werden darf, sowie das Verbot von "unverhältnismäßigen" Strafen.

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 02.03.2016 20:45:25

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