Mao's grausame Kulturrevolution begann vor 50 Jahren (August 1966)

Millionen fanatisierte chinesische Schüler und Studenten ließen im August 1966 ihr Idol Mao hochleben. Insofern waren sie die ersten Vollstrecker der Greuel der Kulturrevolution Maos's, in dessen Wirren China ein Jahrzehnt lange versank.

Auch unsere 68-Generation ohne wissen über die wahren chinesischen Verhältnisse ließen die "Mao-Bibel" als Symbol der Revolution hochleben.

Mao Zedong wollte Revisionisten und bourgeoisen, kapitalistischen Kräften den Garaus machen. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei blies am 8. August 1966 zur Generaloffensive gegen den Revisionismus, wobei die sog. "Roten Garden" als Speerspitze dienten. Auffällig dabei war, dass sich die "Roten Garden" anfangs aus Schüler- und Studentenkreisen gebildet haben. Sie bewunderten Mao und seine revolutionären Ideale und entfachten eine Rebellion gegen ungeliebte Akademiker und Professoren. Daraus entwickelte sich ein wildes Treiben, geprägt durch Menschenverachtung und konfuzianischer Kulturzerstörung.

Mao war schon Ende der 50er-Jahre getrieben von der Angst, eine neue Elite der Staats- und Parteibürokratie würde entstehen. Der Hauptwiderspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie hatte sich durch die kommunistische Machtübernahme in den Augen Mao's trotzdem nicht aufgelöst und eine neue die alte Klasse der Grundbesitzer und städtischen Bourgeoisie werde durch eine neue Ausbeuterklasse der Funktionäre abgelöst. Diese Angst war auch keineswegs unbegründet.

Mao wollte allerdings nicht bemerken, dass er selbst auch an der Spitze dieser neuen Ausbeuterklasse stand zwar mit dem Selbstverständnis eines Revolutionärs, aber dennoch im hierarchischen China der neue Kaiser. In China kam nach konfuzianischer Tradition die Herrschaft von oben , somit war er nach der Machtergreifung der Kommunistischen Partei als deren Führer sakrosankt. Mao stand über dem Volk und der Partei und nutzte diese neue Macht schamlos aus durch einen brutalen Umbau der Gesellschaft ("proletarische Revolution";). Das Vorspiel zur Kulturrevolution bestand in einer personellen Säuberung des obersten Machtzirkels.

Seit dem Fiasko des sog. "Grossen Sprungs nach vorn", dessen ökonomische Fehlsteuerung in eine Hungersnot mit über 30 Mio. Todesopfern zur Folge hatte, war Maos Macht vorübergehend geschwächt. Der alte Richtungsstreit zwischen Mao und Staatspräsident Liu Shaoqi sowie dem Generalsekretär der Partei, Deng Xiaoping, verschärfte sich. Liu suchte den Weg zum Sozialismus über eine effiziente Parteistruktur, Mao über Massenbewegungen. Liu liebäugelte mit einer Art Marktwirtschaft, Mao klammerte sich an die Planwirtschaft. Mao ließ Militärs, hohe Beamte und Intellektuelle, die seinen Kurs missbilligten, in der tödlichen Versenkung verschwinden.

Als im August 1966 das Zentralkomitees (ZK) einberufen wurde, nahmen nur mehr weniger als die Hälfte der regulären Mitglieder daran teil, da die übrigen bereits verfolgt wurden. Der Richtungsstreit war zugunsten Maos entschieden und es sollte noch zwei Jahre dauern, bis Liu Shaoqi alle seine Ämter verlor, aus der Partei ausgeschlossen wurde und in der Haft unter Folter und Medikamentenentzug zu leiden hatte. Er starb 1969.

Maos skrupelloser Umgang mit Andersdenkenden war den Roten Garden ein Vorbild. Sie hatten nun freie Bahn, die vom Vorsitzenden gewünschte Massenbewegung gegen den Revisionismus zu lancieren. Über 10 Mio. junge Leute strömten zu Massentreffen nach Peking, wo sie kostenlos untergebracht wurden, schwenkten die rote Büchlein mit Maos Sprüchen, das Lin Biao für den Gebrauch in der Armee zusammengestellt hatte. Ihr zur Schau gestellter Fanatismus hatte die Dimensionen von Hitlers Propaganda-Auftritten.

Der Lehrbetrieb an Schulen und Universitäten war inzwischen eingestellt worden. Professoren wurden auf die Strasse gezerrt, verhöhnt, verprügelt. Wer in China auch nur einen Hauch von Intellektualität ausstrahlte, war seines Lebens nicht mehr sicher. Der junge Mob mit den roten Armbinden brach in Wohnungen von Akademikern ein, vernichtete Bücher und Manuskripte, folterten oder ermordeten deren Eigentümer. Menschen, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen, wurden mit sadistischer Freude erniedrigt, gequält, zu Tode geprügelt.

Maos Parole:

"Revolutionärer Angriff auf die alten Vier" (= alte Ideen, alte Kultur, alte Bräuche, alte Gewohnheiten), ein somit äußerst destruktiver Ansatz der Kulturrevolution. Zerschlagung des Bestehenden, des Althergebrachten stand im Vordergrund.

Die staatlich gesteuerte Verblendung der chinesischen Jugend hatte dennoch international einen gewissen Nachhall, der wie bereits erwähnt bis in die 1968er Bewegung in Europa hineinreichte.

Mao war von permanenter Revolution wahnbesessen und zerstört den Kern chinesischer Kultur. Dazu gehörten traditionell enge familiären Bande, das reiche Kulturerbe, Theater, Musik, Baukunst, konfuzianische Prinzipien wie Respekt vor den Älteren oder Wertschätzung für Bildung, all diese Werte kamen unter die Räder. Bis heute hat sich China von den Folgen dieser Barbarei noch nicht ganz erholt, eine kulturelle und geistige Öde hat auch zum Leidwesen vieler Chinesen Einzug gehalten.

Verwüstete, konfuzianische Kulturstätte wurde inzwischen zwar renoviert oder rekonstruiert, jedoch diese einst tiefe Verbundenheit mit dem kulturellen Erbe scheint eher dem Kommerz für Touristen gewichen zu sein.

Trotzdem ist Qufu, der Geburts- und Sterbeort von Konfuzius, wo die Roten Garden einst besonders wild gewütet haben, heute für junge Chinesinnen und Chinesen mitsamt ihren Familien auch aus ideellen Gründen doch wieder eine Reise wert.

Im Jahr 1989 (Studentenrevolution) unternahm ich selbst mit meiner Frau eine China-Reise, dazu Bilder unter nachstehendem Link vom Besuch der Grabstele Konfuzius in Qufu:

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/china-verdammt-maos-kulturrevolution-50-jahrestag-konfuzius-20745

Eigenfoto

Studentenrevolution 1989 war jedoch eine Freiheits-und Demokratisierungsbewegung. Wir besuchten auch die Beida-Universität Peking- hineingeschleust über eine österr. Lektorin, da sie für Ausländer schon gesperrt -. Beida war der Geburtsplatz der Studentenrevolution (4.Juni 2014 unter Präs. Deng Xiaoping). Auch der neue Parteichef Xi Jinping macht klar, dass es zu keiner Neubewertung der Tiananem-Revolutionkommen wird. Uns wurde erzählt, dass man Gorbatschow beim Staatsbesuch kurz davor nicht auf den Tiananemplatz ließ, wodurch die Staatsführung das Gesicht vor dem Staatsgast verlor und das war nicht die Ursache aber der Anlass für den Startschuss der blutigen Niederschlagung der Studentenrevolution, Panzer fuhren gegen die Studenten auf.

Zurück zu Mao:

Denunziationen, Verleumdungen, Misstrauen prägten in den sechziger Jahren den Alltag vieler Chinesinnen und Chinesen. Der Diffamierungsterror diente nicht selten persönlichen Abrechnungen und richtete sich fast immer auch gegen die Familien, Freunde, Mitarbeiter und Weggefährten der verleumdeten Personen. Auch hohe Funktionäre und Minister wurden nicht verschont. Sogar Kinder denunzierten ihre eigenen Eltern, schwärzten sie bei Funktionären an, weil sie Maos Kurs kritisierten, und lieferten sie damit bewusst ans Messer der staatlichen Schergen, die sie öffentlich vorführten, schlugen und schliesslich exekutierten. Das gleiche Muster, wie in der NAZI-Zeit mit dem "Heimtückegesetz", wenn man infolge einer Denunziation durch den Nachbarn im Gefängnis oder KZ landete, weil der Nachbar eine offene Rechnung hatte.

Rotgardisten bezahlten Teenager, damit diese in rivalisierenden Gangs Kinder töteten. Der Grausamkeit schienen keine Grenzen gesetzt, so wurde eine Grossmutter zusammen mit ihrer Enkelin lebendigen Leibes begraben. Die sterblichen Überreste von Opfern sollen auch schon einmal archaisch verspeist worden sein, wobei die Körperteile nach Rang unter den Teilnehmern des garstigen Mahles aufgeteilt wurden.

Die Rotgardisten waren gewaltbereit, und Mao hetzte sie gegen den angeblichen Klassenfeind auf. Ihr Vokabular: niedermachen, aufhängen, abfackeln oder "Ins Grab mit ihnen". Die Frustration vieler junger Chinesen Mitte der sechziger Jahre war Motiv dieses Hasses und die Jugendarbeitslosigkeit war groß. Das Leben im Wohn- und Arbeitskollektiv war eintönig und fremdbestimmt. Ablenkung oder Unterhaltung gab es kaum, dafür jede Menge Reglementierung.

Ein weiteres Merkmal kulturrevolutionären Eifers waren die zwangsweisen Verschickungen junger gebildeter Leute aufs Land, um ihnen das harte Leben der Bauern näherzubringen und sie deren Entbehrungen am eigenen Körper spüren zu lassen. Für die meisten waren es verlorene Jahre, in denen sie keine Schule besuchen und nicht studieren konnten. Dringend benötigtes geistiges Potenzial lag brach, und überdies wurden auf solche Weise Familien brutal und sinnlos auseinandergerissen.

Das Chaos war programmiert. Die Roten Garden waren in ihrer Jugendlichkeit keine gefestigte und entsprechend homogene Kraft, noch folgten Politik und Militär geschlossen dem Vorsitzenden Mao. Die Beschlüsse in den Parteigremien spiegelten Einmütigkeit oft nur vor. Mao trieb die städtische Jugend zum Massenangriff auf den Apparat von Partei und Staat. Dieser setzte sich aber teilweise zur Wehr und stellte eigene Rote Garden auf. Die Rotgardisten zerfielen in unterschiedliche Faktionen, die sich gegenseitig bekämpften. Jede Gruppe meinte, sie zähle zu den wahren Mao-Getreuen. Die Gewalt ging alsbald nicht allein von den Rotgardisten aus, sondern auch von Teilen des Militärs, von Revolutionskomitees, von Rebellen, die sich regional organisiert hatten. Vielerorts herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände.

Mao entglitt die Kontrolle über seine eigene Massenbewegung immer mehr. Im Juli 1968 ordnete er deshalb die Auflösung der Roten Garden an. Die junge ehemalige Vorhut der Revolution war abgehalftert und wurde aufs Land verschickt. Welch ein Absturz in die Bedeutungslosigkeit nach den zwei Jahren eines skrupellosen Höhenflugs der Gewalt! Doch die Hatz auf angebliche Verräter, Abtrünnige und Spione ging weiter. Wer Verbindungen zum Ausland hatte, musste mit dem Schlimmsten rechnen. Funktionäre beglichen alte Rechnungen und bezichtigten manche Landsleute erfundener Verbrechen. Viele Verfolgte begingen aus Verzweiflung Selbstmord.

Maos starb 1976, ökonomisch und aussenpolitisch hielt Ministerpräsident Zhou Enlai die Zügel in der Hand und ebnete wirtschaftspolitischen Pragmatikern wie Deng Xiaoping den Weg zurück ins Amt.

Der grosse Steuermann Mao hatte das Land mit seinem "Grossen Sprung nach vorn" und mit der Kulturrevolution ökonomisch, politisch und kulturell heruntergewirtschaftet. Die Opferbilanz lässt sich in exakten Zahlen schwer abschätzen, ist aber katastrophal: zwischen 20 und 50 Mio. Menschen starben in der Hungersnot nach dem Grossen Sprung nach vorn. Trotzdem prangt Maos Porträt bis heute am Tor des Himmlischen Friedens in Peking.

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