"Wie der Zwist der Liebenden, sind die Dissonanzen der Welt". Nur im Erleben der Gegensätze ist die Intensität des Lebens möglich (Heraklit, Stoa, Polaritätsprinzip)

Die Intensität des Lebens ist nur im Erleben der Gegensätze möglich, nur auf dem Hintergrund des Negativen kann das Positive erlebt werden, das Glück auf dem Hintergrund des Unglücks. Leben in der Spannung von Frustration und Erfüllung . Ohne diese Gegensatzspannung (Polaritätsprinzip) gäbe es keine Entwicklung, keine innovative Kraft. DieHarmonie ist nicht das Aufhören des Gegensatzes, sie ist eine Spannung, bei der keines der beiden Elemente endgültig den Sieg davonträgt, sondern beide notwendigerweise in Wirksamkeit bleiben.

„Wie der Zwist der Liebenden,

sind die Dissonanzen der Welt.

Versöhnung ist mitten im Streit und

alles Getrennte findet sich wieder"

(Hölderlin)

An den Rändern des Wandels jedoch, am Anfang und am Ende, beim Beginn und beim Abschied stehen Gegensätze, die in ihrem Spannungsreichtum das Werden, das Fließen, die Bewegung, den Fortschritt, die Veränderung erst bedingen und ermöglichen. ALLES ist in stetem Fluss und nichts ist von Bestand – Heraklit! Nichts ist, weil alles wird - kein Umstand verharrt unverändert, und sei es auch nur einen winzigen Augenblick - alles hört auf zu sein, was es war, und wird, was es sein wird.

„Wir können nicht zweimal in denselben Fluss steigen, weil nicht nur der Fluss nicht derselbe bleibt, sondern weil auch wir nicht dieselben bleiben“ (HERAKLIT) .

Weshalb gibt es Gesundheit und Krankheit, Sattheit und Hunger, Frieden und Krieg, Leben und Tod, Tag und Nacht, Mann und Frau? Die Frage nach dem Sinn der Gegensätze ist die Frage des Menschen nach sich selbst. Der Tod als Ausruhen ist die geheime Sehnsucht des Lebens. Nur vor dem Hintergrund des ungewissen Todes erhalten das Leben und der Augenblick ihren einmaligen Wert;nur der lebt intensiv, der im Bewusstsein seines Todes lebt und damit seine Lebenszeit nicht vergeudet, also nicht wirklich gelebt hat.

Alle Dinge, der gesamte Kosmos sind nach Heraklit eine Verbindung von Gegensätzen. Die Gegensätze bilden ein Ganzes; sie streben zueinander und ergänzen einander. Gegensätze ziehen sich an. Das Ganze kann aber nur dadurch bestehen, dass die Gegensätze ihre einander widerstrebende Kraft behalten.

Zenon 300 v. Chr. war Begründer der stoischen Lehre aufbauend auf eine ganzheitliche, kosmische Welterfassung, von der wir ein Teil davon sind. Er nennt esLogos (quasi das kosmische Gesetz) und diesem zu folgen ist die zentrale Forderung der Ethik Heraklits.. Ohne Gesetze kann keine menschliche Gemeinschaft bestehen, die sich aus dem Logos nähren. Die Lehre vom moralischen Naturgesetz, die später von der Stoa (Zenon, Diogenes, Epikur, Seneca, Marc Aurel,etc..) vertreten wurde, geht letztlich auf ihn zurück

Der Mensch als Individuum muss seinen Platz in dieser Ordnung erkennen, ihn ausfüllen, und durch Einübung emotionaler Selbstbeherrschung nach den Prinzipien der Vernunft (später das Kant’sche Prinzip) sein Schicksal akzeptieren lernen und mit Hilfe von Gelassenheit und Seelenruhe zur Weisheit streben. Jeder Mensch hat Anteil am Logos; die Suche nach dem Selbst führt zu ihm.

Das Sein ist das Werden des Ganzen, weshalb demnach das Sein nicht statisch, sondern als ewiger Wandel dynamisch zu erfassen ist. Doch hinter und zugleich in dem unaufhörlichen Fluss steht die Einheit: „Das Auseinanderstrebende vereinigt sich, und aus dem Verschiedenen entsteht die schönste Harmonie“ .

Polarität des Seins:

Alle polaren Erscheinungen bestehen somit aus zwei Hälften, die sich zu einer Einheit ergänzen, wobei das Besondere dieser Ganzwerdung darin liegt, dass die zwei Hälften sich wechselseitig bedingen und erzeugen. Aus der einen Hälfte geht die andere hervor, und umgekehrt.

In Wahrheit lebe und sterbe ich täglich ein Stück – beides in einem, eben polar . Wer Krise, in die wir rasch durch Trennung, Verlust und Tod geraten können, polar begreift, wer in jeder Krise eine neue Stufe zur Entwicklung und Reife, eine Chance zur Bewusstseinsentwicklung zu entdecken vermag, erlebt und erfasst den Rhythmus des Werdens und erkennt .

Wer die eine Hälfte nicht erträgt, wird die andere nicht erlebenwer nicht einatmet, wird nicht ausatmen können - wer die Sinnbotschaft seiner Krise nicht versteht, wird die Entwicklungschance versäumen und in seinem derzeitigen Zustand erstarren, so gar nicht im Sinne des ewigen Wandels, eines Fortschreitens auf eine neue Stufe, desHeraklit‘schen:

„panta rhei“.

Nur in Harmonie zu verbleiben, nur auf einer Gleichgewichtsstufe zu verharren, würde Entwicklung verunmöglichen. DasHauptproblem liegt für unsMenschen doch darin, dass jede polare Hälfte gerne so tut, als stünde sie für sich da und wäre ganz.

Wer in eineKrise geraten ist, sieht die seine Welt nur grau, das ist seine Wirklichkeit. Dabei steht er jedoch vor einerWende in seinem Leben und nicht vor dem Ende des Lebens. Der dunklen Nacht folgt wiederum der helle Tag . Wer macht sich bewusst, dass sein Einatmen aus dem Ausatmen hervorgeht und dass der Atmungsvorgang insgesamt ein ständiges Ineinanderfließen zweier Teilprozesse darstellt?

Wer mag schon daran denken, dasser oder sie als Person nur ein halbes Wesen ist, ständig auf der Suche nach seiner Ergänzung?

So dachte HERAKLIT von Ephesos und spätere Philosophen der Stoa ?Vielleicht können wir daraus den einen oder anderen Gedanken auch für unser Leben mitnehmen?

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dohle

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fischundfleisch

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