"Wiener Cafes" und der "Fin-de-siecle" (Jahrhundertwende)

Wien war neben Paris eine Weltmetropole in der Zeit um +/- 1900 /“Fin de siecle“), Mittelpunkt des Vielvölkerstaates Donaumonarchie mit 58 Mio. Einwohnern, etwa 15 Nationen und noch viel mehr nationalen Minderheiten.

Eigenfoto Central

Im damals prominentesten "Cafe Central“, intellektuelles Zentrum des Fin-de-siecle lagen 250 Zeitungen!!!! in 22 Sprachen !!!! aus allen Kronländern der Monarchie auf. Zuvor bis 1987 (und jetzt wieder) existierte das "Literaten-Cafe Griensteidl" und ab den 20er-Jahren wurde der heute nicht mehr bestehend "Herrenhof" in.

Eigenbild .

Die gehobene Bourgeoisie genoss heiter die Künste, Literatur, Theater und Feuilletons (=essayistischer Kulturteil) in den Kaffeehäusern, verhielt sich aber indifferent gegenüber gesellschaftl. Randgruppen und überfälligen, politischen Reformen.

Der "Fin de siecle" war auch eine Zeit voll krasser Gegensätze, wie es sie vorher und nachher nicht mehr gegeben hat. Während die Ringstraße als glänzende städtebauliche Leistung entstand, drängten sich Obdachlose in Wärmestuben, übernachteten zu Tausend in Wiener Kanalschächten, die zum Wienfluss führten im Winter; es gab das "Einlegersystem" wegen der hohen Mieten, wo sich zwei quasi in Tag und Nachtschicht abwechselnd ein Bett teilen mussten.Der Hass gegenüber der saturierten Gesellschaft und die Kluft zwischen Arm und Reich nahm zu. In den Unterschichten der Bevölkerung verbreitete sich durch Not und fehlende soziale Bindungen eine Todessehnsucht: „Sterben zu können, war mein sehnlichster Wunsch. Ich musste aber Arbeit suchen“

Während die Aristokratie durch neue Adelsernennungen Zuwachs und Aufschwung erfuhr, herrschte knapp daneben bitterste Armut; dem strengen bürgerlichen Moralkodex stand eine steigende Zahl unehelicher Geburten gegenüber, die Prostitition blühte in Wien - es war vielfach eine Prostitution aus Armut, um zu überleben (Euphemismus: "Süßen Wiener Mädels" genannt). Die gesellschaftliche Struktur folgte strengen Normen und war von einer Doppelmoral geprägt.

Die meisten arbeitenden Frauen lebten in schlechten Wohnverhältnissen und waren kränklich. Bluthusten/Tuberkulose, Kopfschmerzen und Herzklopfen zählt Arthur Schnitzler in seiner Selbstbiografie als Krankheiten seiner früheren Geliebten, einer Kunststickerin, auf. Ihre Gestalt floss in jenes „Urbild“ ein, das Schnitzler in seinen Dramen als „süßes Mädel mit den zerstochenen Fingern“ dichterisch verarbeitet hat und das in seiner zarten Lebendigkeit bis heute berührt.

In der Episode „Weihnachtseinkäufe“ stellt Schnitzler das Mädchen der „kleinen Welt“ der Dame der „großen Welt“ gegenüber. Das „süße Mädel“ bringt sich als Näherin mehr schlecht als recht durch, es hat keine Aussicht auf sozialen Aufstieg, ist aber voll Lebens- und Liebessehnsucht. Dagegen muss die großbürgerliche Dame im Gespräch über Liebe bekennen, dass sie „den Mut dazu nicht hatte“. Letztlich fehlt ihr der Mut nicht nur zur Liebe, sondern auch zu einem erfüllten Leben. Hysterie und therapeutische Freudbesuche waren die Folge.

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In Studentencafes informierte der Ober Neuankömmlinge, welches Thema an welchem Tisch gerade diskutiert wird - heute z.T. vom Internet verdrängt. Karl Kraus (Lieblingszitat "Ein Jurist muss auf einer kahlen Glatze eine Locke drehen können") kritisierte den Sprachverfall und Subjektivismus der Feuilletons und gründete "Die Fackel" (gratis im Internet downloadbar!!).

Das geistige Leben wurde auch sehr stark vom jüdischen Bürgertum getragen, es lebten rd. 160.000 Juden in Wien,heute nur mehr 7000 bis 8000.Der Rest wurde von den Nazis ermordet oder vertrieben.

Schumpeter, Hajek, van Mieses, Bawerk, etc… wurden später in Amerika berühmt ("Austrians“) durch ihre ökon. Theorien, wonach statt eines objektiven Preises (Materialkosten + Arbeitszeit) die

Nachfrage den Preis bildet (subjektive Preistheorie) . Daher steht der Grenznutzen jeder zusätzlichen Einheit eines Gutes im Fokus, denn das 5. Schitzel auf meinem Teller wird im GGs. zum ersten und fallweise zweiten nicht mehr diese subjektive Befriedigung geben (= "Grenznutzenschule" - der zusätzliche Nutzen einer zusätzlichen Einheit).

Schumpeter (wohnte auch einige Jahre in Graz vis a vis Tanzschule Kern Theissl-Gabalier - Geidorfplatz und war ungeliebter Professor an der "Nazi-Uni"-Graz), sprach von der auch immer wieder krisenhaft auftretenden, schöpferischen Zerstörung des Kapitalismus , um Neues (Innovation) zu ermöglichen und glaubte auch an zyklische Gesetzmäßigkeiten, in meinen Augen ein Unsinn, weil man daraus verlässliche Prognosen ableiten könnte, die es aus meiner Erfahrung in der Wirtschaft nicht gibt und es auch in der Geschichte keine dialektischen Gesetzmäßigkeiten geben kann (vertritt Popper), wie Hegel,Marx, Frankfurter Schule ("Positivismusstreit" mit Popper), etc....behaupteten.

Resonanz des Räume (heute Facebook und Blogging):

Besonders bekannt ist der von Moritz Schlick angeführte "Wiener Kreis", der Mitte der Zwanzigerjahre eine „wissenschaftliche Weltanschauung“ der mathematischen Vernunft und Logik zu begründen versuchte, sie wollten aus der Welt ein geschlossenens System machen.

Oft handelte es sich im wörtlichen Sinn um Kreise: Gruppen, die sich zu einer bestimmten Zeit (Freuds Mittwochabende) an einem bestimmten Ort (Kraus' Kaffeehausrunde im Café Pucher) um einen Tisch versammelten. Ihre oft schöpferischen Impulse gingen weit über die Wiener Jahrhundertwende und den deutschen Sprachraum hinaus.

Zur selben Zeit belebte Mahler die Wiener Oper, vermittelte Schönberg seinen Schülern die Grundlagen der Atonalität, versammelte Rosa Mayreder die Feministinnen um sich, lancierte Genia Schwarzwald mit der Hilfe von innovativen Geistern ein Realgymnasium für Mädchen. Die Blütezeit des Großbürgertums erkennt man an den protzigen Fassaden mit allen neoklassichen Stilrichtungen. Eklektizismus (=Mix mehrere alter Baustile) in neoklassischer Form, der Historismus und Neugotik, Neurenaissance, seinem Neubarock, Neurokoko, etc…. und daneben die neue Kunstform des "Jugendstils" (Klimt, Schiele, Kokoschka, etc..).

Man spricht daher auch von „Gründerzeit“ (Ringsstraßenbauten, etc…) ebenso der Historismus in Graz (zB. neugotische Herz Jesu Kirche und Zentralfriedhof, neoklassische UNI und TU oder Jugendstil-LKH oder Manirismus des Mausoleums . Viel älter natürlich die Renaissance des Landhaushofes oder das Barock

des Schlosses Eggenberg. Der toskanischer Säulenstil des Generalihofes, Jugendstilfassaden Hptpl. Richtung Sporgasse (bitte öfter hinaufschauen!!) oder Neurenaissance der Grazer Oper mit Rokokodekorationen, etc.....

Die 3 Haupt- Ursachen der untergehenden Monarchie waren:

1) der Nationalismus (beginnend mit dem Ausgleich Österr./Ungarn 1867 und die intellektuelle Bescheidenheit Josef II

2) der Sozialismus/Marxismus infolge Industriealisierung und

3) der Relativismus (Bürgertum, Intellektuelle, Freimaurer, etc…

begannen die „gottgewollte Ordnung“ in Frage zu stellen. Intellektueller Schmelztigel und Dekadenz herrschten, Untergangsstimmung - jeder konnte das Ende der Monarchie schon

erahnen (Spengler - "Untergang des Abendlandes").

Es war eine Zeit, wo gleichzeitig 4 Weltreiche begannen, unterzugehen:

1) Deutsche Kaisertum (Willhelm)

2) Zarenreich

3) Österr.-Ungar. Monarchie

4) Osmanisch - Türkische Reich

Stichworte wie Decadance, Nihilismus, Synästhesie, Naturalismus,

Symbolismus, Expressionismus, die neuen "Jungen Wiener" und ihre

Literatentreffs im Cafe Griensteidl, etc....

Berühmte Schriftsteller (Zweig/"Welt von gestern",Kraus /"Fackel", Altmann, Canetti/sozialwissenschaftlich "Masse und Macht", der etwas provinziellere Grillparzer, Friedell, Spengler/"Untergang des Abendlandes", Doderer/"Die Strudlhofstiege", /Musil/"Mann ohne Eigenschaften,

Nestroy - lebte zuletz in Graz neben dem Laufke, Bahr,

Schnitzler/"Anatol","Reigen","Leutnant

Gustl",Wittgenstein/"Sprachkritik" Tractatus logicus

philosophicus",Trotzki, Kästner/"Als ich ein kleiner Junge war",

Herzmannovsky/"Gaulschreck im Rosennetz, Rilke/"Duineser Elegien", Polger, Mann/"Buddenbrooks","Zauberberg, etc….)

Berühmte Architekten (Loos/"RZB Michaelaplatz" - Kampf der Ornamentik; Wagner/"PSK + Fass.neben Naschmarkt",Ferstl/Rathaus,

Votivkirche,;Theophil Hansen/Parlament,Börse,Staatsoper, Natur/Kunsthistor.Museum,UNI, ...Fischer von Erlach in

Graz neben der Schiefen Laterne geboren die Karlskirche, Schönbrunn,etc…und Hildebrandt das Belvedere, etc… )

Berühmte Maler und die "Wiener Sezession"(Klimt/"Beethovenfries" und "Kuss" im Belvedere, Kokoschka, Schiele, Makart im GGs. zum

Philosophen Mach, etc….). Klimts Entwurf für die Wiener UNI (Aula) wurde wegen zu großer Freizügigkeit und Provokation verworfen.

Musiker (Beethoven, Mozart, Berg, Strauß, Brahms Bruckner,Schönberg, Lehar, Hoffmansthal, etc…)

Sonstige (Zuckerkandl-Kultursaloon; Freud/Entdecker des Unbewussten und der weniger effizienten Psychoanalyse – in Wien gabs um die Jarhundertwende bis zu 15.000 Prostituierte ,sodass die Herren der Schöpfung ihre Bedürfnisse im Gegensatz zu den bürgerlichen Frauen und wohlbehüteten Töchtern ausleben konnten. Die Folge dieser rigiden Sexualmoral (Doppelmoral) waren Verdrängung, kulturelle Sublimierung gelang nicht jeder Frau mit der Folge des damals häufigen und heute völlig verschwundenen Krankheitsbildes der "Hysterie", worüber Sigmund Freud ein Lied singen konnte; Alfred Adler/"Individual- eigentlich Kollektivpsychologie" dagegen war Viktor Adler ein prominenter Sozialdemokrat; LUEGER, Wiener Bürgermeister und bekannt mit dem Ausspruch: "Wer a Jud is, bestimm ich, aber meine Böhm losst's ma auf jeden Fall in Ruh". etc…)

Es darf nicht vergessen werden, dass damals auch schon eine Blütezeit des Kapitalismus herrschte (Murtalbahn, Peggaubahn, Köflachbahn,etc...notierten alle ander der Börse) , der den innovationsfeindlichen Feudalismus zum Teil ablöste und wir heute durch die Globalisierung wiederum einen „Neo“-Kapitalismus mit all seinen zunehmend negativen Folgen verbunden mit ethischem Verfall (Korruption) erleben (siehe Gräfin Dönhoffs Buch:"Zähmt den Kapitalismus";).

Cafe Central, Griensteidl/1847-1897 und wiedereröffnet vor ca. 2

Jahrzehnten und Sperl (meine Lieblingscafe’s), Tirolerhof,

Bräunerhof (Th. Bernhard!, heute noch die meisten int. Zeitungen),Demel, Heiner, Douglas, Schwarzenberg, Prückler, etc....

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Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 03.03.2016 09:33:37

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