Ich habe euch hier ein wenig die deprimierende Datingwelt von Männern um die 40 nähergebracht. Also solchen, die nicht nur auf den schnellen Sex aus sind, sondern sich mehr wünschen. Im ersten Absatz habe ich eine längere Beziehung erwähnt. Und über die möchte ich jetzt ein bisschen schreiben.

Zuerst ist wichtig: Es war eine gute Zeit. Ich bereue keine Minute, auch wenn manche Minuten und Stunden sehr anstrengend waren. Insgesamt fehlte die Leichtigkeit, wie man sich eine schöne Beziehung eben vorstellt. Das war von Anfang an etwas kompliziert. Aber dafür muss ich ein bisschen ausholen.

Also. Kennengelernt haben wir uns in einem Verein. Wir waren beide gerade in einer Trennungsphase, ich gerade frisch nach ein paar sehr unbefriedigenden Kurzbeziehungen, sie nach einer Ehe. Wir waren eigentlich beide nur auf den schnellen Spaß aus; den hatten wir auch, gleich beim ersten Treffen. Und dann sind wir an einander hängen geblieben.

Erstigkeiten

Für mich war es eine Premiere. Denn es gab Kinder. Das hatte ich bis dahin gescheut wie der Teufel das Weihwasser. Selbst fehlt mir das Fortpflanzungsgen bis heute, aber ich hatte auch nie Partnerinnen mit Anhang. Aus Komplikationsgründen. Aber da stehe ich nun, Mitte 30, und denke mir, warum nicht. Schau's dir an. Und, Spoileralarm, es ist gut gegangen. So gut, dass auch nach der Trennung noch Kontakt da ist. Hinzuzufügen ist, es sind nicht ihre Kinder. Es waren Pflegekinder aus Drogenfamilien, die ihre eigenen Problemrucksäcke mitbringen. Sagen wir so, es gibt nach vier Jahren an sich nichts mehr, mit dem Kids mich überraschen könnten.

Doch die Kinder waren nie das Problem. Ich hatte sie fast wie meine akzeptiert.

Das Problem war das Vorleben der Frau.

Was vorher kam

Der Kampf gegen das Leben davor begann eigentlich schon in der ersten Woche. Es gab da eine Vorgeschichte. Psychischer und physischer Missbrauch. Erst durch die Mutter, dann durch den Ehemann, zu dem sie aus dem kaum existenten Elternhaus geflüchtet war. Der erste, der nicht nein gesagt hatte und sich dann - natürlich - als das männliche Äquivalent der Mutter herausstellte.

Es ist erstaunlich, was sie aus sich gemacht hat. Andere hätten aufgegeben. Sie hat sich ein schönes Leben aufgebaut, das alles hinter sich gelassen. Sie ist ein toller, starker Mensch. Der Typ Frau, der mich interessiert. Doch ich schweife ab.

Mir war klar, das wird schwierig, hier Vertrauen aufzubauen. Eine Frau, die niemals jemandem vertrauen konnte, würde Zeit brauchen. Ich war bereit, ihr die zu geben. Gegen 30 Jahre Missbrauch ist nicht so leicht anzukommen, das weiß ich sogar als Laienpsychologe.

Zusammen, getrennt

Das Problem beim Mangel an Vertrauen der Welt gegenüber ist, dass meine Einstellung eine andere ist. Ich will nicht nebeneinander herleben sondern gemeinsam. Womit sich der größte aller Spaltpilze auftat: das Zusammenziehen. Denn alles ist einfacher, wenn man sich einfach nach Hause entfernen kann und die eigenen Batterien wieder aufladen.

Ich war bereit dafür. Aber ich hatte und habe noch immer einige Grundvoraussetzungen dafür. Zum Beispiel, dass man miteinander reden kann. Doch das ging auch nach Jahren nur per SMS oder Whatsapp oder was auch immer. Ein persönliches Gespräch, in dem es um mehr als Oberflächlichkeiten ging? Praktisch unmöglich. Davor hat sie Angst. Von den physischen und psychischen Schlägen früher erholt man sich nicht so schnell. Daher wird eher geschwiegen als die eigene Meinung vertreten. Man weiß ja nie, was passiert, auch wenn das Gegenteil jeden Tag bewiesen wird.

Ich wollte von ihr wissen, wie sie sich das vorstellt. Dir gefällt der rote Teppich, mir der grüne. Wie willst du das ausreden? Per SMS aus verschiedenen Räumen in der Wohnung? Neinnein, das wird schon gehen. Und verfiel wiederum in Schweigen. Weil das wäre ein tatsächliches Gespräch, ein kritisches, und das geht einfach nicht. Lieber zurückziehen. Und im Notfall den grünen Teppich akzeptieren, nur um nicht darüber reden zu müssen.

Das funktioniert für mich nicht. Daher verweigerte ich das Zusammenziehen. Was ihr natürlich weh tat, das habe ich verstanden und heute verstehe ich es umso mehr. Aber ehrlich, es muss doch beiden gut gehen dabei, oder? Ich gebe gerne. Aber ein bisschen was möchte ich auch dafür haben und wenn es nur etwas Offenheit in Form von Worten ist.

Die Reise

Wir waren ein paar Mal miteinander verreist. Nichts Großes, Städtetrips, Thermen, paar Tage Strand mit den Kids. Zum Geburtstag schenkte sie mir ein verlängertes Wochenende in einer hippen Stadt. Wir nahmen also gemeinsam Urlaub.

Als es so weit war, fragte ich sie etwa zwei Tage vor der Abreise, wie es denn ausschaut. "Du wir fahren nicht", war die knappe Antwort.

Am nächsten Tag fragte ich nach warum. Sie, genervt, grantig, ertappt. "Weil ich das Buchen nicht geschafft habe!"

Was für ein Schwachsinn. Wir reden von einer intelligenten jungen Frau. Die ein halbes Jahr Zeit hatte, diese Reise zu buchen. Die jederzeit fragen hätte können. Es war die Antwort, die sich Mutter und Mann gewünscht hätten - ein bisschen Selbstgeißelung, sich selbst erniedrigen zu deren Amusement. Ich akzeptierte diese Antwort nicht. Und schließlich rückte sie raus, sie wollte einfach nicht drei Tage mit mir allein sein. Ich weiß bis heute nicht warum. Das hatten wir doch schon öfter gemacht. Und die Dinge liefen eigentlich recht gut.

Keine schöne Erfahrung nach Jahren. Gar keine schöne Erfahrung. Was habe ich getan? Ich weiß es bis heute nicht. Was hatte sich verändert? Ich habe keine Ahnung. Und auch nicht, warum sie angenommen hatte, ich bemerke nicht, dass wir in Wien sind und nicht in Hipster Central. In einer Woche, in der wir uns gemeinsam Urlaub genommen hatten.

Das tat weh. Nicht, weil ich sonst nicht da hinkomme. Sondern weil sie explizit Angst vor gemeinsam verbrachter Zeit hatte.

Das Ende

Irgend wann im Frühjahr 2016 passierten drei ähnliche Dinge hintereinander, innerhalb einer Woche. Kleinigkeiten, die schon tausend Mal vorgefallen waren. Nadelstiche. Nichtigkeiten, die hier auszuführen hier sowas von kleinlich rüberkommen würde, dass ich es lasse. Dinge jedenfalls, die mir zeigten, dass sie keine Ahnung von mir als Person hatte, auch nicht nach Jahren.

Es war das 1001. bis 1003. Mal. Und irgend wann ist das Fass voll. Es läuft über. Ich suchte das Gespräch, nicht am Handy. Mit ein paar harten Wahrheiten. Und dann fiel der unsterbliche Satz: "Ich würde mir wünschen, dass du einfach zuschlägst. Dann müssten wir nicht reden."

Ich habe in meinem gesamten Leben noch niemanden geschlagen. Ich habe das auch nicht vor; und schon gar nicht meine Partnerin. Nach mehr als vier Jahren war das aber noch immer nicht bei ihr angekommen. Sie glaubte allen Ernstes, ich mache das jetzt und alles ist vorbei und wir können weitermachen, unsere Leben nebeneinander herleben. Während ich 100 Prozent gebe und sie mir keinen Millimeter entgegen kommt.

Kurz gesagt, ich bin gegangen. Nahm mir eine Woche Auszeit. Eine Woche aus der Hölle. Wie weiter? Was ist dann? Wer bin ich für die Kinder? Der Typ, der davongelaufen ist? Wie wird sie sich verhalten, sehe ich die beiden nie wieder? Sehen sie mich für den Rest ihres Lebens als einen, der geflüchtet ist? Beziehen sie es auf sich? Geben sie sich die Schuld?

Was herauskam, war trotz aller Bedenken die Trennung. Ich mich, nicht sie sich. Absolut friedlich, und heute sind wir sehr gute Freunde. Eine reine Kopfentscheidung und keine des Herzens. Herz und Hirn. Sie streiten immer noch, ob das richtig war. Aber das Hirn hatte Recht.

Es ist besser so, auch wenn es sich nicht so anfühlt.

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Monikako

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fischundfleisch

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Markus Andel

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