Brief eines besorgten Bürgers an einen unbesorgten Bürger

Freitag, 25.11.2016. Eifel. Sehr geehrter Herr Gommel. Mit großem Zorn hatte ich Ihren Brief gelesen, der sich gerade inflationär im Internet verbreitet. Kein Wunder, Populismus verbreitet sich immer schnell und gut. Im ersten Moment dachte ich: das schreit nach einer geharnischten Antwort. Es muss endlich Schluss gemacht werden mit diesem schleichenden Faschismus, der im Gewand eines „Gutmenschen“ daherkommt und die demokratischen Grundlagen dieses Landes mit Füßen tritt. Dann las ich, dass Sie seit frühester Jugend unter schweren Depressionen leiden – und strich dieses Schreiben wieder aus meiner to-do-Liste. Man tritt nicht auf Menschen, die auf dem Boden liegen. Depressionen sind ein ernsthafter, ja höllischer Zustand, ein Krebs des Geistes, der alles helle, gute, lichte im Inneren auslöscht. Man sollte sich dafür nicht schämen noch schimpfen: angesichts dessen, wie sich unsere humane Umwelt und unsere natürliche Umwelt die letzten Jahre entwickelt haben, sind Depressionen der natürliche Zustand liebender Geister -und ich habe deshalb Verständnis dafür, dass immer mehr Menschen in ihren Wohungen bleiben und dort eine fein vorgekaute Traumwelt vorgesetzt bekommen – auch in der Tagesschau – in die sie sich flüchten können angesichts einer Welt, die an allen Ecken und Enden aus den Fugen gerät: vom kleinsten sozialen Element – den persönlichen Beziehungen – bis zu den größten sozialen Elementen: den Kriegen.

Eine Freundin hatte sich für Sie stark gemacht, für Sie mit Leidenschaft gekämpft, Sie seien ein „guter“, hatte sie mir versichtert – und meinte, Sie und ich stünden auf derselben Seite. Meinte, Sie hätten mehr Leid auf der Welt gesehen, als wir beide zusammen – nun, was mich angeht, muss ich sagen: über das Leid, das ich erlebt habe, schreibe ich so gut wie gar nicht – daher wohl der Eindruck. Einen Teil meiner Jugend habe ich im Umfeld von Mord, Prostitution und Vergewaltigung verbracht, meinen Zivildienst, um genau zu sein: ich war der einzige „Zivi“ im Resozialisierungsheim, der nicht von den Bewohnern zusammengeschlagen wurde – aber auch nur, weil ich schneller war als die. Gleichzeitig starben mir meine Freunde weg – verschmutzte Drogen waren der Hauptgrund. War unangenehm. Im Studium hatte ich wieder Pech – unangenehme, beruflich bedingte Begegnungen mit „Satanismus“, in Zusammenarbeit mit kirchlichen Kreisen und Sektenberatungen rutschte ich wieder einmal hinein in eine Wirklichkeit, die nie in die Tagesschau findet, weil sie das Hobby höchster, wohletablierter Kreise betrifft. Von den konkreten Erfahrungen vor Ort habe ich nie berichtet, ich kann nur sagen: ich kann mir seit dem übelste Splatterfilme anschauen: sie sind harmlos gegen das, was meine Augen live sehen mussten.

Später musste ich im Auftrag der Pharmaindustrie um die Welt reisen – und durfte noch mehr abscheuliches Elend betrachten, was mich gelegentlich in Lebensgefahr brachte: ging ich doch dort hin, wo Weiße nicht hin dürfen (ja, es gibt auch diesen, wohl „guten“ Rassismus), doch haben mich diese Ausflüge sehr bereichert. Was ich nur nie tat: meine Kamera zücken. Nicht ein Bild habe ich davon gemacht – obwohl man damit gut Geld hätte verdienen können. Ich wollte den Menschen nicht auch noch ihre Würde nehmen. Ich erzähle das, damit Ihnen klar ist, dass ich generell ein gewisses Ressentiment gegen Fotojournalisten habe (und inzwischen auch gegen Bezahlmedien insgesamt, doch das ist eine andere Geschichte), die „Aasgeier des Leids“, wie ein Freund sie mal genannt hatte. Menschen, die in den entscheidenden Momenten des Lebens hinter der Linse verschwinden, um Sensationsgier zu befriedigen. Am spannendsten waren übrigens die Ausflüge in der Hauptstadt der USA, wo ich wohl behütet im Zentrum wohnte, aber irgendwann mitten in der Nacht in Randgebieten landete, die aussahen wie Deutschland nach dem Krieg: ich war nicht allein, aber es waren hunderte, die uns jagten, es waren Szenen wie aus einem Horrorfilm. Ich hatte – das war mir bewusst – einen Blick auf die Zukunft der Menschheit geworfen, auf jene Zeit, die bald nach Deutschland kommt, weil auch wir neoliberalistischen Kapitalismus als höchstes Ziel anbeten. Dreißig, vierzig Jahre gibt uns Volker Pispers noch, bis das unsere Realität geworden ist, wie er könnte auch ich noch andere Ecken in den USA nennen, wo man studieren kann, wohin wir uns gerade entwickeln – allerdings würde man sie lebend nie verlassen. Und ich kenne auch Menschen, die sagen: wir werden schon nächstes Jahr mit Lagern für Arbeitslose in Deutschland rechnen müssen – die Zeit wird möglicherweise knapp.

Ich habe viel Elend gesehen – sogar schon als Kind. Wir schlachteten noch selbst. Erwähne ich nur, um mich vor der Unterstellung meiner Freundin zu schützen, ich sei so ein Schöngeist, der sein Zimmer nie verlassen hat. Aktuell erlebe ich beruflich wieder Elend, arbeite mit Sonderschülern und Hauptschülern: deren Lebensgeschichten stellen unsere Erfahrungen weit in den Schatten, das können Sie mir glauben – doch die bleiben der Öffentlichkeit verborgen. Schaue ich aus dem Fenster, so sehe ich sanfte Hügel, stille Seen, strahlenden Sonnenschein – doch ich weiß genau, was dort noch alles lauert. Kommt nur nicht in die Tagesschau – und wenn, dann verzerrt, als abschreckendes Beispiel von „Unterschicht“, von „Prekariat“. Wunderbare Menschen finde ich dort, mit hohem Potenzial und feinen Seelen – doch schon in jungen Jahren mit Erfahrungen konfrontiert, die ihren Geist gebrochen haben, die sie hilflos und nackt mit einer grauenvollen Realität konfrontierten. Mitten in Deutschland, dem Land, dem es so gut geht: Grausamkeiten, die nicht über meine Lippen kommen werden, weil sie den sensiblen, feingeistigen Lesern Alpträume bescheren würden, die nie enden. Ich selbst – nun, bin da härter geworden mit der Zeit. Mache da auch keine Fotos.

Nun – nachdem meine Freundin so sehr intervenierte, las ich Ihre Zeilen nochmal und nochmal, um zu verstehen, wie sie Sie wahrnahm – und erkannte, dass es da auch andere Perspektiven gibt, dass man fairer urteilen sollte. Aber ich denke: ich werde Ihnen einfach mal erzählen, warum ich so erzürnt war – es beginnt gleich zu Anfang:

„Denn neben meinen Kämpfen mit mir selbst bin ich sehr verärgert, und zwar wegen Dir. Dabei weiß ich, dass das keinem Menschen hilft – und mein Gewissen sagt mir, dass ein neuer Rant nur neuen Hass schürt. Ich werde es dennoch versuchen.“

Erstmal: „Rant“. Ihnen ist kaum bewusst, dass viele der „besorgten Bürger“ gar kein Englisch können: in der DDR wurde eher Russisch gelernt. Sie hätten auch „schimpfen“ sagen können – ist lieblicher und kann von allen verstanden werden. Sie hätten auch einfach jetzt aufhören können zu schreiben, Sie hätten Ihrem Gewissen lauschen können, das sagt: du schürst gerade wieder Hass. Doch obwohl Sie wissen, dass Sie gerade Hass säen (was sie ja „besorgten Bürgern“ vorwerfen, wie die ganze andere selbstverliebte, selbstgefällige Bande, die scheinbar gern von sich auf andere schließen und das dann für die Realität halten), machen Sie weiter. Hilft keinem, bringt nur Hass, aber: egal! So fangen Kriege an.

„In den letzten 2 Jahren bin ich Dir immer wieder begegnet. Auf Geburtstagsfeiern (nicht auf meiner), in der Bahn, auf Pegida-Demos und auf der Bank im Park. Ich höre Dein Lästern, Deine Abneigung gegen Andersartige und ich höre auch: Deine Angst.“

Ja – dieser kleine, feine Moment, den andere gern überlesen: „nicht auf meiner“. Das ist der Moment, der mich an die Masse der Mitläufer im europäischem Hasskreuzzug gegen Juden erinnert (nein, da waren nicht nur Deutsche dran beteiligt – und der endete auch nicht 1945), wo man sich selbst – bei allem „Verständnis für die Eigenarten jüdischer Kultur“ – fein und säuberlich von „denen“ abgrenzte. Das stößt gleich sauer auf – denn da fängt es an, die ersten Schritte zur Selektion: ganz leise, harmlos, schlicht. Es ginge auch anders: dass man zuerst den Menschen schätzt, respektiert und liebt, den anderen, den Fremden, den schrecklich dummen, weißen Pegidamann, erst recht dann, wenn man weiß, dass die Angst ihn regiert – und das säuberlich trennt von seiner politischen Überzeugung, die er aufgrund seiner Lebenserfahrung mit sich herumträgt: was sein gutes Recht in einer Demokratie ist. Wissen Sie eigentlich, was Angst ist? Der Vorläufer von Panik. Bekommen Sie Angst nicht in den Griff … ja, dann war es das mit der Rationalität, Sie werden überschwemmt mit chemischen Botenstoffen, die Sie in ein Wesen verwandeln, das weit jenseits der Rationalität lebt und unmenschliche Dinge tun kann: da regiert dann das Tier: flüchtet … oder greift an. Angst – ist keine schicke Spielerei, sondern ein schlimmer, bemitleidenswerter Ausnahmezustand des Gehirns … ganz unabhängig davon, ob die Umwelt – also: Sie! – diese Angst rational für gerechtfertigt halten oder nicht.

Vollends vorbei war es dann bei mir vorbei, als ich diesen Satz las, der vor Menschenfeindlichkeit nur so triefte und die Linie komplettierte, die sich zuvor abzeichnete:

„Ich höre des Öfteren, dass Du Angst um Deinen Arbeitsplatz hast. Ich merke dazu an: Wenn ein Mensch einer komplett anderen Kultur und Sprache es schafft, Dir Deinen Arbeitsplatz wegzunehmen, warst Du nicht besonders gut.“

Ja: genau davor haben die Menschen Angst: dass ihnen ihre Lebensgrundlage weggenommen wird. Darf ich „geklaut“ sagen? Ist deutlicher als „weggenommen“. Wüßten Sie, was diese Armut, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes resultiert, den Menschen antun kann – und vor allem ihren Kindern: Sie hätten mehr Respekt vor dieser Angst, würden sie nicht klein reden oder verächtlich auf sie herunterschauen. Damit sind Sie im Herzen des Faschismus angelangt, im Zentrum jener Kultur, die Leistungsfähigkeit über Menschlichkeit stellt – und ich glaube, das ist Ihnen gar nicht bewusst. Das habe ich aber erst gemerkt, als ich Ihren Brief mehrfach gelesen habe.

Ich gestehe: ich bin auch ein besorgter Bürger. Habe ja 2700 Aufsätze darüber geschrieben, kann man also leicht nachlesen. Ich verstehe auch ganz leicht, dass Menschen, die wenig in der Welt herumgekommen sind, Ängste entwickeln, wenn die Welt zu ihnen kommt, erst recht, wenn zuvor in den Medien genau vor diesen Menschen gewarnt wurde, ja: wir führen sogar aktiv einen heißen Krieg gegen sie: in Afghanistan und in Mali ist bzw. war die Bundeswehr im Einsatz gegen den „radikalen Islam“ – und wie gefährlich er ist, mussten man sich in tausenden von Nachrichten anhören. Ich kenne auch viele besorgte Bürger – meine Leser gehören zum überwiegenden Teil dazu. Hat da jemand was gegen Ausländer? Nein. Nur ein Bruchteil der Sorge stammt aus der Angst vor jenen, deren Länder wir bombadieren (wir Deutschen, wir Europäer und wir Natovölker), überwiegend ist es Angst vor … irrationalem Regierungshandeln, vor selbstherrlicher, unbedachter Politik nach Gutsherrenart. Das geht aber im Regierungspopulismus schnell unter der – voll auf DDR-Linie – alles zu „Rechtsradikalen“ erklärt, was nicht regierungskonform ist. Wir wissen aber schon noch, wie wir solche Regierungsformen nennen, die so vorgehen, oder? Und dass unsere Regierungsparteien weit davon entfernt sind, „links“ zu sein?

Wissen Sie, wer das letzte Mal mit grober Hand Völker in Europa umsortiert hat? Wer die „guten“ an die richtigen Plätze setzte, weit über Europa verteilt – und die „schlechten“ verhungern ließ? Einfach mal ins Geschichtsbuch schauen, ich denke, vielen besorgten Bürgern ist das noch in Erinnerung geblieben (sind ja meist ältere Semester) – und da ging es nicht nur um Juden, wie uns unser Spar-Geschichtsunterricht gerne weiß machen will, sondern um Millionen Esten, Letten, Polen und vor allem: Russen. Ich habe erst gestern noch in einer Runde mit Polen gesessen, die sich heute noch gut daran erinnern können, wie es damals war … während unsere Jugend das völlig vergessen haben – Polen übrigens, die mir ausführlich von der Feindschaft erzählten, die ihnen und ihren Kindern hier und heute im „guten“ Deutschland tagtäglich entgegen tritt. Knippst nur keiner. Sind halt Polen.

Ich erzähle Ihnen einmal etwas über dieses Land. Sollte man wissen, bevor man über die Ängste der Menschen urteilt (siehe HuffingtonPost):

Denn obwohl es dem Land so gut wie lange nicht geht, wird die Ungerechtigkeit immer größer. In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Geld immer ungleicher verteilt. Sehr, sehr wenige Deutsche haben mehr als die Hälfte davon. Und ALLE anderen müssen mit dem Rest auskommen.

Diese Entwicklung ist laut einer internationalen Studie von 2011 sogar so stark wie in keinem anderen der 34 untersuchten Länder. Das muss man sich einmal vorstellen! Diese Ergebnisse sind seit Jahren bekannt und trotzdem spricht kaum jemand davon. Und eine aktuelle Untersuchung von 2015 zeigt, dass es noch schlimmer geworden ist.

Unsere Kinderarmut ist inzwischen größer als die von Tschechien und Ungarn: und da erwarten Sie, dass man es begrüßt, wenn Millionen neuer Menschen in diesen dicht bevölkerten Siedlungsraum kommen, in dem die Armut immer weiter fortschreitet? Wenn – ohne die Bürger zu fragen – nicht mehr von „Asyl“ gesprochen wird, sondern von oben herab nach altbekannter Gutsherrenart unsere demokratische Solidargemeinschaft zum „Einwanderungsland“ erklärt wird? Obwohl wir gegen diese Einwanderer seit Jahrzehnten Krieg führen … in ihren Heimatländern?

Noch mehr aus diesem Land, das per Gesetz jedes Jahr mehr Obdachlose produziert? In Hamburg stehen Asylunterkünfte leer, in die Obdachlose aber nicht hinein dürfen (siehe kritischepresseschau), und obdachlos wird man in diesem Land, das Arme mit harter Hand verfolgt, schnell: monatlich erhalten (Achtung: Neusprech) 132000 Hartz IV-Bezieher „Sanktionen“ (siehe Neues Deutschland): auf deutsch gesagt: werden zur Vernichtung freigegeben. So hatte man sich schon früher „unerwünschter Personen“ entledigt – bis man merkte, dass es zu lange dauerte, bis sie verhungerten (in Leningrad hielten die sogar Jahre durch) und man zum Gas griff. Alles schon mal dagewesen – und auch damals schon mit feinsten Worten umschrieben (hierzu: Götz Aly, Vordenker der Vernichtung – ein sehr aufschlussreiches Werk).

Häßlich, oder? Ja – es wird jetzt sehr ernst. Die Spaßgesellschaft, in der sich ohne harte Arbeit so gut leben läßt, hat tödliche Schattenseiten. Knippst man nur, wenn sie aus Syrien stammen. Hinterläßt auch Spuren bei denen, die nicht so gesegnet sind.

Wie sollen Bürger reagieren, die erleben müssen, dass ihre Mitmenschen draußen frieren müssen, während die Gäste der Bundeskanzlerin von allen hoffiert werden? Mal ehrlich: wer knippst denn schon gerne das Elend des „White Trash“? Wer interessiert sich dann schon für ihre Gefühle, ihre Wünsche, ihre Träume, ihre Ängste, ja, die werden doch schon gescholten dafür, dass sie überhaupt Ängste haben: der moderne Mensch ist da weiter, er hat gar keine Gefühle mehr. Die stören beim „business“. Der moderne Mensch gehorcht den Anweisungen der Bundeskanzlerin und ihren reichen Medienfreundinnen – und wehe, es tanzt einer aus der Reihe.

Und jenen aufgrund ihrer beschränkten Leistungsfähigkeit kurz vor der Aussortierung stehenden Bürgern sagen Sie, es ist ok, wenn Syrer ihnen Ihre Arbeitsplätze wegnehmen – und dass in einem der dichtbevölkertsten Ländern der Erde ein zusätzlicher Bevölkerungsdruck aufgebaut wird, der den Kampf ums Überleben zusätzlich verstärken wird? Lesen Sie mal diese Arbeit von Wolfgang Lieb aus dem Jahre 2010 – über unsere „Intellektuellen“, die wieder aktive Vernichtungsgedanken gegenüber der Unterschicht hegen: 5 Jahre Hartz IV – und dann: Hungertod, wenn der Frost einen nicht vorher erwischt! (siehe Nachdenkseiten)

Gut – Sie schauen nur durch die Linse einer Kamera, sehen nur das Elend, das direkt vor Ihrer Nase ist.

Wie gesagt: ich bin auch ein besorgter Bürger. Einer, der für Flüchtlingslager im Libanon Geld gesammelt hat, jene Lager mit unbeschreiblichem Elend, in dem jetzt gerade zur Winterzeit wieder gestorben wird, ohne dass ein Hahn danach kräht. 1,3 Millionen Geflüchtete leben dort – in einem Land mit vier Millionen Einwohnern. Schon mal in West-Aleppo gewesen? Das schweizer Fernsehen schockierte unlängst seine Zuschauer mit Bildern von auserlesenem Luxus in dieser „umkämpften“ Stadt (siehe swr), einem Luxus, von dem jene 14 Millionen Deutsche nur träumen können, die in den letzten Jahren „Kunden“ deutscher Jobcenter gewesen sind: täglich bedroht von Sanktionen, die sie an den Rand des Todes führen können – und auch einige getötet haben.

Will ich keine Flüchtlinge – als besorgter Bürger? Ich finde schon das Wort gräßlich – aber es ist Norm, und darum verwende ich es erstmal. Ich sage ganz klar: ich will keine Flüchtlinge. Ich finde es zum Kotzen, dass Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Und äußerst besorgt bin ich über die Methoden von Regierung und Millionärspresse, die ich im Rahmen dieser Aktionen erleben durfte. Sie werden dazu führen, dass das dringend notwendige Asylrecht abgeschafft wird. Sollen wir jetzt alle ausweisen? Du meine Güte – da fängt es an. Natürlich nicht – und ich glaube auch, dass kaum einer der „besorgten Bürger“ (außer den immer vorhandenen Altrechten, die schon vorher immer dabei waren, wenn es darum ging, Macht zu bekommen) so inhuman ist. Habe ja schon mit einigen gesprochen – schaut man näher hin, dann haben die Ängste kaum was mit Islam zu tun (den auch ich ganz in Ordnung finde, weil ich persönlich viele Muslime kenne, die ganz feine, ethisch hoch stehende Menschen sind – obwohl ich keine saudische Justiz auf europäischem Boden sehen möchte: finde Köpfen widerlich, Hände abhacken auch), aber viel mit Angst vor „Selektion“, die in Deutschland schon jetzt wieder hoch aktiv ist – aber um das zu erkennen, muss man sich in den Kreisen jener bewegen, die schon jetzt davon betroffen sind. Nun gut: nicht mehr lange, dann wird „Industrie 4.0“ nochmal 18 Millionen Deutsche zusätzlich „frei setzen“ – dann können wir weiter reden. Und wenn Sie mal über vierzig sind und nicht reich durch Fotos geworden … dann können Sie auch die Wertschätzung des Sozialfaschismus am eigenen Leib erleben.

Was ich lieber sehen würde? Wenn wir die Kinder aus dem Libanon holen würden, bevor die jetzt wieder erfrieren. Tut aber keiner. Wir schicken noch nicht mal Geld. Oder die Millionen Schwarzafrikaner. Klar – das würde hier bald zu eng werden … weshalb ja auch spontane Kurzschlüsse a´la Merkel keine Lösung der Probleme bieten – sondern sie langfristig nur verschlimmern.

Vielleicht helfen Ihnen die Worte von Sybille Berg ein wenig, die Situation der besorgten Bürger zu verstehen, jener weniger priviligierten Menschen, die wir direkt neben uns im Regen stehen lassen … oder auch im Hagel (siehe Spiegel):

Wie konnte es nur dazu kommen? Wo wir doch so tolle Theaterstücke gegen Fremdenhass gemacht haben, die wir uns auf die Schulter klopfend angeschaut haben. Und all die Luftballons. Die Medien waren sich so einig in der Beschimpfung von ein paar Deppen. Aber, verdammt, die Deppen können lesen, und was macht man, wenn man dauernd als Idiot bezeichnet wird, als Honk, als ungebildet, primitiv? Wenn ein falsches Wort im Netz einen Shitstorm statt einen Dialog hervorruft? Nach der US-Wahl überbieten sich die Medien in Weltuntergangs-Headlines und Analysen über die Abgehängten, die Ungebildeten, die Arbeitslosen.

„Erst die Arroganz der Linken macht Populisten möglich“ – so ihre Quintessenz.

Meine auch.

Und die zunehmende Tendenz, diese Gesellschaft, diese Solidargemeinschaft zu spalten: in „gut“ und … „anders“. Mal wieder.

Wo der wirkliche Skandal ist? Wir geben 7,4 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe aus (siehe Tagesschau). Dreimal soviel für neue Autobahnen (siehe Spiegel), bald sechsmal soviel für Waffen (siehe n-tv). Wäre das anders: wir hätten mehr Menschen hier, die nicht vor Not flüchten müssen, sondern unsere Kultur studieren wollen – und bereichern können. Und ich will mich auch nicht zufrieden geben damit, dass wir Not nur noch sehr selektiv betrachten, Humanität reservieren für einen kleinen Kreis von Menschen (meist jungen, gesunden Männern), die von der Regierung bevorzugt selektiert wurden – während man ihre Frauen und Kinder, ihre Eltern und Großeltern in der Ferne verrotten läßt.

Und dies alles – macht mich zu einem äußerst besorgten Bürger, dem erst kürzlich von engagierten Menschen, die schon „gegen Rechts“ kämpften, als es noch nicht modern war, eine Warnung zugeflüstert wurde: ich müsse aufpassen, dass man mich nicht falsch verstehe …. sonst würde man mich noch als „rechts“ etikettieren.

Dieses Etikett ist heute so gefährlich wie ehedem der „Judenfreund“ (der ich auch bin: großartige Kultur, feine Menschen).

Und das – macht mich umso besorgter.

Nun – Herr Gommel – Sie hatten um ein Gespräch gebeten. Um eine Antwort. Hier ist sie. Nun können wir den Dialog beginnen. Ein PS: noch: den Natostacheldraht, der jetzt um Europa gezogen wird, habe ich – im Gegensatz zu Ihnen – anfassen müssen. Er hat mir Haut und Kleidung zerrissen: Sie haben Recht – der ist super scharf. War im Kampf um „Mehr Demokratie wagen“ unabänderlich, mit ihm in Berührung zu kommen. Man kann es aber überleben.

Und wenn Sie nicht reden wollen – dann lade ich Sie zum Denken ein. Gesehen haben Sie genug dafür – nur an den Schlussfolgerungen hapert es meines Erachtens noch:

„Wenn ich so über das bisher Geschriebene nachdenke, fällt mir auf, dass nicht nur Neonazis von der »Überfremdung« oder »Deutschland wird überrannt« sprechen. Der Einsatz von NATO-Draht (und Kriegsschiffen im Mittelmeer), spricht exakt die gleiche Sprache. Fremdenfeindlichkeit spielt sich nicht nur in den Reihen der AfD, dem Front National oder um Geert Wilders ab.

Im Gegenteil: Die EU selbst setzt Xenophobie und Rassismus voraus, um sich vor »Eindringlichen« zu schützen.“

Jetzt brauchen Sie nur noch der Frage nachgehen, was man angesichts dieser Ausgangslage damit bezweckt, für einen kurzen Moment Ängste im Volk zu schüren..und die Grenzen für einen Moment weit auf zu machen: schon sind sie in der Realität der besorgten Bürger angekommen.

Quelle für direkte Kommentare, an den Verfasser: https://www.nachrichtenspiegel.de/2016/11/25/brief-eines-besorgten-buergers-an-einen-unbesorgten-buerger/ oder hier auf Facebook: https://www.facebook.com/eifel.philosoph/

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