Cherlyholt https://pixabay.com/de/baby-teddy-b%C3%A4r-niedlich-kinder-623417/

Auch wenn wir regelmäßig die üblichen Parolen hören, daß es uns ja so gut gehen soll wie nie zuvor, das Bruttoinlandsprodukt steigt, Rekordbeschäftigung und vieles mehr, so stellen wir im Alltag fest: Irgendwie scheint das alles bei vielen Menschen im Land nicht anzukommen. Der einst aus dem Elfenbeinturm der Sozialwissenschaftler entsprungene Begriff der Zweidrittelgesellschaft scheint nach zwölf Jahren Angela Merkel und der Umsetzung der rot-grünen Hartzreformen im Alltag zur bitteren Realität geworden zu sein.

Jedes fünfte Kind in der BRD lebt dauerhaft in (relativer) Armut, und wenn man die Kinder hinzuzählt, die zumindest vorübergehend betroffen sind, ist es fast jedes dritte. Das stellt einem reichen Land wie der BRD ein sozialpolitisches Armutszeugnis aus – und es zeigt, daß die Zweidrittelgesellschaft sogar wortschöpferisch richtig zu sein scheint. Denn wer einmal am unteren Ende unserer Gesellschaft angekommen ist, bleibt dort häufig. Der soziale Wiederaufstieg wird immer seltener.

Dazu paßt die Meldung, daß auch Energiearmut ein immer stärker werdendes Problem wird. 330.000 Haushalte sind nicht in der Lage, ihre Stadtwerke-Rechnung zu begleichen und sitzen buchstäblich im dunkeln: Kein Kühlschrank, kein Fernseher, kein Licht und oft auch keine Heizung. Ist das das Land, in dem wir gut und gerne leben? In dem es uns allen immer besser geht? In dem der Wohlstand steigt und in dem sich nur einige „untervögelte Ossis“ ob der subjektiven Mißstände echauffieren?

Gleichzeitig schaffen es, zumindest in Essen, zahlreiche Eltern nicht, ihre Kinder rechtzeitig zur Einschulung anzumelden. Was also stimmt nicht? Wie kann es sein, daß selbst ein durchaus funktionierender Sozialstaat trotz erheblicher Ausgaben nicht verhindern kann, daß die schwächsten unserer Gesellschaft oft unter desolaten Bedingungen leben müssen? Daß Eltern sich in manchen Fällen nicht mal dann um die Schulanmeldung kümmern, wenn bereits ältere Geschwisterkinder zur Schule gehen.

Werbefabrik https://pixabay.com/de/schulanfang-schule-m%C3%A4ppchen-2737002/

Es ist Sache der Sozialstaates hier bei uns zu gewährleisten, daß Menschen nicht in die absolute Armut fallen. Wir wollen mit Sozialhilfe dafür sorgen, daß das Existenzminimum abgesichert ist. Wer seine Arbeit verloren hat und keine neue findet, der soll zumindest soweit versorgt werden, daß er Unterkunft und Verpflegung finanzieren kann. Damit wird verhindert, daß Menschen ohne Arbeit in die Illegalität abrutschen und daß gerade in Zeiten schwacher Konjunktur breite Schichten der Bevölkerung verelenden.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn der Sozialstaat ist so strukturiert, daß es für Familien, die oft seit Generationen ohne Arbeit leben, immer lukrativer wird, weitere Kinder in die Welt zu setzen. Für die arbeitende Bevölkerung ist es trotz Kindergeld teuer, ein Kind zu versorgen. Oft müssen inzwischen beide Elternteile arbeiten um finanziell über die Runden zu kommen. Ein bis zwei nimmersatte Kinder bringen für viele normale Angestellte oft jahrzehntelange Entbehrungen mit sich.

Das ist bei manchen anders!

Familien, die oft seit Generationen im Transferleistungsbezug leben und Eltern, die einen geregelten Tagesablauf schon aus ihrer eigenen Biographie bei den eigenen Eltern nicht kennen, erleben das anders. Für sind bedeuten zusätzliche Kinder keine Entbehrungen, sondern bringen mehr Geld in die Kasse. Wer also ohne Arbeit vier Kinder hat und ein fünftes und sechstes macht, der hat künftig mehr Geld in der Tasche. Ob das bei den Kindern ankommt oder nicht ist dabei zunächst unerheblich. Wir vermuten, daß das Geld in nicht wenigen Fällen in Bier und Zigaretten investiert werden dürfte.

Was mal gedacht war als Auffangnetz hat quasi versehentlich dazu geführt, daß sich aus unterschiedlichen Gründen ein Prekariat, neue Unterschicht, wie auch immer man es nennen mag, gebildet hat. Das sind Menschen, denen es gerade oft nicht am Geld mangelt, weil der Sozialstaat ja in der Regel die Versorgung sichert. Sicher ist das auch oft der Fall, etwa bei alleinerziehenden Frauen mit einem oder mehreren Kindern oder Geringverdienern. Aber es gibt hier ein Problem mit ganzen Familien, in denen Arbeit über Generationen nicht mehr vorkommt.

MH-Grafik https://pixabay.com/de/fertig-bytovka-haus-siedlung-898607/

Und doch gelingt es vielen Menschen scheinbar nicht, ihre objektiv gar nicht so prekäre finanzielle Situation in den Griff zu bekommen. Hier muß man was machen und selbstverständlich kann gerade bei Haushalten mit einer oder nur wenigen Personen auch eine Veränderung der Regelsätze beim Arbeitslosengeld 2 eine Rolle spielen. Wir wollen an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, daß die Hartzkommission 2003 einen Regelsatz von 511 Euro bei einer Einzelperson plus Übernahme realer Fixkosten vorgeschlagen hat. Daraus hat die rot-grüne Bundesregierung dann 345 Euro im Westen und 331 Euro im Osten gemacht.

In der Tat, rechnen wir das mal durch. Hätte der Regelsatz am 1. Januar 2005 bei 511 statt bei 345 Euro gelegen und wäre er seitdem mit der Rente gestiegen, dann beliefe er sich jetzt auf 607 Euro. Aktuell sind es 409 Euro. Und obwohl das Bundesverfassungsgericht die Regelsätze vor einigen Jahren als verfassungswidrig niedrig bezeichnet hat, wurde einfach eine neue Berechnungsformel für das gleiche Ergebnis aus dem Hut gezaubert und schon war die Sache gut.

Aufstieg durch Bildung!

Doch gerade bei armen Kindern aus großen Familien stellen wir uns sehr wohl die Frage, ob mit Geld denn alles getan ist? Was wir uns vorstellen ist eine Rückkehr zu genau der Bildungspolitik, die es nach Sputnik im gesamten NATO-Raum gegeben hat und die sich in der BRD bis heute die SPD auf die Fahnen ihrer sozialliberalen Vergangenheit schreibt: Aufstieg durch Bildung! Wir bauen viele gute Schulen und Universitäten und ermöglichen es der nächsten Generation mit guter Bildung aus der (relativen) Armut auszusteigen. Unsere Kinder sollen es einmal besser haben!

Das löst man nicht, wenn kinderreiche Eltern, die selbst nur ein niedriges Bildungsniveau haben, für ihre Kinder mehr Geld vom Staat bekommen. Hier muß es Bildungseinrichtungen geben, die ihrerseits sicherstellen, daß Kinder all die Dinge lernen, die sie in einigen dysfunktionalen Familien leider nicht lernen. Dazu gehört auch der Umgang mit Geld oder das Ziel, nach dem Schulabschluß nicht Ferien für immer zu haben, sondern durch eine gute Ausbildung sich selbst versorgen zu können.

Kulinetto https://pixabay.com/de/hintergrund-schwarzer-kaffee-2847957/

Damit das klar ist: Wir wissen sehr wohl, daß das Paradigma der „frühkindlichen Bildung“ falsch ist. In den ersten drei Jahren hat ein Kind nur ein einziges Bedürfnis: Die Anwesenheit der Mutter. Natürlich spielt auch der Vater eine Rolle, sogar eine sehr wichtige: In den ersten Jahren ist er derjenige, der der Mutter der Rücken freihält und später wird der Vater auch als persönliche Bezugsperson immer wichtiger. Wir wissen, daß das die Regel ist. Und wir verstehen auch genug von politischer Wortfindung um zu erkennen, daß man bei der wirklich wichtigen „frühkindlichen Bindung“ nur einen Buchstaben auszutauschen braucht.

Aber leider ist das eben nicht der Weisheit letzter Schluß. Es gibt Familien, die sind nicht in der Lage, ihre Kinder emotional und intellektuell so zu versorgen und zu fördern, wie das notwendig wäre. Da ist es Sache externer Bildungseinrichtungen einzugreifen. Denn nur so können wir sicherstellen, daß alle Kinder vielleicht nicht exakt die gleichen Chancen haben, aber daß sich die Aufstiegschancen angleichen. Das hat etwas mit einem Sozialstaat zu tun, der diesen Namen verdient.

Public Domain Pictures https://pixabay.com/de/baby-junge-caucasian-kinder-164897/

Man hat zeitweise mit dem Elterngeld versucht, eine Möglichkeit zu schaffen, daß Mütter, die den Wunsch haben, mit ihren Kindern Zeit zu verbringen, das können. Das hat aber in vielen Fällen, wenn auch sicher nicht allen, zu ähnlichen Mitnahmeeffekten geführt, wie wir es schon beschrieben haben. Dann bleibt das Kind halt zu Hause. Und zumindest in den ersten drei Jahren ist die Betreuung bei der Mutter ja auch der von der Natur so vorgesehene Normalfall.

Man kann jetzt lang und breit darüber diskutieren, daß Familien mit einem Alleinverdiener kaum noch über die Runden kommen, woran das liegt und welche eigentlich gut gemeinten Dinge welche Fehlanreize mit sich führen. Dazu sind schon etliche Bücher geschrieben worden und wir müssen und können nicht zu allem auch noch unseren Senf dazugeben.

Nur eines wissen wir ziemlich sicher: Was wir dieser Tage in der BRD erleben kann für niemanden akzeptabel sein. Wir wollen keine Kinderarmut, wir wollen keine Energiearmut und wir wollen, daß jedes Kind eine Chance im Leben hat. Wie es einst war. Früher war nicht alles besser, aber nicht jede Veränderung war auch ein Fortschritt.

Jill111 https://pixabay.com/de/familie-kinder-frau-mann-gl%C3%BCcklich-591581/

5
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Pommes

Pommes bewertete diesen Eintrag 24.10.2017 13:42:44

CK13

CK13 bewertete diesen Eintrag 24.10.2017 13:17:21

Sondermischung

Sondermischung bewertete diesen Eintrag 24.10.2017 09:18:20

Anne B.

Anne B. bewertete diesen Eintrag 24.10.2017 07:53:28

Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 23.10.2017 23:16:13

47 Kommentare

Mehr von EvaundHermannFeldreich