Wenn alle anderen miteinander koalieren, wird die AfD zur einzigen Opposition

Eva und Hermann Feldreich

Am Sonntagmorgen waren wir ob eines Tweets aus der Spitzenpolitik doch recht irritiert.

Twitter https://twitter.com/peteraltmaier/status/845897184813961216

Wie bitte? Die Fortsetzung der großen Koalition als ausgegebenes Wahlziel? Nicht mal mehr ein Lagerwahlkampf? Dabei müßten große Koalitionen doch eigentlich die Ausnahme sein, oder? Zumindest sollte man sie nicht zur Wunschvorstellung werden lassen. Ja, eine der beiden großen Parteien stellt in der Regel den Ministerpräsidenten, dafür ist die andere große Partei in der Opposition, wobei deren Partei- und/oder Fraktionschef im Zweifel jederzeit den Posten des Regierungschefs übernehmen kann.

Auf Bundesebene hat das mehrfach so funktioniert: 1982 ist die sozialliberale Koalition geplatzt. Helmut Schmidt wurde in einem konstruktiven Mißtrauensvotum aus dem Palais Schaumburg hinauskomplimentiert und Helmut Kohl wurde kurzfristig zum Bundeskanzler gewählt. So war es 16 Jahre später auch, als die schwarz-gelbe Bundesregierung bei turnusmäßigen Neuwahlen 1998 keine Mehrheit mehr bekam und eine rot-grüne Nachfolgeregierung übernahm. Die Opposition als Regierung im Wartestand – so funktioniert die Demokratie.

In Österreich ist man da schon etwas „postdemokratischer“. Die ewige, aber immer kleiner werdende große Koalition hat zwar immer weniger Zustimmung, aber kaum Alternativen. Die Bundespräsidentenwahl bei unseren Nachbarn war doch ein schlechter Scherz. Ein Gemeinschaftskandidat aller Parteien gewinnt denkbar knapp gegen den FPÖ-Alleinkandidaten. Ist das die Zukunftsvision von Herrn Altmaier für Deutschland? Wenn sie das ist, soll sich aber bitte niemand mehr beschweren, wenn Begriffe wie „Altparteienkartell“ fallen.

Und tatsächlich: Es „reicht“ für eine große Koalition unter Führung der CDU. Weil die AfD den Sprung in den Landtag knapp geschafft hat, FDP und Grüne aber nicht, gibt es keine rot-rote Mehrheit. Gott und den Wählern sei Dank. Offensichtlich hatte man Planungen, unter einer potentiellen SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger gemeinsam mit Oskar Lafontaine die große Versöhnung an der Saar abzufeiern. Die theoretisch mögliche schwarz-blaue Mehrheit sorgt dafür, daß es am Ende doch wieder auf CDU und SPD hinausläuft.

Und jetzt fragen wir uns, was das bedeutet: Wenn CDU und SPD eine komfortable Mehrheit haben, aber die Opposition nur aus AfD und Linkspartei bestehen, wie sollen dann die nächsten Jahre dort vonstatten gehen? Nach Gestaltung sieht das nicht aus, eher nach Verwaltung – oder sind die Schnittmengen zwischen CDU und SPD inzwischen deutlich größer als wir denken? Wie stark unterscheiden sich die einstigen Volksparteien noch voneinander? Augenscheinlich nicht mehr so sehr. Können Union, SPD, FDP, Grüne und vielleicht sogar die Linkspartei jederzeit miteinander in Koalition gehen? Dann wäre ja die AfD tatsächlich die einzige Alternative. Wie breit ist das politische Spektrum, das hier noch abgedeckt wird? Und was ist der Plan für in fünf Jahren? Wieder eine dann faktisch nicht abwählbare große Koalition? Wie demokratisch ist das?

Wir sehen das alles mit Sorge. Eine Demokratie benötigt die ständige Abwählbarkeit der Regierung durch eine regierungsfähige Opposition. Und die ist in so manch einem Bundesland (nicht nur dem Saarland) quasi nicht mehr vorhanden. Und was ist im Bund? Kriegen wir dort entweder eine Fortsetzung der großen Koalition unter Merkel oder Rot-Rot-Grün? 2013 stand es noch Spitz auf Knopf: Die Union an der Schwelle zur absoluten Mehrheit und die FDP war knapp draußen, so daß die damalige Koalition nicht fortgesetzt werden konnte. Aber jetzt? Es sieht nicht aus, als würde es nochmal besser werden.

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