Ist es nicht schön: Die Welt jubelt, Österreich hat der Welt gezeigt, dass der Rechtspopulismus aufzuhalten ist. (1) Das kleine Land hat in Zeiten von Trump, Erdogan und Brexit gezeigt, dass es auch anders geht. Oder so.

Freude war angebracht, viele Menschen haben große und kleine Beiträge geleistet, damit die Wahl am Ende so ausging, wie sie eben ausgegangen ist. Selbst der Verfassungsgerichtshof kann sich auf die Schulter klopfen, denn jetzt haben wir einen Bundespräsidenten, der nicht mit ein paar zehntausend Briefwählerstimmen Vorsprung gewonnen hat, sondern klar und deutlich und über jeden Zweifel erhaben. (abseits einiger Hardcore-Verschwörungstheoretiker)

Überschwängliche Begeisterung ist trotzdem nicht angebracht. Erstens gibt es da immer noch die 47% Hofer-Wähler, alles potentielle FPÖ-Wähler bei der nächsten Nationalratswahl. Von einer klaren Entscheidung gegen den Rechtspopulismus kann also selbst bei viel Naivität keine Rede sein. Mehr von einer Verschnaufpause, bevor die Arbeit weiter geht.

Und es ist eine Menge Arbeit. Ich muss nämlich eines zugeben, da gibt es schon einige Probleme, die von den Freiheitlichen bzw. ihren Wählern angesprochen werden, die ich auch sehe.

Mangelnde Demokratie in der EU genauso wie deren Handlungsunfähigkeit z.B. in der Flüchtlingskrise, Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten, Löhne, von denen man nicht leben kann, Bankenrettungen, folgenlose Lebensmittelskandale, steigende Mietpreise, Zwei-Klassen-Medizin, TTIP und CETA, Reduktion von Umwelt- und Konsumentenschutz zum Zwecke der Profitmaximierung, bereits statt gefundene oder geplante Privatisierungen auf dem ganzen Kontinent von Grundversorgungseinheiten wie Energie, Wasser, Transport oder Bildung,… Die Liste ist elendiglich lang. Und am Ende komme ich zum selben Ergebnis wie viele FPÖ-Wähler: Ich traue dem System nicht.

Ich möchte hier kein billiges PolitikerInnen-Bashing betreiben, ich glaube nur, dass selbst die besten Intentionen nach Jahren der Kompromisse und Verhandlungen und ideologischen Bretter vor den Köpfen und Beeinflussung durch Lobbyisten und Parteikollegen irgendwann auf der Strecke bleiben. Dass die, die wirklich etwas zum besseren verändern wollen, irgendwann irgendwo unter die Räder kommen. Oder sie scheitern daran, dass sich ihr Plan einfach nicht so gut verkaufen lässt. Der Vorschlag, dass alle ein bisschen was Materielles hergeben, im Sinne der Menschlichkeit und dass wir dafür unabhängig von Ethnie oder Religion aber auch alle ein bisschen glücklicher werden, weil Konsum uns niemals die Befriedigung geben kann, die wir aus menschlicher Nähe und Wertschätzung beziehen, ist halt enorm viel sperriger als "Österreich zuerst!". "Uns geht es besser als allen anderen auf der Welt und deshalb wird es uns morgen bestimmt nicht besser gehen als heute, sondern mit viel Glück vielleicht gleich gut" ist einfach nicht so geil wie "Früher war alles besser!" Stimmen tut es trotzdem und es müsste sich trotzdem jemand finden, der das sagt.

Und da müssen wir ansetzen. Wir müssen uns vom großartigen John Steward inspirieren lassen, der nach der Wahl von Trump daran erinnerte, dass wenn wir nicht wegen unserer politischen, religiösen oder sexuellen Orientierung alle in einen Topf geworfen werden wollen, das auch nicht mit denen tun dürfen, die Trump bzw. Hofer gewählt haben. (2) Die Sorgen der Menschen sind begründet. Jetzt gilt es, ihnen klar zu machen, dass Abgrenzung - egal ob als Nationalstaat oder als Bevölkerung gegenüber jedem 'fremden' Einfluss - ganz sicher die falsche Antwort ist. Dass dieser Weg nur denen in die Hände spielt, die sie zurecht ablehnen. Dass die FPÖ mit ihrem Abstimmungsverhalten in Parlament und Landtagen, ihren Hasstiraden und ihrem Wirken in der Vergangenheit klar unter Beweis gestellt hat, dass sie sich einen Dreck um irgendwen schert als um ihre eigenen Funktionäre. Jetzt gilt es, die sozialdemokratischen, grünen und linken Parteien und Organisationen so lange und lautstark vor sich herzutreiben, bis sie endlich damit aufhören, als Schatten ihrer selbst, zerrissen von "realpolitischen" Dogmen, das Schlimmste immer nur um ein paar wenige Jahre hinauszuschieben und endlich wieder idealistisch und selbstbewusst für eine bessere und gerechtere Welt zu kämpfen. Damit wir "linken Gutmenschen" auch endlich wieder FÜR etwas oder jemanden sein können. Das hat bei der Bundespräsidentenwahl nämlich echt Spass gemacht.

(1) Zum Beispiel:

(2) Unbedingt anschauen:

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