Ist die Arbeit bei Großkonzernen grausamer als anderswo?

Sie fand im Internet einen Link für Bewerbungen bei Apple und es klappte: Die Wienerin Daniela Kickl bekam einen Job in der Europa-Zentrale des Technologiemultis in Cork (Irland). Zwar entsprach der Job nicht den Qualifikationen der Absolventin eines Wirtschaftsstudiums mit den Schwerpunkten Wirtschaftsinformatik und Personalmanagement, dennoch übersiedelte sie dafür gerne mit ihrer Familie auf die grüne Insel. Schließlich war Apple für sie mehr als nur ein Unternehmen. Es war für sie ein Mythos und stand für Individualität und Kreativität. Zudem stellte ihr die Personalabteilung Aufstiegsmöglichkeiten in Aussicht.

Funktionieren wie in einer Legebatterie

Als sie ihren Job nach einer von Apple professionell inszenierten Begrüßung der neuen Mitarbeiter antrat, stellte Daniela Kickl rasch fest, dass im Inneren des Unternehmens nichts so ist, wie es nach außen scheint. Das Apple-System, auf dessen Basis die Mitarbeiter funktionieren müssen, besteht aus exakt einzuhaltenden Prozeduren für jedes denkbare Ereignis und reduziert Menschen auf Zahlen und Vergleichswerte. Sogar die tägliche Klo-Zeit limitiert es auf acht Minuten pro Tag – die Wegzeit zum Klo und zurück inbegriffen.

Wenn die Zahlen bei einzelnen Mitarbeitern nicht stimmen, leitet Apple ein Verfahren gegen sie ein. Danach erhalten sie kein Entgelt im Krankheitsfall mehr, außerdem droht ihnen die Kündigung. Beschwerden dagegen sind sinnlos, denn die Manager, mit denen es Mitarbeiter zu tun haben, sind lediglich Kontrollinstanzen ohne echter Handlungsbefugnis. Deren liebste Begründungen für die Arbeitsbedingungen: Business Needs und Common Sense. "Wir mussten einfach funktionieren wie Hühner in einer Legebatterie", sagt Kickl, "und die Manager, die uns dabei überwachten, waren wie Roboter."

Frustration und Burnouts

Kickl erschien das zunächst wie eine Szenerie aus einem kafkesken Albtraum. Doch dieses System wurde immer mehr zu ihrer Realität und sie sah jeden Tag seine Folgen: demotivierte Mitarbeiter, Frustration und Burnouts. „Meine Kinder, die mitbekommen haben, was ich im Job erlebe, haben Apple irgendwann so sehr gehasst, dass sie nie mehr ein iPhone auch nur angreifen wollten", schreibt sie in "Apple intern", ihrem neuen Buch.

"Halt die Klappe und geh´ zurück an die Arbeit"

Kickl, die viel Witz, Selbstironie und einen ausgeprägten Hang zum positiven Denken hat, glaubte trotz allem weiter an das Gute in Apple. Sie wollte, obwohl „Gewerkschaft“ bei Apple ein verbotenes Wort ist, Veränderungen erreichen. Monatelang erstellte sie aus Notizen, E-Mails und Screenshots ein Dossier, in dem sie die Missstände dokumentierte. Dieses Dossier schickte sie an das Topmanagement von Apple, von Tim Cook abwärts. Doch die Reaktion darauf führte ihr nur noch deutlicher vor Augen, mit welcher zynischen Konsequenz das Apple-System funktioniert. Denn selbst für kritische Mitarbeiter sieht es eine Prozedur vor, bei der Änderungen am System nicht vorgesehen sind. "So wie es Apple-Standard-Bürostühle gibt, gibt es auch ein Apple-Standard-Manager-Lächeln", schreibt sie in ihrem Buch. "Mit diesem Lächeln sitzen sie einem dann bei Gesprächen gegenüber und alle Beteiligten wissen, dass sich nichts ändern wird. Die Botschaft lautet: Halt die Klappe und geh zurück an die Arbeit."

Ob dieser Mann hier, Steve Jobs, wusste, dass er ein Unternehmen wie dieses erschaffen würde? Ob er es nicht anders wollte? Technik und Gewinne vor Menschlichkeit?

pixabay

Wir werden es nicht erfahren.

Trotz ihres eigenen leichten Burnouts blieb Daniela Kickl ihrem Wunsch, etwas zu verändern, treu. Schließlich geht es für sie nicht nur um Apple und den Mythos, den Apple-Gründer Steve Jobs einst aufgebaut hat. Es geht ihr auch um den Kampf gegen den Verlust der Menschenwürde und gegen selbstherrliche Systeme, die in ihrem Wahn, alles mit Zahlen kontrollieren zu können, letztlich genau diese Kontrolle und dabei auch ihren eigentlichen Sinn verlieren. Deshalb veröffentlichte sie ihr Dossier und ihre Erlebnisse in Buchform.

Für alle, die sich dafür interessieren:

"Apple intern", Einblicke in die Arbeitswelt bei Apple.

https://www.amazon.de/Apple-Intern-Jahre-Europa-Zentrale-Technologie-Multis/dp/3990012185

Buchcover

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