Namensänderung: Vom Zwang, Türke sein zu müssen

Endlich habe ich meinen Antrag auf Namensänderung bei der verantwortlichen Behörde abgegeben. Doch zuvor bin ich von Pontius zu Pilatus gerannt und es wird mich immer noch viele Monde an Zeit kosten, ebenso wird es auch finanziell nicht billig sein. Für mich ist das eine der wichtigsten Angelegenheiten meines Lebens und vielleicht kann ich damit andere Menschen ermutigen, den gleichen Schritt zu gehen. Weshalb ich das getan habe, können Sie unten erfahren.

Bis zu meiner Einbürgerung in den 1990er Jahren hatte ich die türkische Staatsangehörigkeit. Eine Namensanpassung, wie sie beispielsweise bei Russlanddeutschen durchgeführt wurde (z.B. aus Pjotr wird Peter), wurde mir seinerzeit nicht angeboten und auch wurde ich nicht darüber aufgeklärt. Eine feierliche Übergabe der Dokumente oder Ähnliches existierte ebenfalls nicht. Nur an die jahrelangen Querelen zwischen türkischen und teilweise deutschen Behörden kann ich mich noch dunkel erinnern.

Die etwaige Namensänderung soll aufgrund folgenden Sachverhalts erfolgen: Meine Abstammung ist armenisch. Der Vorname ist türkisch, mein Nachname ist zwar leider auch türkisch, aber den ablegen zu dürfen, ist vermutlich undurchsetzbar. Der Nachname väterlicherseits wurde meinen Urgroßeltern höchstwahrscheinlich zugewiesen und ist in Vergessenheit geraten, der Nachname mütterlicherseits ist zwar bekannt, wurde aber nach 1923, also nach der Gründung der Republik Türkei bzw. nach der Vertreibung der Griechen (Griechisch-Türkischer Krieg) umgeändert. Beispielsweise haben die wenigsten Armenier ihren ursprünglichen Nachnamen behalten (dürfen), schon aus Angst vor Repressalien wurden die Namen „freiwillig“ türkisiert. Türken und Kurden hatten bis zur Staatsgründung keine Nachnamen, dies wurde spätestens im „Gesetz 2525“ im Jahre 1934 verpflichtend. Jede ethnische und religiöse Gruppe war gezwungen, „Türke“ zu sein, was sich in den Namen widerspiegeln sollte bzw. musste; egal, ob Aramäer, Jude oder eine andere Volksgruppe. Im gleichen Zuge wurden zudem alltägliche und ursprünglich nichttürkische Begriffe, Orte u.ä. umbenannt. Meine Recherchen in Ahnenforschungsplattformen haben mir keine grundlegenden Kenntnisse gebracht, außer, dass in die USA ausgewanderte Menschen mit meinem Nachnamen eine andere Endung haben und dies darauf schließen lässt, dass sie ihre Nachnamen „christianisieren“ durften. Meine Anfragen beim „Patriarchat von Konstantinopel“ in Istanbul sind unbeantwortet geblieben. Obwohl ich es bis heute unzumutbar finde einen türkischen Nachnamen führen zu müssen, weil es mich stets auf die Seite derer zieht, welche meine Vorfahren jahrhundertelang als Menschen dritter Klasse behandelten und in mehreren Pogromen und letztlich in einem Völkermord ausrotten wollten, kann ich das noch irgendwie akzeptieren. Unerträglich ist es zumeist gewesen – und heute auch noch – wenn man wegen seines Namens für einen Türken und somit auch für einen Moslem gehalten wird. Eine Löschung meines Vornamens wäre allerdings endlich eine Art von Schlussstrich. Sollte dies nicht möglich sein, habe ich vorerst keine andere Wahl als dies zu akzeptieren und es ist zu überlegen, ob ich mittelfristig einen Rechtsbeistand hinzuziehen soll.

Meine Eltern, geboren in der Republik Türkei, waren aufgrund der ungewissen Situation im Jahre 1980, ob sie denn in Deutschland verbleiben dürfen oder zurück in die Türkei müssen - wegen stets befristeter Aufenthaltsgenehmigungen als Gastarbeiter - indirekt gezwungen, mir einen türkischen Vornamen zu geben, damit ich als Christ in der Türkei nicht die gleichen Schikanen durch Behörden und Mitbürger durchleiden muss, wie einst meine Eltern und Verwandten, z.B. eben wegen ihrer christlich-jüdischen Vornamen. So gaben sie mir im guten Glauben eben diesen türkischen Vornamen. Allerdings auch, wegen der Türken in Deutschland, denen man gegenüber - teilweise bis heute – die eigene ethnische bzw. religiöse Herkunft verschwieg.

Hintergrund sind die damals wie heute angespannten bzw. demütigenden Verhältnisse zwischen beiden Ethnien, die wiederum aus dem Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten von 1915/16 resultieren. Die zahlreichen persönlichen Übergriffe, an Verwandten und Bekannten bis weit in die 1970er Jahre, ob verbal oder physisch, können heute nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig wie Behördenwillkür. Ein Beispiel für perfideste Schikane war z.B. Kurden den Nachnamen „Öztürk“ zuzuweisen, dass sinngemäß „Ur-Türke“ bedeutet. Die Leugnung des Völkermordes durch die Jungtürken ist bis heute Staatsraison, ebenso wie die Zyperninvasion von 1974 und die anhaltende Besatzung des Nordteils als Selbstverteidigung zu betrachten. Ebenso das Verharmlosen der Pogrome von 1934 („Thrakien-Pogrom“) gegen die jüdische Bevölkerung, 1955 („Pogrom von Istanbul“) gegen Juden, Griechen und Armenier, 1978 („Kahramanmaras-Massaker“) gegen Aleviten und die diversen Strafaktionen gegen unbeteiligte Kurden oder freiheitlich denkende Türken, bis in die heutige Zeit, sowie die ungezählten Opfer (von Diskreditierung, Haft, Exekution, Angst und Befangenheit) während der Militärputsche 1960, 1971 und 1980 an Andersdenkenden.

Zum ausgeübten Druck, der durch Türken in Deutschland auf meine Verwandten und auch auf mich persönlich ausgeübt wurde und auch noch wird, Türke sein zu müssen, weil man ja einen türkischen Namen trägt, darüber könnte ich mehrere Kapitel verfassen. Letztlich hat der Rechtfertigungsdruck gegenüber Türken leicht nachgelassen, weil ich mich ausschließlich nur mit „Frontano“ vorstelle. Damit verbunden ist gegenüber Deutschen auch der Richtigstellungsdruck - privat, beruflich und institutionell - über meine Abstammung etwas weniger geworden. Ich habe zumeist „nur“ noch unter meinem Erscheinungsbild zu „leiden“, speziell seit 2015, wegen der unkontrollierten Einwanderung und den damit einhergehenden Anstieg an Kriminalität und Terrorismus, durch Männer, die subjektiv gesehen (für ost-, nord- und mitteleuropäische Menschen) ähnliche phänotypische Merkmale aufweisen wie ich.

Abschließend möchte ich sagen: Ich bin Deutscher mit nicht-deutscher Abstammung. Ich bin kein Türke, war kein Türke und werde niemals ein Türke oder gar Moslem sein. Ich verlange nicht, dass man meine Lage nachvollzieht, oder historische Begebenheiten kennt und diesbezüglich berücksichtigt. Aber zumindest, dass man mir eine rechtliche Möglichkeit gewährt, meine Identität wenigstens teilweise erlangen zu dürfen. Schließlich müssen nicht die Vertreter der drei Staatsgewalten und letztlich der ausführende Beamte in der zuständigen Behörde mit meiner Situation umgehen, sondern ausschließlich ich und zwar bis an mein Lebensende.

Mir wurde dringend davon abgeraten diese Thematik öffentlich anzusprechen, weil es angeblich die "Büchse der Pandora" öffnen könnte.

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