Eine kleine Analyse zur BP-Wahl 2016 gefolgt von einer persönlichen Einschätzung davon was jetzt auf uns zukommen kann.

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1) Stahl vs. Gummi - 1:0. Das wischi-waschi der SPÖ in Fragen der Zuwanderung und der Arbeitsmarktpolitik sowie der Unfähigkeit Reformen mit Blick auf die Zukunft anzugehen - auch in sich selbst - hat die Glaubwürdigkeit dermaßen beschädigt, dass nicht mal mehr die Parteisoldaten den eigenen Kandidaten wählen. Ergebnis: Geld verschleudert und gleichzeitig den derzeit besten Kopf in der Ministerriege verloren. Strategisches und personelles Waterloo.

ÖVP ist wie Game of Thrones - nur ohne sexy.

2. Stahl vs. Kapital - 1:0. Die ÖVP hat nicht nur den im Vergleich zur Konkurrenz schwächsten Kandidaten aus dem Hut gezaubert, er war gleichzeitig der beste, den sie finden konnte. Das tut weh. Ergebnis: Geld verschleudert und die nächste Palastrevolution angezettelt. Die jungen stehen in Angriffsposition. ÖVP ist wie Game of Thrones - nur ohne sexy. Am Ende steht uns Blau-Schwarz 2018 ins Haus. Aus heutiger Sicht und unter unveränderten Umständen nicht zu verhindern.

3. Stahl vs. Kaugummi - 1:0. Lugner. Äh ja. Abgesehen davon war er eine zu lächerliche Waffe um der FPÖ-Mobilisierung substantiell auch nur in die Nähe zu kommen. ATV-Seher dürften nicht sonderlich wahl-affin sein. Eine große Überraschung - nicht. Wäre eigentlich ein tolles Kunstprojekt gewesen und als Kampagne für die L-City oder den Mausimarkt gesehen dann auch gar nicht mal so teuer.

...ein grünes Problem: eingebildete moralische Überlegenheit.

4. Stahl vs. VDB - 1:1. Mit der der Aussage einen Kanzler Strache nicht angeloben zu gedenken, für mich demokratiepolitisch im Jenseits gelandet. So etwas geht einfach nicht. Er hat dann zwar relativiert, aber ohne Not eine weitere Lagervertiefung und damit Radikalisierung von Rechts- bis Linksaußen befeuert. Gesellschaftpolitisch ein grober Schnitzer, fahrlässig und im Grunde nichts anderes als eitel. Das ist generell ein grünes Problem: die persönliche Eitelkeit und die kollektiv eingebildete moralische Überlegenheit. Im Feld der Bewerber dennoch der einzige mit ausreichend Format für die Hofburg, seine Persönlichkeitsstruktur entspricht dem abwägenden und zurückgenommenem Charakter des Amtes, seine Überzeugungen und sein Wissen machen ihn tragbar.

Griss' Authentizität als loose-Faktor.

5. Stahl vs. Eis: 1:0. Griss mag inhaltlich ganz OK für Österreich sein. Auch als Richterin mag sie einen überzeugenden Job gemacht haben. Repräsenativ für Österreich erscheint sie mir leider nicht - ob das jetzt gut oder schlecht ist, soll jeder für sich entscheiden. Der springende Punkt ist jedoch, dass sie weder einen dicken Draht zu politischen Menschen in ausreichender Anzahl NOCH zur Bevölkerung aufbauen konnte. Das ist kein Problem der Umstände oder des Geldes, sondern der Strahlkraft, des Charismas und des Zuges zum Tor. Da war zu wenig vorhanden. Schade ist, dass sie - obwohl als einzige Kandidatin tatsächlich unabhängig (Lugner scheint nämlich entgegen seiner Beteuerungen multipel abhängig zu sein: at least von seinem Ego, käuflichen Frauen und tiefstem Medienrummel) - gewisse Themen, die in den nächsten Monaten und Jahren auf uns alle zukommen werden und zu groben Verwerfungen führen werden, nicht angesprochen hat. Festung Europa, Arbeit der Zukunft, Bürgerrechte vs Herrschaftsgewalt, das neue Wachstum in Gesellschaft und Wirtschaft, usw. usf... Wahrscheinlich ist sie jedoch ganz wie die anderen Ergrauten dafür schlicht und einfach zu alt. Dennoch sehr schade, dass die Bühne nicht nachhaltiger bespielt wurde. Eines muss man ihr aber lassen: sie war wirklich authentisch.

Hofers Mitte-Rechts-Spagat: die blauen Eier sind angeschlagen.

6. Stahl vs. Stahl: 1:1. Die Stärke der FPÖ war und ist die Schwäche des politischen Establishments. Hofer als streichelweicher Kandidat in den Medien und in den Salongesprächen - Hofer als beinahe volksverhetzender Brüllaffe auf den FPÖ-Bühnen des Landes. Er hat diesen Spagat gut hingelegt, dennoch passiert das gleiche wie bei jedem Spagat. Die Eier sind angeschlagen. Was meine ich damit?

Die Stärke der FPÖ war und ist nämlich zugleich auch ihre Schwäche. Hofer würde versagen als HBP und ich glaube auch schon in der Stichwahl davor. Im kollektiven Bewusstsein der denkenden Ösen ist das Versagen der Blauen ausreichend verankert. Die FPÖ hat sich aber im Internet, durch Printmedien und ihre eigenen Veranstaltungen eine eigene Öffentlichkeit samt eigener Wirklichkeit geschaffen. Diese wird immer stärker, je stärker der Realitätsverlust bzw. die Nabelschau in den Regierungsparteien voranschreitet.

Fazit: diese BP-Wahl war wie die Wahl an der gleichnamigen Tankstelle: verschiedene Reinheitsgrade, jedoch selbe Treibstoffbasis. Sind das die letzten Nachwehen der unsäglichen Epoche, die zu einer Ausdünnung der kritischen, kosmopolitischen, intellektuellen, mit Hausverstand versehenen Bevölkerung dieses Landes geführt hat und jetzt in der Zementierung des Zustands durch maximal mittelmäßige Eliten, Mittelschichten und Arbeiterklassen ausgebadet werden muss? Kann sein.

Spannende Zeiten - riskante Zeiten.

Schlimm wäre auf jeden Fall ein blauer Präsident, der bei der ersten Gelegenheit kostspielige Neuwahlen von Zaun bräche um im Anschluss eine blau geführte Regierung installieren zu wollen.

Schlimm ist es, dass die Wählerschaft dieser politischen Bewegung überhaupt keine Alternative vorfindet. Denn es ist die Unzufriedenheit mit der visionsbefreiten GroKo und deren austauschbaren Gesichtern, die nichts mehr zu erzählen und daher auch nichts mehr zu sagen haben. Diese beiden Teile der GroKo welche sich und uns lieber in einem Meer der Kornblumen zu ersticken gedenken, um eventuell jeweils selbst als willfähriger Partner das Überleben der eigenen Unkultur zu sichern, anstatt sich an Leadership, Veränderungswillen und Reformkraft selbst aufzurichten und damit einen Heilungsprozess in Gang zu setzen.

Spannende Zeiten - und sehr riskante Zeiten.

Ein kleiner Sicherheitsgurt: bei der Stichwahl Stimme abgeben.

Beste Grüße,

Euer Geronimo-Noah Hirschal

Wien, 25.04.2016

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