Im Rausch nach Santorin - ein Extrembeispiel für Alkoholismus

Gleich zu Beginn muss ich eines klarstellen: Der Titel bezieht sich nicht auf mich. Ihr müsst euch also keine Sorgen machen, dass ich jetzt beim Schreiben schon wieder eine Flasche Absinth neben dem Laptop stehen habe. Von solchen Problemen bin ich zum Glück Lichtjahre entfernt. Trotzdem ist die folgende Story leider nicht erfunden, sondern bittere Realität. Ich war selten so lange sprachlos, als mir jemand etwas erzählte. In dem Moment hätte ich es vermutlich nicht einmal mitbekommen, wenn nebenan ein Teller auf den Boden gefallen wäre.

Eine Bekannte meiner Mutter ist schon seit vielen Jahren alkoholkrank. Sie hat drei Kinder - eine Tochter und zwei Söhne. Der jüngere Sohn (insgesamt das jüngste ihrer drei Kinder) ist elf Jahre älter als ich. Ich mag sie und ihre Kinder, auch wenn wir uns selten sehen. Obwohl wir altersmäßig doch um einiges auseinander sind, komme ich mit allen sehr gut aus. Als ich noch keine zehn Jahre alt war und ihre Kinder schon 19 bzw. Anfang 20, war das natürlich immer etwas blöd. Da ich nun auch schon groß bin, ist der Altersunterschied nicht mehr relevant. Mit den beiden Söhnen verstehe ich mich noch dazu besonders gut - in gewisser Weise haben sie mich puncto Joggen motiviert. Der eine postet via Runtastic immer seine Läufe auf FB. Oft denke ich mir dann nur "bei mir wäre es auch schon wieder Zeit..." (obwohl ich mein Wochenpensum streng einhalte... ;) ).

Nun aber zum Wesentlichen: Sie hat immer wieder für Aufsehen gesorgt. Ihren Führerschein hat sie nicht mehr - wurde drei Mal erwischt, als sie betrunken mit dem Auto fuhr. Wenn sie weder auf die Glocke noch auf Anrufe reagierte, schöpfte man sofort Verdacht. Gab man ihr Geld, so musste man sich das vorab sehr gut überlegen. Wenn sie gerade in schlechter Verfassung ist, gibt sie es womöglich für die nächste Flasche aus. In ihrem kleinen Ort wusste jeder von ihren Problemen - in kürzester Zeit spricht sich dort alles herum. Die Kinder sind schon fix und fertig und haben sie deshalb in eine gewisse Anstalt für Suchtkranke eingewiesen. Wir hofften alle, dass sie dort zur Vernunft kommt. Daraus wurde leider nichts.

Sie hatte vor einigen Jahren eine Magen-OP. Demnach muss sie seither mit dem Essen besonders aufpassen. Im Mai hätte sie den Termin für die Gallen-OP bekommen. Dafür gaben ihr die Kinder das nötige Geld (sie muss ja unbedingt in eine Privatklinik...). Ihr werdet bald sehen, was sie damit letztlich gemacht hat. Sie fuhr eine Woche zu Früh nach Wien. Im Spital wurde ihr dann gesagt "Frau ..., Sie haben heute keinen Termin. Erst in einer Woche." Daraufhin hat sie sich zum Westbahnhof begeben und anschließend ordentlich angezwitschert. Irgendwie gelangte sie in weiterer Folge zum Flughafen und hat spontan ein Ticket für einen Flug nach Santorin gekauft. Im Flugzeug selbst hat sie sich noch sehr viel Sekt hineingekippt. Sie ist dann auch wirklich auf der griechischen Insel angekommen. Offenbar darf man also komplett alkoholisiert einchecken, solange man keine Waffe etc. mitführt. Am Flughafen Santorin irrte sie dann besoffen herum und fand sich klarerweise überhaupt nicht zurecht. Einem deutschen Ehepaar, das zufällig auch im Flieger saß, fiel sie schon vorab auf. Die Frau war Psychologin. Beide sorgten unter anderem dafür, dass sie überhaupt in ihr Quartier kam. Dort hinterließen sie ihr einen Zettel mit dem Text "Liebe Frau ...., wir werden uns in diesem Leben vermutlich nicht mehr sehen, aber falls Sie noch etwas brauchen: Hier ist unsere Nummer: ....". Als sie dann irgendwann zu Sinnen kam, dämmerte ihr langsam, was sie im Rausch gemacht hat. Anschließend musste sie erst einmal fest kotzen - ihr Magen ist seit der OP entsprechend empfindlich. Das Hotelpersonal half ihr Gott sei Dank bei der Suche nach einem passenden Rückflug, sodass sie rechtzeitig zum Termin für die Gallen-OP wieder in Österreich war. Update: Die Gallen-OP ging ohne größere Komplikationen über die Bühne.

Die Frau vom deutschen Ehepaar hat im Zuge ihrer Hilfsdienste gleich bei den Kindern in Österreich angerufen. Muss toll sein, wenn eine Unbekannte am Telefon ist und sagt "Grüß Gott, Herr ...., Ihre Mutter taumelt betrunken am Flughafen Santorin herum. Bitte holen Sie sie." Letzteres war natürlich nicht einfach so möglich. Zum Glück kam sie wieder ohne Probleme nach Österreich zurück. Ihre Kinder sind trotzdem nervlich sehr angeschlagen. Von dem Geld, was sie ihr ursprünglich für die OP gegeben hatten, war nicht mehr viel übrig. Dennoch stand der Termin an und wenige Tage nach ihrer Aktion wurde sie dann auch schon operiert. Aber eines hat sie wieder nicht bedacht. Nach der OP steht sie quasi alleine da. Ihre Kinder lassen sie nicht bei sich wohnen, was ich aber irgendwie verstehen kann. Die sind froh, wenn die Mutter in ihrer eigentlichen Anstalt ist und sie damit ihre Ruhe haben (alle drei Kinder haben bereits eigene Familien...). Inzwischen hat sie aber schon zwei "Umschmeißer" gehabt - beim dritten bekommt man dann den "blauen Brief". Das heißt: Man fliegt hinaus. Das nächste Problem ist, dass in ihrer Anstalt nicht extra für sie auf Diät gekocht wird (wäre ja wegen ihrer Magengeschichte sehr von Vorteil...). Darüber hätte sie früher nachdenken müssen - nämlich bevor sie überhaupt dort "eingezogen" ist. Ihre eigentliche Wohnung wurde inzwischen verkauft, da sie einfach ein Betreutes Wohnen braucht. Also jemanden, der ihr puncto Alkohol ständig auf die Finger schaut. Der entsprechende Platz wird aber erst angeblich im November frei. Somit hängt sie nun wahrlich in der Luft und muss bis auf Weiteres in ihrer jetzigen Anstalt bleiben.

Meine Mutter hat schon sehr viel für sie getan. Demnach belastet sie die ganze Situation. Doch meine Mama würde ihre Bekannte nicht im Stich lassen, auch wenn solche Aktionen wie die obige Geschichte kommen. Als mir das alles erzählt wurde, wusste ich echt nicht mehr, was ich sagen soll. Wenn ich einen operierten Magen hätte, würde ich mir doch keinen Schnaps, Wiskey etc. hineinschütten. Vermutlich würde ich generell auf Alkohol in jeglicher Form verzichten. Nicht einmal Bier wäre auch nur irgendwie ein Thema. Andererseits zeigt das, wie stark ihre Sucht ist. Wir fragen uns nur immer wieder, wie lange das ihr Körper noch aushalten soll. Ich wünsche ihr in keinster Weise etwas Schlechtes, aber sie richtet sich letztendlich selbst zugrunde. Vermutlich kommt sie wohl nie mehr ganz aus dem Alkohol-Teufelskreis heraus. Man kann wohl nur hoffen, dass sie immer möglichst lange trocken bleibt. Oft stelle ich mir vor, wie es ihren Kindern geht, wenn sie von meiner Mutter angerufen werden. Die denken sich dabei bestimmt "Ist schon wieder etwas mit Mama?". Mir würde es zumindest so gehen, wenn ich mich in deren Situation versetze. Deshalb bin ich auch so froh, dass mir derartige Sorgen und Probleme erspart bleiben.

Ich denke, dass dieser Beitrag sehr gut aufzeigt, wie böse Alkohol sein kann. Man hört so oft, dass es immer auf die Menge ankommt. Ein Glas Rotwein soll ja bei gelegentlicher Einnahme sogar gesund sein. Ähnliches gilt für Bier, solange man es eben nicht übertreibt. Natürlich darf jeder saufen, was und so viel er will. Allerdings muss man sich diesbezüglich selbst klare Grenzen setzen und diese auch einhalten (also Selbstdisziplin zeigen...). Nach einem harten Arbeitstag ist ein Radler oftmals erfrischender als Wasser. Entscheidend ist aber, dass man das nicht zur Gewohnheit werden lässt. Sobald jemand versucht, seine Probleme mit Alkohol zu beseitigen, wird es gefährlich. Demnach möchte ich diesen Blog mit folgendem Satz beenden: Vermutlich wäre es am besten, komplett auf Alkohol zu verzichten.

Für heute Abend habe ich noch einen Stiegl-Holunder-Radler. Vielleicht werde ich mir den nach dem Laufen gönnen - der Kühlschrank läuft immerhin auf Hochtouren (Wortspiele ftw...).

In diesem Sinn: Prost und schönes Wochenende!

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:10

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irmi

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