(Saudi-)Arabische (In-)Toleranz oder Vorurteil?

Vorweggestellt: Ich bin kein Fussballfan. Ich kann mit dem ganzen Rummel einfach nichts anfangen; liegt möglicherweise (wahrscheinlich) auch daran, dass in meinem Elternhaus keine derartigen Veranlagungen vorhanden waren und ich somit nicht von klein auf König Fussball kennenlernen durfte.

Es war tatsächlich eine unerwartete Schlagzeile, die mich heute auf die Sportseite brachte:

"Für arabischen Markt: Real Madrid entfernt Kreuz im Wappen"

Wie "Die Presse" berichtete, möchte Real Madrid vermehrt im arabischen Raum Merchandising-Artikel vertreiben. Zu diesem Zweck soll das Vereinslogo aufgrund "kultureller Befindlichkeiten" leicht adaptiert werden - das Kreuz darin soll entfernt werden.

Als bekennender Nichtsportler muss ich gestehen - ich wusste gar nicht, dass das Logo von Real Madrid ein Kreuz zeigte. Aber bei näherer Betrachtung stellte ich fest - da schau an! Tatsächlich ein kleines Kreuz auf der Krone ("real" heißt ja - laut Internet - auch "königlich";). Und das musste natürlich weg.

Nur... warum? Nicht einmal mich als einigermaßen fanatischen Atheisten stört das Kreuz, dass offensichtlich Teil der Krone ist.

Der Artikel schweigt sich aus, von wem die Initiative zur Kreuzentfernung ausging, so dass ich zum Spekulieren gezwungen (hihi!) bin...

Arabische Begehrlichkeiten....?

Nun wäre es nicht verwunderlich, wenn in den vom Marketingdeal betroffenen Ländern (Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Kuwait, Bahrain und Oman) das Kreuz nicht so gern gesehen wird - immerhin zu 100% von Muslimen bevölkert, kann ein Kreuz natürlich für Verstimmungen sorgen (...warum eigentlich? Wäre mir neu, dass die Kreuzritter jemals so weit gekommen wären und ein bis heute andauerndes Traume erzeugt hätten...). Immerhin möchte man ja stolz einen Fanartikel präsentieren, und ein Kreuz darauf könnte ja... unislamisch sein. Oder zeigen, dass der Erfolg nicht dem islamischen Glauben geschuldet ist...? Wie islamisch aber eine "Lüge" - denn nichts anderes ist dies ja, zumal das offizielle Loge ja (noch?) weiterhin das Kreuz zeigt - ist, darüber müssen wohl erst Rechtsgutachten ergehen.

Stellt sich nur die Frage, wie die Abneigung gegen Kreuze mit der oftmals beschworenen Toleranz und Weltoffenheit des Islams einhergeht - oder vertreten die erwähnten Länder mit ihren gesamt etwa 45 Millionen Einwohnern nicht den "wahren" Islam - obwohl der Islam zuerst dort verbreitet wurde?

Und es stellt sich die Frage, inwieweit die derzeit in Massen nach Europa einwandernden Muslime tatsächlich Toleranz gegenüber "unseren" Kreuzsymbolen zeigen, oder dies (derzeit noch?) erwzungenermaßen mit Zähneknirschen geschieht?

...oder schändliches Vorurteil?

Es kann aber auch sein, dass die Entfernung des Kreuzes quasi in vorauseilendem Gehorsam erfolgte - es wäre ja nicht das erste Mal! So sollen ja auch wunderschöne (aber leider nackte) Statuen (aber leider von Frauen) vor hohem Staatsbesuch aus dem Iran freiwillig verhüllt worden sein, um dem Besucher ja keinen Grund zur Veranlassung zu geben.

Wäre also nicht verwunderlich, wenn Real Madrid dachte, dies noch als "sweetener" zum Deal hinzuzufügen - könnten sich ja noch ein paar Millionen herausschlagen lassen dadurch...

Tatsächlich wäre dies aber - bei genauerer Betrachtung - kein Zeichen des Respekts von "kulturellen Befindlichkeiten". Es wäre ein schändliches Vorurteil seitens Real Madrid - die Unterstellung, ein historisch erklärbares, unscheinbares Kreuz auf einem Sportlogo wäre für Araber unerträglich. Die Unterstellung, dass alle Araber leicht zu beleidigende Mimosen sind, die schon beim Anblick kreuzförmiger Objekte Ausschlag und Anfälle bekommen, und Unfähig zu jeder Form der Toleranz gegenüber unvertrauten Symbolen sind.

Rätselhaft erscheint mir aber nur, weshalb der Sportartikelhändler Marka nicht sofort auf die Verwendung des vollständigen Logos bestanden hat - als Zeichen für die Weltoffenheit und Toleranz der arabischen Welt gegenüber harmloser Symbole. Und vor allem deshalb, weil es ja schnurzpiepegal ist, wie das Symbol ausschaut!

Eine Schweinerei, jedenfalls!

Ungeachtet dessen ist das Verhalten von Real Madrid kritisch zu betrachten - der Vergleich zur Prostitution würde sich aufdrängen, doch ich mag die hart arbeitenden Damen (und den Herren - gib weiter Vollgas, Michl! Die Damenwelt braucht dich!) des horizontalen Gewerbes nicht mit einem derartigen Ausverkauf der eigenen Identität in Verbindung bringen.

Wie ernst soll irgendjemand die vielgescholtenen Werte Europas nehmen, wenn wir uns selbst zum Ausverkauf preisgeben? Es müssen nur die Beträge stimmen, und jeder Furz wird zur "kulturellen Befindlichkeit" hochstilisiert, auf die "Rücksicht" zu nehmen ist. Was gibt es da zu "befinden"? Entweder man ist ein Fan des Vereins, oder man ist keiner!

Wo bleibt der Gedanke wechselseitiger Toleranz, wenn wir so leicht käuflich sind? Wie soll uns mit Respekt begegnet werden, wenn wir Teile unserer Identität (und auch ich als Atheist erkenne das Kreuz in Wappen und dergleichen als Teil der Identität an) für Bares verscherbeln? Was sind wir noch bereit, für Geld aufzugeben?

Und gibt es Nachgeben auf der anderen Seite? Zur Erinnerung - in Saudi Arabien und Katar steht der Glaubensabfall unter Todesstrafe (!). Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Staaten Toleranz in dieser Frage mit Barem abkaufen lassen - oder in irgendeiner anderen Frage! Nicht einmal für die WM in Katar wird sich der Staat für eine Alkoholfreigabe erweichen lassen - obwohl es sich dabei wohl um ein Milliardenbusiness handelt. Brasilien beispielsweise ließ für die WM eigens eine Lockerung der Gesetze zu!

Die Message ist klar - der Westen ist käuflich. Der Islam nicht.

"If you stand for nothing, you will fall for everything."

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