Hans-Jürgen Gaugl www.lassunsreden.at

Wenn in einer Unterhaltung ein Punkt erreicht ist, an welchem die Bereitschaft, sich mit Argumenten zu beschäftigen, geschwunden ist, dann fällt oftmals gleichsam einem Schlusspunkt zur eigentlichen Diskussion die Aussage: „Na das ist wieder typisch Frau“ Was bedeutet das eigentlich? Was macht eigentlich eine Frau zur Frau?

Als Mann wird einem die Aufgabe, jene Merkmale zu beschreiben, welche die Weiblichkeit ausmachen, sehr wahrscheinlich zunächst ein schelmisches Grinsen entlocken: auf der Leinwand des Kopfkinos werden da die Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts mit den der individuellen Idealvorstellung entsprechend ausgeprägten körperlichen Attributen auftauchen. Es wird von wallender Kopfhaarpracht, mandelförmigen Augen, kleiner Nase, seidig glatter Haut, Schmollmund, wohlgeformtem Busen und vielen anderen Körpermerkmalen geschwärmt werden. Macht das tatsächlich eine Frau aus? Ist dann der etwas wohlgenährte Mann, welcher einen BH der Körbchengröße C ausfüllen könnte, weiblich? Waren die headbangenden Frontsänger der meisten Rockbands dann eigentlich Frauen? Und beraubt Brustkrebs im schlimmsten Fall eine Frau dann ihrer Weiblichkeit? Nachdem diese zugegebenermaßen eher provokanten Fragen wohl zu keiner Verifikation führen werden, scheiden die angesprochenen Merkmale wohl eher aus bei der Suche nach der Antwort auf die Frage, was eine Frau zur Frau macht.

Beginnt man in einem weiteren Schritt die körperlichen Merkmale auszuklammern aus der Betrachtung, so wird man auf eine Vielzahl von Eigenschaften stoßen, welche in der Gesellschaft verbreitet als feminine Ausprägungen gesehen werden: kinderlieb, auf einen geordneten Haushalt achtend, zickig, fürsorglich, kompliziert, redefreudig … Irgendwie schon unterhaltsam, was Frauen so alles zugeschrieben wird. Wobei das ja gar nicht einmal eine Erfindung der Männer der Gegenwart ist, Frauen so zu sehen. Vielmehr handelt es sich um generationenweise tradierte Zuschreibungen, die den Menschen von Kindesbeinen an eingetrichtert werden: „Ein Mädchen sitzt aber nicht so“, werden Mädchen bereits im Kindergartenalter dazu angehalten, was sich für eine spätere Frau geziemt; wie selbstverständlich werden Puppenecken als Gegenpol zu den Werkstätten für Burschen eingerichtet und in der Werbung wird Mädchen suggeriert, die zuckerlrosa Puppenküche mache gleich viel mehr Spaß, wenn man ein Prinzessinnenkleid dabei trägt und die ersten Schminkversuche unternommen hat. Solchermaßen wird – wohl unbewusst da gar nicht weiter hinterfragt – versucht, ein soziales Konstrukt vom Frausein zu schaffen, welches dem entspricht, was die Gesellschaft den Frauen an Rollenbildern zugesteht.

Spricht man mit erwachsenen Frauen, so wird man allerdings rasch merken, dass sie im Alltag ihren Mann stehen wollen – und auch müssen, wollen sie ihre Selbstbestimmtheit nicht opfern. Dass sie also sprichwörtlich so gar nichts am Hut haben mit der Kategorie von Mensch, in welche sie da hineingestoßen werden sollten und in der Geschichte der Menschheit auch viel zu lange wurden. Nichts von wegen schwaches Geschlecht, nichts von wegen Lebensunfähigkeit ohne den großen starken Mann, an den sie sich anschmiegen kann, nichts von wegen Erfüllung des Lebens in Heim und Herd erblickend. Sie rauchen, sie trinken so manchen Mann unter den Tisch und auch im Fitnessstudio bleibt so manchem Mann die Spucke weg angesichts der Muskelkraft mancher Frau. He – ticken Frauen vielleicht doch gar nicht anders als Männer?

Neben einigen biologischen Gegebenheiten wie beispielsweise jener, dass es Frauen vorbehalten ist, Kinder zu gebären und monatlichen Menstruationsbeschwerden ausgesetzt zu sein, dass statistisch gesehen ihr Leben um einige Jahre länger andauert, sie anstelle des Penis eine Vagina und statt der Hoden Eierstöcke haben und die Chromosomenzusammensetzung und der Hormonhaushalt andere sind, gibt es also eigentlich kein im Alltag maßgeblich erkennbares Alleinstellungsmerkmal, welches eine Frau zur Frau macht.

Schon blöd. Gibt es also keinen Anhaltspunkt dafür, im Alltag Unterschiede zu machen zwischen Mann und Frau. Der Umstand, dass sich die meisten Männer auch abseits der sexuellen Triebe zu Frauen hingezogen fühlen, wird für sich alleine wohl nicht ausreichend sein, Frauen eine andere Behandlung zuteilwerden zu lassen, als sie Männern zugesprochen wird. Aber auch umgekehrt nicht.

Gesellschaftlich sollte daher die Frage, wann eine Frau tatsächlich eine Frau ist, keine Bedeutung haben. Frauen wie Männer sind Menschen, welche individuell unterschiedliche Bedürfnisse haben, deren Verwirklichung ihnen so weit zugestanden werden muss, als ein friedliches Miteinander gewährleistet bleibt. Dabei verschwimmen oftmals die Grenzen zwischen den in sozialen Konstrukten als typisch männlich und typisch weiblich konnotierten Eigenschaften: Männer haben in unterschiedlichen Ausprägungen auch die als weiblich bezeichneten sanfteren Wesenszüge, dürfen daher auch kinderlieb sein oder Gefühlsregungen zeigen, während umgekehrt Frauen auch männliche Eigenschaften in unterschiedlicher Form aufweisen. Und das ist gut so. Genau dies macht es aber auch unmöglich, eine Kategorisierung nach Geschlecht vorzunehmen, ohne dabei Teile der Persönlichkeit von Menschen ausblenden zu müssen und damit am Menschen vorbei Vorurteile zu prägen.

Wann eine Frau die eine Frau ist, das ist eine Entscheidung, welche erwachsene Menschen für sich im Einzelfall klären können und sollen. Dafür bedarf es keiner Schubbladen – das ist einzig und allein eine Sache der Anziehung zwischen zwei Menschen.

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