"BILD"-Artikel: Der Killer aus Trumps erster Reihe

Dank an @Liebe Zeit für den Link zu einem "Bild"-Artikel zum Thema "Kyle Rittenhouse und sein Gewehr". Der Artikel enthält trotz seiner Kürze mehrere Unwahrheiten und ist unverhohlen tendenziös. Wie das meiste, das heute in der Zeitung steht. (Und wer nicht unverhohlen oder sogar dumm unwahr und tendenziös ist, wird auf Twitter, Reddit und Facebook überhaupt nicht gern gesehen.)

https://m.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/17-jaehriger-erschiesst-zwei-vaeter-der-killer-aus-trumps-erster-reihe-72641712.bildMobile.html

Der Killer aus Trumps erster Reihe

Diese Überschrift ist sehr aussagekräftig, weil sie deutlich sagt, dass Kyle eine Figur im Wahlkampf der Demokratischen Partei ist - auch für die "Bild"-Zeitung. Das müsste eigentlich nicht sein, denn der Wahlkampf findet in den USA statt, während "Bild" eine deutsche Zeitung für Deutsche ist, die auf die Wahl keinen Einfluss nehmen können. Eigentlich merkwürdig. Eigentlich würde die "Bild"-Zeitung nichts verschenken, wenn sie im amerikanischen Wahlkampf neutral bliebe.

Der Artikel hat einen Untertitel, der über der Überschrift steht:

17-Jähriger erschießt zwei Väter

Dass es sich um Väter handelt, stiftet keinen Zusammenhang, sondern soll Emotionen wecken und den 17-Jährigen dämonisieren. Das ist keine Spekulation, sondern seit der Erfindung von Boulevard-Zeitungen gängige Praxis. Der alte Trick der Menschendressierer geht sofort in der Eröffnung des Artikels weiter.

Zwei amerikanische Familienväter sind tot. Erschossen von einem 17-jährigen!

Als nächstes lernt der "Bild"-Leser die Wahrheit über den Zusammenhang, allerdings nur die halbe Wahrheit.

Der erschütternde Fall: Die „Black Lives Matter“-Bewegung protestierte am Dienstagabend in Wisconsin gegen Polizeigewalt, nachdem ein weißer Polizist dem Afroamerikaner Jacob Blake (29) sieben mal in den Rücken geschossen hatte.

"Protest" ist keine treffende Bezeichnung für das Theater, das sich in Kenosha abspielte. "Aufstände" und "Rassenunruhen mit Plünderungen und Brandstiftung" wären wahrhaftiger. Dass die Opfer die Polizeigewalt herausgefordert haben, steht bei "Bild" anscheinend nicht zur Debatte. Und dass es sich bei der Aufregung um eine Verzweiflungstat der Demokratischen Partei im Wahlkampf handelt, auch nicht.

Während die Demonstranten durch die Stadt Kenosha zogen, patrouillierte der rechtsradikale Kyle Rittenhouse (17) mit einem Halbautomatikgewehr durch die Straßen.

"Rechtsradikal" ist hochinteressant, weil es dafür keinerlei Anhaltspunkte gibt. Das Wort "Demonstranten" ist im Zusammenhang genauso falsch wie die frühere Bezeichnung "Protest". Den Link zum Artikel wird der Verfasser an Kyles Star-Anwalt weiterleiten, der Zeitungen sammelt, die er wegen übler Nachrede verklagen kann. Ich hoffe, dass der Gerichtsstandort USA sein wird. Der Star-Anwalt hat kürzlich mehrere derartige Prozesse um über 100 Millionen Dollar gewonnen, aber das sprengt den Rahmen dieses Artikels. "CNN", "Washington Post" und andere Publikationen haben einen anderen Jugendlichen als "rechtsradikal" bezeichnet. So etwas kostet, wenn der Ankläger einen guten Anwalt hat.

Der Junge gehörte zu einer „Bürgerwehr“, die Geschäfte vor Plünderungen schützen wollte.

Das Wort "Bürgerwehr" steht unter Deppengänsefüßchen. Warum? Von dem Wort braucht sich keiner zu distanzieren. Es ist eine korrekte Entsprechung zum englischen Wort "militia", was in den USA eine tadellose und ehrenwerte Affäre ist, die ausdrücklich in der Verfassung steht. Sollen die Gänsefüßchen nahelegen, dass es sich um keine richtige Bürgerwehr handelt? Dass niemand die Bürgerwehr ernannt hat? Das ist in Amerika nicht notwendig. Eine Bürgerwehr zu werden, ist in Amerika ungefähr so schwierig wie ein Gastgeber zu werden. Dass mich niemand zum Gastgeber ernannt hat, macht mich in meinem Haus nicht zum "Gastgeber" unter Deppengänsefüßchen. Ich bin Gastgeber - ganz ohne Gänsefüßchen - wenn ich Leute einlade und bewirte. Ich bin in Amerika eine Bürgerwehr ganz ohne Gänsefüßchen, wenn ich mir eine Waffe umhänge und auf der Straße oder während gewalttätigen Ausschreitungen auf ein Grundstück Acht gebe.

Als aus der Menge heraus ein Molotow-Cocktail in seine Richtung geworfen wurde, feuerte Kyle wahllos auf die Demonstranten.

Das ist gelogen, Lügepresse "Bild", aber warum? Erstens war es kein Molotow-Cocktail, was sich mehr oder weniger sofort nach der Tat herausstellte, besonders auf Twitter. Zweitens, und das ist sehr bedeutsam, feuerte Kyle überhaupt nicht wahllos. Das exakte Gegenteil ist richig.

Dieser Verfasser wohnte mehreren Diskussionen bei, in denen die meisten amerikanischen Kommentatoren auf Social Media, darunter Polizisten und Kriegsheimkehrer, nicht aufhören konnten, Kyles Feuer-Disziplin und Treffsicherheit zu loben oder sich sogar zu wundern, wie so etwas bei einem Teenager überhaupt möglich ist. Mehrere Menschen bezeichneten Kyle als "Smooth Operator", was möglicherweise Armee-Jargon für "Könner" oder "guter Mann" ist. Herausgestrichen wurde Kyles Auge für wirklich gefährliche Gegner, denn Angreifer hätte er noch mehr abknallen können. Herausgestrichen haben Soldaten, dass niemand zu Schaden gekommen war, der nicht eine unmittelbare und sehr gefährliche Bedrohung für Kyle war, nicht einmal Angreifer, die nicht bewaffnet waren, denen Kyle ohne weitere Gegenwehr auswich -- einem davon, während er am Boden lag. Gerade der Umstand, dass Schüsse in jedem einzelnen Fall der allerletzte Ausweg waren, was Kyle in höchster Not nervensicher immer richtig einschätzte, fanden Polizisten und Soldaten sogar nach den Maßstäben für gut ausgebildete Elite-Soldaten "phänomenal" und "unzweifelhaft Ranger-tauglich". Vielleicht hatte Kyle bloß Glück, vielleicht ist er wirklich ein Naturtalent, das schlagartig in die Aufgabe hineingewachsen ist. Was aber auf jeden Fall stimmt: "Bild" LÜGT hier wie gedruckt. Nicht einmal annähernd wahr, wovon sich jeder durch Videos überzeugen kann.

Rittenhouse ging mit erhobenen Händen und umgeschnalltem Gewehr auf Polizeiautos zu. Demonstranten schrien die Polizisten an, sie müssten den Jungen verhaften, weil er gerade zwei Menschen gekillt hätte.

Das ist richtig, allerdings verschweigt die "Bild"-Zeitung, was nachher passierte. Vielleicht war es ihnen den Platz oder die Arbeit nicht wert. Vielleicht gibt es zu wenig her für Stimmung.

Die tödlichen Schüsse trafen Joseph Rosenbaum (36), Vater einer zweijährigen Tochter. Seine Verlobte beschreibt ihn als fröhlichen Scherzbold.

Stimmung! Der Ärmste! So als hätten kinderlose und humorlose Menschen eher den Tod verdient.

Auch Anthony Huber († 26), ein leidenschaftlicher Skater, der mit seinem Board unterwegs war, starb im Kugelhagel. Er hinterlässt Lebensgefährtin und Stieftochter.

Stimmung! Der Ärmste! So als hätten kinderlose unsportliche Menschen eher den Tod verdient. Außerdem war es eben KEIN Kugelhagel sondern ein einziger Präzisionsschuss in die Brust. Bewusst gelogen oder schlecht recherchiert? Eins von beiden ist es.

Der Verfasser hat in einem anderen Artikel Strafregisterauszüge und Verhaftungsprotokolle der beiden Familienväter verlinkt. Da Straftäter es nicht mehr und nicht weniger verdient haben, abgeknallt zu werden, ist das unerheblich, aber es zeigt, dass die "Bild"-Zeitung sehr willkürlich bei der Auswahl seiner Fakten vorgeht. Dass jemand ein Familienvater oder Skateboard-Fahrer ist, hat auf Gerichtsverfahren um Selbstverteidigung keinen Einfluss. Dass vorbestrafte Gewaltverbrecher eher eine Gefahr für Leib und Leben sind als Unbescholtene, hat für solche Verfahren jedoch sehr große Bedeutung. "Bild" ist offenkundig nicht wichtig, was im bevorstehenden Prozess von zentraler Bedeutung sein wird. Was "Bild"-Leser wundern könnte, weil Gewaltverbrechen in dieser Zeitung selten verheimlicht werden, denn dafür ist es ja Boulevard. Verbrecher als Familienväter herauszustreichen ist für die "Bild" sicher ein großes Opfer, das diese Publikation nicht für jeden zu erbringen bereit ist. Für Joe Biden und Kamala Harris aber sehr wohl.

"Lügenpresse" war ein Schlagwort in Wahlkämpfen der NSDAP. Heute gilt oft: Wer "Lügenpresse" sagt, ist ein Nazi. Vielleicht wird umgekehrt ein Schuh draus: Die damaligen Wähler der NSDAP hatten - unter anderem - einseitige und verlogene Berichterstattung satt. Daraufhin Hitler zu wählen war NATÜRLICH ein Fehler, aber so ist das eben: Wenn sich keiner mehr auf die Presse verlassen kann, wenn die Presse am Boulevard Politik machen will, dann passiert irgendwann ein großes politisches Unglück.

Nun ist es natürlich so, dass jeder einwenden könnte, dass ein "Bild"-Artikel kein gutes Beispiel für moderne Berichterstattung oder moderne Objektivität in den Massenmedien ist. Dieser Verfasser hat einen Gegeneinwand: In den deutschen und österreichischen Medien werden noch mehr Artikel zu Kyle und seinem Gewehr erscheinen. Diese Artikel und Berichte werden dem hier besprochenen "Bild"-Artikel sehrsehr ähnlich sein. Und diesem schlecht geschriebenen, aber gehaltvolleren Artikel sehrsehr unähnlich:

https://www.fischundfleisch.com/hawaiipiraten-von-oesterreich/massenmedien-gegen-buerger-66949

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Bachatero

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