Die Distanzierung vom Populismus, egal ob links oder rechts, habe ich ursprünglich für die Piratenpartei geschrieben. Nach der richtigen und nötigen Distanzierung von rechtem Gedankengut, schien es dafür höchst an der Zeit. Leider war es aber schon zu spät, und die Piratenpartei wurde von der KPÖ, die sich einen moderneren Anstrich geben wollte, nach dem Motto "assimilieren oder untergehen" unterwandert und später zerstört. Linkspopulistische Neostalinisten haben für eine Erklärung gegen Populismus natürlich keine Verwendung.

Die Piraten wollen mithilfe der von ihnen genutzten technischen Mittel die Politik völlig neu gestalten. Sie wollen echte, gut ausgearbeitete Konzepte propagieren, keine leeren Slogans. Sie wollen die Menschen informieren und überzeugen, und nicht mit billiger Stimmungsmache auf Wählerfang gehen. Sie wollen ehrlich und transparent ihr Programm erarbeiten, und sich nicht von Erfolgshunger zu leeren Versprechungen hinreißen lassen. Und schließlich wollen sie im ehrlichen Dialog auch mit politisch Andersdenkenden zu klaren Standpunkten finden, und sich nicht in das alltägliche persönliche und populistische Hick-Hack der gewöhnlichen politischen Akteure hineinziehen lassen.

Für die Piraten hat sich generell die politische Einteilung in das klassische Links/Rechts-Schema überholt. Beispiel: Sündenböcke gibt es sowohl bei "Linken" als auch bei "Rechten": Bei den "Linken" sind es die Banken, USA, Finanzindustrie ... - bei "Rechten" sind es Ausländer, Muslime, Leute die das klassiche Familienbild zerstören etc.

"Hier geht es um die Frage, wie Inhalte der Politik weitergegeben und präsentiert werden. Merkmale von Populismus als Strategie sind emotionale Kampagnen, in denen vereinfachende Lösungen auf komplexe Probleme gegeben werden. Oftmals beinhaltet diese Form des Populismus eine opportunistische Politik, deren Hauptziel es ist, hohe Wähleranteile zu erhalten."

– Wikipedia

In der populistischen Politik wird also auf Kosten hoher Wähleranteile das "eigentlich sinnvolle" vernachlässigt.

Dazu gilt es mit der Schaffung einer Infrastruktur zum strukturierten Austausch von Argumenten/Studien/Informationen/Expertenmeinungen etc. der vereinfachten Darstellung politischer Themen entgegenwirken; je mehr man es schafft, Leute dazu zu bringen nur rationale Argumente zu verwenden, desto weniger Chancen hat Populismus. Man muss den Spagat zwischen "alles an Information kann abgebildet werden" und "die Information muss rational sein" schaffen. Zum Teil indem man manche Argumentationsstrukturen vorgibt (z.B.: Was ist das Problem, welche Lösungsalternativen gibt es, welche Studien gibt es dazu - was sind die Auswirkungen dieser Lösungsalternativen, welche Gründe haben Experten, sich für eine dieser zu entscheiden). Im wesentlichen kommt es ja bei fast allem auf 2 Punkte an: Ist-Situation (korrektes feststellen notwendig) und Soll-Situation (man muss die Auswirkungen objektiv abschätzen). Im Idealfall sollte sich dann die Abstimmung nur darum drehen, welche Auswirkungen man bevorzugt und welche nicht, aber die Auswirkungen sollten "objektiv festgestellt" werden. Auch muß ein Mittelweg zwischen allgemein verständlicher Formulierung und nötiger sprachlicher Präzision gefunden werden. Es gilt also: sowenig information wie möglich, aber trotzdem soviel wie nötig. In solchen Fällen muss man so viel Vertrauen aufgebaut haben, dass man den Leuten sagen kann "hey, es ist zwar zu kompliziert, das zu erklären, aber hier habt ihr einen langen Text der es erklärt und ihr könnt uns vertrauen dass wir versuchen, das beste zu erreichen".

"Oft wird auch jede politische Forderung polemisch als Populismus bezeichnet, die dem echten oder vermuteten Mehrheitswillen der Bevölkerung entspricht, aber im Widerspruch zu eigenen Zielsetzungen steht, besonders wenn diese unpopulär sind, aber (tatsächlich oder vorgeblich) aus „höherer Einsicht“ resultieren. Dies wird von Kritikern als gestörtes Verhältnis zur Demokratie gewertet."

– Wikipedia

Die Piraten wollen tatsächlich diese "höhere Einsicht" erlangen. Die Frage stellt sich also, wie man Argumente statt Slogans bingt, ohne daß es ein billiger Slogan ist. Wir denken, indem man die Begründung statt den Inhalt verwendet - Um das beste für die Menschen erreichen zu können, müssen wir die besten, nicht die kürzesten Konzepte entwickeln.

Was man auf keinen Fall verwechseln darf ist Populismus und gutes Marketing. Es ist tatsächlich möglich, Inhalte korrekt und trotzdem reißerisch, verkürtzt und dennoch korrekt wiederzugeben. Charismatische Menschen können ein großes Publikum auch mit sperrigen Themen unterhalten, ohne Tatsachen zu verfälschen oder das zu sagen was gerade als populär gilt. Sie können Fakten transportieren ohne zu langweilen. Leider wird gerade das zu oft mit jenen politischen Marktschreiern gleichgesetzt, deren einziges Ziel es ist, mit simplen Aussagen und Appellen an den sogenannten Hausverstand die Menschen hinters Licht zu führen. Wer für komplexe Probleme sinple Lösungen anbietet ist ein Scharlatan, und die Piraten lehnen es ab, sich derartiger Scharlatanerie zu bedienen. Wir suchen nach der Wahrheit, und versuchen diese so korrekt und effektiv wie möglich zu kommunizieren. Und die Wahrheit muß immer auf Fakten basiseren, niemals auf Vermutungen oder dem Zeitgeist.

Der piratische Liberalismus

Diese Erklärung ist ein Auszug eines textes von egoteaist, trifft aber den Nagel auf den Kopf, weshalb ich dem kaum etwas hinzufügen muß:

Ich werde immer wieder gefragt, welche politische Einstellung ich habe und warum. Gemeinhin vermeide ich das Wort „liberal“ am Anfang eher, vor Allem aufgrund seiner mittlerweile eher negativen Konnotation. Häufige nutze ich daher lieber diese Formulierung:

„Geh‘ mir nicht auf die Eier und wir werden die besten Freunde.“

Das ist, etwas zugespitzt, letztlich das grundlegende liberale Credo. Es beinhaltet die Selbstverantwortlichkeit, Privatsphäre und jegliche Individualrechte. Interessanterweise können viele meiner Gesprächspartner dieser Aussage zustimmen – sobald ich jedoch dazusage, dass ich liberal bin, sind sie überrascht, weil für sie Liberalismus etwas zutiefst Antisoziales und Gesellschaftsschädigendes ist.

An dieser Stelle ist es dann immer sehr hilfreich, wenn ich ihnen meinen eigenen politischen Werdegang näher erläutere.

Wir alle waren früher etwas Anderes.

„Wer mit 20 kein Kommunist ist, besitzt kein Herz – wer mit 40 immer noch Kommunist ist, keinen Verstand.“

So abgedroschen diese Floskel mittlerweile auch sein mag – so zutreffend ist sie jedoch auch.

Man nennt es wohl Ironie der Geschichte, dass Linke und Rechte letztlich gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven heraus.

Ich für meinen Teil sehe darin einen hervorragenden Indikator, dass man genau dann auf dem richtigen Weg ist, wenn das eigene Handeln Linke wie Rechte anpisst. Deshalb mag uns Liberale auch niemand – weil wir keinerlei Kollektive befürworten, weil wir den Menschen eigene Entscheidungen zugestehen und sie so wenig wie möglich bevormunden möchten. Der Liberale sitzt immer zwischen den Stühlen – er kann es naturgemäß niemandem rechtmachen. Er maßt sich nicht an, die besten Ideen für alle Menschen zu haben, weil er genau weiß, wie unterschiedlich die Menschen sind und dass ein jeder variierende Bedürfnisse und Vorstellungen hat. Einen Masterplan, der Glück für alle verspricht, kann der Liberale nicht liefern – dessen ist er sich bewusst – und genau deshalb bleibt er auch unbequem und wird nicht in absehbarer Zeit die Anerkennung bekommen, die er verdient. Er will nicht führen – aber er will ebenso wenig folgen. Er will den Menschen die Freiheit geben, selbst zu entscheiden, was sie glücklich macht – aber ihnen ebenso die Möglichkeit geben, Fehler zu machen, zu scheitern – um daraus zu lernen und zu wachsen. Der Liberale will, dass der Mensch für sich selbst Verantwortung übernimmt – einen goldenen Käfig lehnt er rigoros ab.

Diese Prinzipien sind unattraktiv. Sie sind anstrengend und bieten keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme an.

Dazu muß ich nur anmerken, daß sich der Mensch der aus seinen Fehlern nicht lernt, der sich statt zu wachsen unbelehrbar gibt, und trotz aller Gegenargumente auf seinem Standpunkt beharrt, für den Liberalen als Geschprächspartner disqualifiziert. Denn sobald der Bereich des Faktischen verlassen ist, bewegt man sich zurück in die Regionen der Ideologie, aus deren Verirrungen der Liberale den Menschen ja den Weg zeigen will. Von Standpunkten abzurücken die nicht der Realität ensprechen, ist genau die Verantwortung, die der Mensch der sich von Ideologien freigemacht hat übernimmt.

ahoy

hellboy

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