Man unterhält sich bisweilen auch mit kleineren Kindern über die Alltagserlebnisse. Lea aus der näheren Bekanntschaft geht in die zweite Volksschulklasse. Die Kinder testen sich fleißig in der Schule. Kürzlich haben wir Lea gefragt, wie das so ist mit dem Testen und was die Lehrer machen, wenn ein Kind einen positiven Test hat. Da hat Lea geantwortet: "Dann kommen so Männer in weißen Anzügen und nehmen das Kind mit."

Der Satz geht mir nicht aus dem Kopf. Wie muss es sich für ein Kind von sieben Jahren anfühlen, wenn "Männer in weißen Anzügen" (Schutzanzügen) in die Klasse kommen und ein Kind abholen? Hat das Potential für eine traumatische Erfahrung? Diese Schutzanzüge sehen nicht gerade vertrauenserweckend aus. Kinder haben eine blühende Phantasie. Wer weiß, was sich Lea und andere Kinder unter dieser Gesundheitsmaßnahme vorstellen? Was passiert mit dem Kind, das abgeholt wird? Ist es ein böses Kind? Wird es bestraft? Wie sehr wird es bestraft? Kann das mit Lea und den anderen auch passieren?

Das abgeholte Kind kommt dann nicht mehr zurück, was die Phantasie zusätzlich beflügelt.

Das Bild mit den Männern in den weißen Schutzanzügen kann sich ein Leben lang in die Seele einprägen. Nicht das ist schlimm, sondern mögliche Gefühle, die man damit vielleicht verbindet, aber verdrängt.

Kinder erschrecken scheint noch immer modern zu sein? Dabei dachte ich, die Zeit der Dorftrotteln sei schon vorbei?

Mich hat einmal so ein Dorftrottel gewaltig erschreckt, als ich in Leas Alter war. Es war am Land, in einem großen Gästehaus, in der Sommerfrische. Das Gästehaus war bekannt für seine vielen kleinen Gäste, die mit den Eltern anreisten.

Es war in einer Nacht, ich musste auf die Toilette. Als ich mit meinem Geschäft fertig war und die Toilettenanlage verlassen wollte, pochte es hinter mir am Fenster. Ich drehte mich um und sah an der Fensterscheibe ein grinsendes Gesicht und den Knauf einer silbernen Taschenlampe, die dem Kerl am Clofenster zum Klopfen diente. Das Fenster war zum Glück verschlossen! Dennoch lief ich, zu Tode erschrocken, schreiend zu meinen Eltern.

Niemand in dem ganzen Etablissement glaubte der kleinen Göre, was sie gesehen hatte. Phantasiegeschichte! Doch am Morgen untersuchte man die Stelle unter dem Fenster im 1. Stock. Jeder zweite Ziegel in der Hauswand war herausgebrochen - es musste jemand hinaufgeklettert sein. Ein Dorftrottel wollte wohl kleine Mädchen nachts am Clo erschrecken? Bei einer alten Frau hätte er bestimmt nicht ans Fenster geklopft.

Als Erwachsene lacht man darüber, doch Bilder bleiben ewig im Gedächtnis. Noch heute phantasiere ich manchmal Gesichter am Fenster herbei, wenn es draußen Nacht ist und ich in fremder Umgebung in einem beleuchteten Raum ohne Vorhänge oder Jalousien sitze. Weil ich es als Kind erlebt habe und weil es ein markantes Erlebnis war.

So könnte es sich auch mit den Männern in den Schutzanzügen verhalten, die Kinder aus der Schulklasse holen. Schutzanzüge könnten auf Kinder ähnlich gruselig wirken. Man fragt sich im Fall von Schuleinsätzen, welche Dorftrotteln darin stecken mögen, um kleine Mädchen zu erschrecken? Kann man das nicht auch anders regeln?

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