Das Colon Hydro-Experiment – so läuft's ab

Das Zimmer ist sauber, fensterlos, ab Kniehöhe weiß gekachelt und verzichtet auf den üblichen Dekorationskitsch, mit dem verunsicherte Patienten abgelenkt werden sollen. Sinnsprüche oder hinter-Glas-gerahmte Fotografien von spielenden Kätzchen. Ich habe gefühlte Jahre meines Lebens damit verbracht, auf das Bild der Cheshire Cat in der Praxis meines Zahnarztes zu starren, während er in meiner Mundhöhle herumwerkte. Aber ich bin nicht beim Zahnarzt. Und es geht auch nicht um meine Mundhöhle. Es geht um meinen Dickdarm. Der gehört ausgespült, und zwar so richtig, meint meine Alternativ-Medizinerin und hat mir ein Institut in Wien-Neubau empfohlen. Die Colon-Hydro Therapie ist derzeit in aller (...) Munde. Wer abnehmen oder zumindest mit einem flachen Bauch protzen, sein Wohlbefinden steigern und seinen Stoffwechsel anregen will, dem sei ein Einlauf aus Profihand empfohlen.

Ich will das alles, deswegen liege ich auf einem schmalen, sorgsam mit Plastikfolie und Küchenrolle abgedecktem Behandlungstisch. In stabiler Seitenlage. Unten ohne. Während Frau Agnes eine Klacks Vaseline auf das dicke Ende eines langen Schlauches schmiert, der in einer Maschine mit vielen Lämpchen und Schaltern endet. Der Hydromat. Frau Agnes ist um die 60 und wirkt trotz weißem Kittel mehr wie die Wurstverkäuferin aus der Greisslerei ums Eck. Ihr Gesicht ist rund und voller Verständnis. Ich bin blass und komme mir blöd vor. Frau Agnes - ihren Nachnamen habe ich vergessen – erklärt, dass sie nun den Schlauch in mein Rektum einführen wird und dass ich mich danach vorsichtig auf den Rücken rollen soll. Das Wasser wird anfangs noch kalt sein, warnt sie: "Zehn Liter Wasser werden ohne Druck in den Darm geleitet, wobei die Temperatur abwechselnd 21 und 41 Grad Celsius beträgt. Dieser Temperaturwechsel wirkt sich positiv auf die Darmtätigkeit aus."

Zehn Liter? Ohne Scheiss jetzt? Oder Eben: mit. Ich glotze auf das eingecremte Schlauchende und wünsche mir insgeheim ein Katzenbild herbei. Die Behandlung dauert eine Stunde, wie bringt man das ohne Katzenbild und völligen Gesichtsverlust rum? Zum Nachdenken komme ich alllerdings nicht, Agnes führt den Schlauch behende in meinen Allerwertesten ein und startet den Hydromaten. Das alles geht sehr zügig, ähnlich wie bei einem One-Night-Stand, wenn der Aufriß merkt, dass man zu zögern beginnt. Das Wasser ist tatsächlich kühl. In meinem Körper breitet sich ein Kribbeln aus, also könne er nicht damit umgehen, das man ihn füllt wie einen Truthahn zu Thanksgiving. Ich werfe Agnes einen hilfesuchenden Blick zu. In meinen Bauch gluckert und blubbert es. Ich fühle mich wie damals in der Dom-Rep, als ich Wasser aus dem Wasserhahn getrunken habe: Ich kann es nicht mehr halten. Agnes starrt konzentriert auf meinen Hintern. Ich bedauere den Schweinsbraten am Sonntag, schließe die Augen und versuche mich zu entspannen.

Frau Agnes rollt mich auf den Rücken und deckt mich zu. Die Decke ist braun. „Der Darminhalt löst sich jetzt“, sagt sie zufrieden. Ich finde das plötzlich alles sehr intim und wünschte sie hätte mich wenigst zuvor ins Kino oder auf einen Drink eingeladen. Stattdessen fragt sie mir Löcher in den Bauch. Ich beantworte bereitwillig jede Frage nach Job, Mann und Haustier, das hilft dabei mir vorzugaukeln, diese Situation wäre nicht völlig absurd. Nach 30 Minuten Small Talk mit Schlauch im Arsch beginnt Agnes mir sanft die Bauchdecke zu massieren und plaudert aus dem Nähkästchen. In meinem Darmfalten würde der Dreck von Jahrzehnte lagern, erklärt sie. Ich fühle mich schuldig. Das Wasser wird wärmer. "Der Dickdarm kann mit einem hochflorigen Teppichboden verglichen werden. Der Stuhl, braucht einige Zeit bis er sich löst", sagt Agnes. Bei der dritten Behandlung würden sich sogar ganze Plättchen lösen. Sie sehen aus wie Bernstein. Nach einer Stunde ist die Prozedur vorbei, ich werde unplugged. Es ist nichts daneben gegangen, es riecht nicht und ich fühle mich untern herum seltsam rein und erfrischt. Aber: Sicher ist sicher: Ich soll noch auf der Liege verweilen und im Anschluß auf der Toilette noch mal alles geben. Man will ja nicht seinen Autositz beschmutzen. Ich gebe alles, aber da kommt nichts. Frau Agnes ist stolz.Und wie wars? Anfangs befremdlich, gegen Ende erleichternd. Bis zur dritten Sitzung habe ich es allerdings nicht geschafft. Eine Colon-Hydro Therapie ist kostspielig. Meinen Bernstein werde ich niemals sehen.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:59

fischundfleisch

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