Ich bin in die Andreas-Gabalier-Falle getappt, ich Dummes!

Ich bin in die Andreas-Gabalier-Falle getappt, ich Dummes. Voll rein in den Hau-den-Reaktionären-Reflex. Mist. Es tut mir leid. Auch um meinen Seelenfrieden. Aber: Da muss ich jetzt durch. Gestern habe ich also Gabaliers Aussage, Mütter sollen länger bei ihren Kindern bleiben/ Mütter sollen länger bei ihren Kindern bleiben können (man ist sich noch uneins) als dümmlich bezeichnet. Darauf hin: viele entzürnte Mamas, auch ein paar wenige entzürnte Papas. Weil es ja gut wäre, für die Kinder, für die Gesellschaft. Recht habt ihr! Na klar wäre das toll, wenn Frau es sich aussuchen könnte, wie lange sie sich der Pflege des Nachwuchs widmet. Und ich rede jetzt von Frauen, weil der Volksrockn'Roller es tat, gelle.

Noch schöner und zeitgemäßer wäre es sogar, wenn VÄTER und/oder Mütter es sich aussuchen könnten. Denn das Model „Der Vater bringt das Geld nach Hause und die Mutter kümmert sich um Haushalt und Kinder" funktioniert nicht mehr ganz so blendend wie dareinst. Stichwort: Alleinversorger-Stress, Stichwort Frauenarbeitslosigkeit, Stichwort Scheidungsrate.

Und da sind wir am Punkt. Weltfrieden wäre auch ur-super, volle, dufte, schön. Gleiche Rechte für alle? Wäre schön. Hand in Hand für unser Land – superschön! Ich muss enttäuschen: Das spielt es nicht so ganz. Die Welt ist seit ihrer Entstehung einem Entwicklungsprozess ausgesetzt. Manche nennen ihn Fortschritt, auch wenn der nicht immer zum Besten des Planeten passiert. Gesellschaftsstrukturen ändern sich. Der Zugang zu Bildung verändert die Menschen. Staatskassen sind mal voller, mal leerer. Den Entwicklungsprozess in Sachen Frauen und Rechte kann ich sogar noch etwas konkretisieren: Frauen dürfen in Österreich seit 1918 wählen. 1975 wurde der Schwangerschaftsabbruch bis zum dritten Monat entkriminalisiert. 1989 wurden durch die Sexualstrafrechtsreform Vergewaltigung und geschlechtliche Nötigung in der Ehe oder Lebensgemeinschaft strafbar. 1999 wurde die partnerschaftliche Teilung der Versorgungsarbeit in das Ehegesetz integriert.

2015? Sollte es sich eine Frau aussuchen können, ob sie ein Kind bekommen möchte und wie lange sie in Karenz geht? Sollte. Die Realität? Laut Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung lebten 2014 in Österreich insgesamt 2.372.000 Familien, darunter 1.704.000 Ehepaare und 368.000 Lebensgemeinschaften sowie rund 252.000 Mütter und 48.000 Väter in Ein-Eltern Familien. 252.000 alleinerziehende Mütter. Das ist viel. Frauen, die ihren Job nicht nur fürs nackte Überleben brauchen, sondern vielleicht auch für ihr seelisches Wohlbefinden? Ja, Arbeit und Aufgabe können durchaus erfüllend sein. Muß nicht so sein. Kann aber. Meine Mutter hat sich allein meiner Aufzucht und Pflege gewidmet, während mein Vater gearbeitet hat. Sie hat sich erst sehr spät getraut zu sagen, daß sie oft heimlich weinte. Obwohl ich ihr ein und alles war und bin, sie hat den Job, die Kollegen, die Welt da draußen vermisst.

Nun zur Vätern: Die Ergebnisse zum Thema Familie und Arbeitsmarkt zeigen, dass es vor allem Mütter sind, die nach der Geburt eines Kindes die Erwerbstätigkeit unterbrechen und später nur in Teilzeit auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Im Gegensatz zu Frauen wird das berufliche Engagement von Männern oft von der Geburt eines Kindes kaum beeinflusst. Laut einer aktuellen EU-weiten Erhebung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht nur jeder - aber immerhin - 15. Vater in Karenz. Die Zahl der Männer, die ihr Berufsleben eine Zeit lang unterbrechen, wächst nur schleppend, derzeit beträgt der Anstieg lediglich rund zwei Prozent. Einer der Gründe: Auch die Männer erfahren Diskriminierung, wenn sie sich für die Kindererziehung entscheiden.

Lieber Andreas Gabalier, liebe Mamas und Papas! Ich wollte euch nicht kränken. Ich halte es nur für wenig sinnvoll, wenn Schweindeln von Kukuruz träumen. Fakt ist, daß alleinerziehende Mütter sehr oft in der Rue de la Gack stecken. Finanziell und emotionell. Fakt ist, dass zu wenige Väter in Karenz gehen. Fakt ist, dass es zu wenig Kinderbetreuung für Wenig-Verdiener beiderlei Geschlechtes gibt.

Die Welt dreht sich ständig weiter. Es bringt nichts die Scheuklappen aufzusetzen und von der guten, alten Zeit zu träumen.  Es gibt sie nicht mehr und wahrscheinlich gab es sie nie. Es wäre einfach komplett super dufte gummi schön, wenn wir beim Träumen von einer besseren Welt nicht jegliche Vernunft fahren lassen würden. Denn dann könnte aus unseren Träumen mehr werden als ein lauwarmer Gedankenschas, der nun demjenigen hilft, der ihn absondert.

Fotocredit: krone.at

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