Leiden kranke Männer mehr als kranke Frauen?

Das Bett - ein Ort der Wonne: Pennen, Faulenzen, Lesen, Koma-Essen, jede Menge Sex - im Schlafgemach lassen sich die Sorgen des Alltags vergessen. Eine besonders garstige Ausnahme bestätigt aber die Regel: Blumen verdorren, Kinder weinen, Hunde bellen, die Erde bebt, das Wasser bricht und die apokalyptischen Reiter satteln die Pferde: Der Mann ist krank. Und er hat nicht bloß Schnupfen oder eine Grippe: Er ist dem Tode nahe. Wir kennen das. Zur Genüge. Und jeden halblustigen Witz darüber. Frauen sind - solange sie im reproduktionsfähigen Alter sind - zwar anfälliger gegen Viren, investieren dafür aber mehr in ihre Gesundheit. Regelmäßige Bewegung etwa wird in den Alltag integriert, um schön, fit und gesund zu bleiben. Männer messen sich beim Sport – und kommen vom Kick oder der Jiu jitsu-Stunde eher lädiert als relaxed zurück.

Wellness? Yoga? Massagen? Frische Luft? Firlefanz. Live hard, die young - das ist ihre Strategie. Man(n) ist ja kein Weichei. Oder etwa doch? Wenn die Erkältung das starke Geschlecht ans Bett fesselt, ist nämlich Schluss mit lustig. Jetzt gilt für die Partnerin: Obacht. Harte Zeiten stehen an. Zwar verweigert der Durchschnittsmann meistens die medikamentöse Behandlung (weil: ein Zeichen der Schwäche, außerdem lügt die Pharmaindustrie), beansprucht aber die volle Aufmerksamkeit des Weibes. Verständnis und Einfühlungsvermögen sind gefragt, selbst wenn der tägliche Blick ins schmerzverzerrte Gesicht alles anderem als schön ist und für Abhilfe ja eigentlich gesorgt wäre.

Wenn er bei seiner Partnerin nicht auf die entsprechende Anerkennung stößt und nicht liebevoll umsorgt wird, kann aus einer Erkältung schon mal eine Katastrophe biblischen Ausmaßes werden, bei der das Ego des Mannes an den Rand der Vernichtung getrieben wird. Eine interessante Beobachtung machte eine im Medical Journal veröffentlichte Studie: Demnach würden 41 Prozent aller befragten Männer eine Erkältung als vorübergehendes Übel ansehen, das sie nicht unterkriegen und das sie durch ausreichendes Trinken (das Allheilmittel für 68% der Männer – ob Wasser oder Bier gemeint ist, geht aus der Studie nicht hervor) in den Griff bekommen können.

Frauen dagegen sehen sich eher in der Pflicht, eine Krankheit schnell zu überwinden, um nicht länger als nötig auszufallen. Um der Studie Fleisch zu geben, hier ein Beispiel aus meinem Leben. Einmal im Monat gehe ich dank eines verhaltensaufälligen Fortpflanzungsapparats an die Grenze meines - eigentlich sehr niedrigen - Schmerzempfindens bis an die Grenze des Wahnsinns. Aber: ich erkenne den Reiz früh und greife an diesen Tagen ohne einen Anflug von schlechtem Gewissen zu Schmerzmitteln. Außerdem zu dicken Socken und einer Wärmflasche. Wie eine kranke Katze verkrieche ich mich an einen dunklen Ort und komme erst wieder hervor, wenn ich wieder einigermaßen gesellschaftsfähig bin. Denn: Ich kenne meinen Körper. Als ich mir im Sommer den Fuß gebrochen habe, war mir klar, was Sache ist - selbst wenn mir mein Freund allesamt die Hysteriker-Stola umhängte: "Stell dich nicht so an. Sicher bloß eine Zerrung." Deswegen gehe ich im Falle einer Krankheit oder Verletzung  ganz  lösungs- statt problemorientiert einfach zum Spezialisten.

Anders mein Freund. Der hat Rückenschmerzen. Chronisch. Seit drei Wochen ist es besonders schlimm. Da darf man nicht mal kuscheln, jede Berührung, jede Bewegung schmerzt. Das tut mir im Herzen weh, so richtig - aber mein Mitleid wird von einem dumpfen Gefühl der Ohnmacht überschattet. Weil er nix tut. Er liegt rum und ist arm. Nicht mal mit der Rheumasalbe darf ich anrücken, keine Ahnung warum, vielleicht sieht er das als Zeichen von Schwäche. Aber wie gesagt: Ich weiß es nicht, über körperliche Unzulänglichkeiten redet man nicht gerne. Also ist meine Anwesenheit gefragt, ab und zu ein Teller Suppe (wobei die fast immer ungenießbar ist) –  aber mehr auch nicht. Und das macht mich sauer. Weil ich helfen will, aber nicht darf. Weil ich ihn auch krank liebe, aber die Welt doch schöner ist, wenn man weitgehend schmerzfrei durchs Leben geht. Vielleicht aber bin ich tatsächlich zu unsensibel. Vielleicht hasst er Ärzte. Vielleicht will er ja leiden, weil ihm das eine Auszeit vom Alltag gibt. Vielleicht geht er mit Schmerz einfach anders um: Der Mann, das selbstgenügsame Wesen – das ist ein zähes Erbe des soldatischen Ideals. Ich allerdings bin Hedonist, und zwar durch und durch. Das Bett soll ein Platz des reinen Vergnügens bleiben. Niemand muss ins weiße Licht gehen, weil er Schnupfen hat, Zahnweh oder Rückenschmerzen. Und jetzt rufe ich mal einen Chiropraktiker an, lade das Betäubungsgewehr und setze dem Leiden ein Ende.

(Anmerkung: Diese Kolumne wurde mit frisch operiertem Weisheitszahn verfasst, unter dem Einfluß von Arnika Globuli D12)

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