Die AfD wird bei den Kommunalwahlen in Hessen drittstärkste Kraft. Mit 13% ist man jedoch weit davon entfernt mit halbwegser Berechtigung: "Wir sind das Volk", skandieren zu dürfen.

Mit einigem Realismus betrachtet muss man wohl zwei Dinge als wahr annehmen: Erstens, Europa steht mit der Flüchtlingsproblematik und mit den Folgen der Wirtschaftskrise vor enormen Herausforderungen. Beim politischen Personal aller Lager sind die Lichtgestalten oder auch nur halbwegs glaubwürdigen Volksvertreter rar. Kein Wunder, dass die Bevölkerung frustriert ist. Egal in welchem Lager man steht, zufrieden sind wohl die wenigsten darüber wie Politik derzeit in Europa funktioniert. Doch bei allen Problemen: Es geht uns (Normalsterblichen) so gut wie noch nie in der Geschichte der Menschheit.

Zweitens: Es ist typisch für unsere Gesellschaft, dass es die lauten Minderheiten sind, die den Diskurs bestimmen. Egal ob in Fragen der Migration, Gleichberechtigung, Sozial- und Wirtschaftspolitik, es dominieren die lauten Minderheiten, denn nachgewiesener Maßen vertritt die AfD genausowenig das "Volk", wie Alice Schwarzer die "Frauen" oder die Linke die "sozial schwachen" (was ja eigentlich wirtschaftlich schwach heißen müsste...)

Das Grundproblem aller Parteien ist, dass, durch die zunehmende gesellschaftliche Individualisierung, das Volk abhanden kommt. Es gibt schlicht keine homogenen Wählergruppen mehr, die man adressieren kann. Gerade die ehemaligen Volksparteien rechts bzw. links der Mitte bekommen das am stärksten zu spüren.

Mit solider Politik und wahrhaftiger Kommunikation ist keine Sau mehr hinter dem Ofen hervor zu locken. Die Schlagzeile bestimmt was gekauft und gelesen wird (abgesehen davon, dass die meisten Menschen ohnehin nur die Headline lesen, wenns gut geht vielleicht noch den Vorspann) und Medien sind nun mal eher Teil der Wirtschaft denn der Politik, denn auch dort heisst es letztlich: Ohne Moos nix los - und je polarisierender, desto höher die Klickzahlen und Leser und damit auch umso mehr Werbegelder.

Da kann man dann schon mal den Eindruck bekommen, dass die Welt kurz vor ihrem Untergang steht, im medialen Trommelfeuer der apokalyptischen Reiter von AfD, PEGIDA, FPÖ, Alice Schwarzer, TTIP-Paniacs, PETA, etc.

Man würde sich manchmal wünschen, dass die stille Mehrheit so laut wäre, wie die vielen lauten Minderheiten. Ich vermisse Schlagzeilen wie: "Größter Wohlstand aller Zeiten." oder "Längste Lebenserwartung der Menschheitsgeschichte" oder "Unsere Armen reich wie Adelige vor 100 Jahren." oder "Rechtsstaat funktioniert zu 95%" Aber wer will das schon lesen. Kein Drama, Baby.

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julbing

julbing bewertete diesen Eintrag 07.03.2016 11:39:35

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