Bei einer Tasse Kaffee mit einem Bekannten äußerte dieser zum Thema politisches Engagement und Ehrenamt:

"Es sind schon ganze Völker ausgerottet worden, weil es irgendjemand gut gemeint hat."

Wenn man ganz genau hinschaut, kann man an dieser zugespitzten Aussage leider viel Wahres erkennen. Wir unterhielten uns über 'Benefizkolonialimus' (diesen Begriff habe ich zuerst aus dem Mund des Juristen und Theaterintendaten Christoph Nix gehört), schlecht informierte Gutmenschen, gefährliche Naivität und darüber, wieso es so verdammt schwer zu fallen scheint, einfach mal zu fragen: "Was brauchst du überhaupt?", also: Wie kann ich dir wirklich helfen?

Ein Unterthema dessen wurde dann zum Hauptthema eines weiteren Kaffeegesprächs, das ich mit einer Freundin wenige Tage später führte...

Wir saßen am Strand und besprachen ein politisches Event, an dem wir beide mitwirken. Irgendwie landeten wir angesichts des nicht sonderlich üppigen Speisenangebots am Ort unseres Gesprächs beim Thema Welternährung.

Sie selbst ist auf mehreren Kontinenten aufgewachsen und ich schätze daher ihre Sicht, ihre Einblicke und ihr persönlich erworbenes Hintergrundwissen zu vielen Themen sehr.

"Wenn hier Quinoa verkauft wird, weil es alle so toll finden, dann können es sich die nicht mehr leisten, die eigentlich davon leben.",

sagte sie, als ich passend zur Bundestagswahl die deutsche Form der Entwicklungshilfe in Frage stellte. Ich musste kurz schlucken, denn Quinoa bereite ich zwar nie selbst zu, aber ich hätte doch nie darüber nachgedacht, dass sein Genuss solchen Schaden anrichten könnte. Und dann fielen mir Waschnüsse ein. Stimmt. Die hatte es früher im Weltladen gegeben, in kleinen Stoffsäckchen. Ich - damals in der ersten eigenen Wohnung - hatte sie gekauft und damit stur gewaschen, obwohl die Wäsche danach nicht immer so frisch roch wie mit dem (zwar auch ökologischen aber doch deutlich herkömmlicheren) Waschmittel, das ich von Zuhause gewohnt war.

Kurze Zeit später fand ich allerdings heraus, dass dadurch, dass Menschen wie ich hier mit Waschnüssen waschen - egal, wie fair gehandelt diese auch sein mögen - dies keine guten Auswirkungen auf die indische Bevölkerung hat, die diese normalerweise zum Waschen verwenden. Durch unsere von ethischer Korrektheit getriebene Gier nach besonders nachhaltigen Lösungen haben wir dieses traditionell indische Produkt so teuer werden lassen, dass es sich dort kaum noch jemand leisten kann... ein ähnlicher Zusammenhang also wie der mit dem oben genannten Quinoa.

Überhaupt treibt mich in letzter Zeit wieder verstärkt der Zwist zwischen "gut gemeint" und "gut gemacht" um.

Ja, die Welt ist komplex und nein, niemand kann allwissend sein.

Aber darf man nicht gerade von engagierten Menschen erwarten, dass sie sich zuerst gründlich informieren, bevor sie - zumeist unbezahlt, also ehrenamtlich - ihre Lebenszeit für etwas aufbringen? Oder enorme Summen spenden?

Die obige Forderung kennen sicher viele, sie ist beinahe zum geflügelten Wort geworden, obwohl sie gar keinen Sinn ergibt. Natürlich ist es (ökologisch) sinnvoll, keine Lebensmittel zu verschwenden. Natürlich ist es (ethisch und sozial) wichtig, die Menschen um einen herum nicht außen vor zu lassen. Natürlich gibt es Katastrophen, bei denen man nur mit Hilfsgeldern den Schaden wieder richten kann und natürlich kostet so ein - notwendiger - Brunnen in Afrika Geld (ich habe mir sagen lassen, mindestens 30 000€), das man von hier aus einfacher spenden kann, weil wir hier nunmal im Durchschnitt deutlich mehr haben.

Trotzdem hat MEIN leer gegessener Teller wenig Einfluss auf den knurrenden oder gar aufgeblähten Magen eines hungrigen Kinds in Afrika.

Einfluss haben aber sehr wohl die Exporte zu Dumpingpreisen an Weizen, Fleischteilen, die nicht fein genug für europäische Mägen sind und daher im Supermarkt gar nicht mehr angeboten werden und die Lebensmittelpreise in den afrikanischen Ländern ruinieren, so dass dortige Landwirte ihre Ware nicht mehr verkaufen können. (Einfuhrzölle gibt es nicht, hiesige Agrarsubventionen tun ihr Übriges, um diesen Handel zu ermöglichen.)

Hier müssen wir politisch aktiv werden und gerade jetzt zur Wahl eben auch ganz genau hinschauen... und natürlich können wir auch etwas tun, indem wir ganz bewusst einkaufen und den Konzernen zeigen, dass wir ihre Praktiken ablegen.

Wobei ich mich manchmal frage, ob mein Fleischvermeiden nicht sogar die obigen Exporte noch fördert? Es wird ja weniger Fleisch gegessen, aber nach wie vor gleich viel produziert.

Schütze ich also Tiere und nehme dafür in Kauf, dass anderswo noch mehr Menschen verarmen?

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