Jede Kultur braucht für ihr dauerhaftes Bestehen nicht nur Menschen, die sie ideell leben, sondern auch einen entsprechenden Raum, der je nach Größe der Population eine Region, eines oder mehrere Länder oder sogar einen Kontinent umfassen kann. Man nennt das heute üblicherweise Kulturkreis.

Kultur ist definitiv nicht (nur) das, was man fallweise im Museum oder Theater auslebt. Kulturelle Ereignisse sind nur Emanationen von etwas Größerem, Fundamentalen: Kultur be- und entsteht grundsätzlich aus Lebensweise, Wertehaltung, Sozialverhalten, Gesellschaftsstruktur, Rechtssystem, bildender Kunst, Musik und Literatur. Diese Entitäten erzeugen die Kultur und im Gegenzug befestigt diese wiederum die genannten Fundamente.

Kultur ist also nichts statisches, sondern im Sinne ihrer eigentlichen Wortbedeutung etwas lebendiges und daher auch stetigen Änderungen und Entwicklungen unterworfen. Und doch ist sie für ihren jeweiligen Raum über lange Zeitabschnitte immer charakteristisch und beständig, da ihre Metamorphosen meist langsam passieren. Ausnahmen stellen Eroberungskriege,

Revolutionen und große Migrationsbewegungen dar.

Eine solche Migrationsbewegung erleben wir gerade, besser gesagt: den Beginn derselben. Die Hintergründe der aktuellen Migration, der noch immer herrschende haarsträubende Mangel in der Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsmigranten, die einseitige Berichterstattung darüber, die Fragen des Bleiberechts, das Faktum der rechtsstaatlichen Mankos bei Grenzsicherung und Personenkontrolle sowie die generelle Fragwürdigkeit vor allem der deutschen Migrationspolitik sollen hier nicht Thema sein. Es geht ja um die Kultur.

Die zentralen kulturellen Fragen sind: was werden Millionen Menschen, die binnen kurzer Zeit aus einem völlig anderen Kulturkreis nach Europa kommen, mit ihrer in vieler Hinsicht konträren Kultur hier anfangen? Und was könnte dieser massive und konfliktträchtige Input von gegensätzlichen Haltungen mit den europäischen Werten und mit unseren zahlreichen, für ihre Toleranz fast schon verschrieenen Europäern machen?

Für die Migranten gilt zweifellos dasselbe wie für alle Menschen, die in einer kulturellen Gemeinschaft leben: Kultur braucht Raum und den wird sie sich nehmen wollen.

Dazu gibt es drei Szenarien:

1. Die weitere und massive Zunahme von Parallelgesellschaften. Auf diese Weise können sich hermetisch abgeschlossene Communities vor allem in Städten entwickeln, mit allen negativen sozialen Folgen. Die in Deutschland bereits da und dort existenten No-Go-Areas, die laut der deutschen Autorin und Polizistin Tania Kambouri selbst die Polizei nur höchst ungern betritt, sind da nur der üble Anfang, ähnlich den berüchtigten Banlieus in Paris.

Es ist übrigens dem bekannten Migrationsforscher Paul Collier zufolge eine Tatsache, dass der Trend zur Parallelgesellschaft umso stärker wird, je größer eine Auslandsgemeinde ist. Die im Namen einer falsch verstandenen Humanität und Toleranz geduldete, ja sogar gewollte unkontrollierte Zuwanderung ohne Grenzen befördert also genau jene Situation, die alle vermeiden wollen. Von der durch die unkritische und einladungsmanische Migrationspolitik ermöglichten und völlig unnötigen Einreise jener Vielen, die a priori gar kein Recht dazu haben, ganz zu schweigen. "Humanität ohne Vernunft führt in die Hölle", sagte der tschechische Kardinal Duka in stark überspitzter Formulierung unlängst dazu. Aber im Kern hat er recht: Die Vernunft muss auch in der Migrationskrise regieren.

2. Der offene Verdrängungskampf. In den rasch wachsenden Parallelgesellschaften wird vermutlich das Konfliktpotenzial steigen. Und da geht es nicht um Terror und Anschläge, sondern ganz simpel um den Anspruch der kulturellen Hegemonie, wenigstens in der eigenen Community. Zumindest eigene Areale der Gerichtsbarkeit (Scharia) sind ja schon da und dort gefordert worden. Prominentester Förderer der Scharia in Europa war noch vor der Migrationskrise paradoxerweise der ehemalige Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams. In England ist diese Debatte im vergangenen Dezember wieder voll entbrannt: Frauenrechtlerinnen aller Lager wollen, dass Premierminister Cameron einen "ban" über die schon länger existierenden privaten Scharia-Gerichte ausspricht. Die Protestierenden sehen in diesen als Beratungsstellen geführten Einrichtungen ein Instrument zur Unterdrückung von Frauen.

Aber natürlich möchten die strenggläubigen Moslems nach der Scharia leben. Und man mag das goutieren oder nicht, aus deren Weltsicht heraus, in der Staat und Religion (noch) nicht getrennt sind, ist das für sich betrachtet sogar legitim. Auch scheint das scheibchenweise Einführen der Scharia bis jetzt mangels klarer Haltung vor allem in Deutschland zu funktionieren: In Berlin leben nach Schätzungen der Polizei bis zu 30% der Araber in Polygamie: die eine Ehe schließt der Staat, die andere der Imam. Der Staat erfährt davon nichts. Und finanziert wird die meist bald kinderreiche Familie dann über Hartz IV.

Die Frage brennt also, aber die im Humanitäts- und Toleranz-Modus schwurbelnden Teile Europas wissen noch keine klare Antwort auf die grundlegenden kulturellen Unterschiede und die daraus hervorgehenden Ansprüche. Dabei kann die Antwort nur Ja oder Nein lauten, mit jeweils allen Konsequenzen. Tertium non datur.

Szenario Nummer 3 kann daher nur heißen: Explizit die Anpassung der Migranten durch forcierte Integrationsmaßnahmen anstreben. Das ist die einzige Möglichkeit, die drohenden kulturellen Konflikte zu verhindern. Da die Multi-Kulti-Gesellschaft nicht funktioniert (das geben mittlerweile auch schon viele linksideologische frühere Verfechter derselben zu), muss nach einem klaren Codex die Integration jener, die ein dauerhaftes Bleiberecht bekommen haben, zum prioritären Ziel werden.

Dazu ist es aus kultureller Sicht nötig, dass vor allem diejenigen, die den schon existierenden europäisch orientierten Islam weiterentwickeln wollen, massiv unterstützt werden (so wie das jetzt im 50-Punkte-Programm von Außenminister Kurz vorgesehen ist). Europa darf und muss den Islam und seine europäischen Vertreter auffordern, durch rasche Evolution eine Einpassung ins europäische Gefüge zustande zu bringen. Der Göttinger Professor Bassam Tibi begann schon in den 90ern, hier eine führende Position einzunehmen. In Österreich ist wohl der Wiener muslimische Religionspädagoge Ednan Aslan die aktuelle Autorität für die Etablierung eines europäischen Islam.

Wir brauchen den intellektuellen Diskurs über den Islam in Europa und natürlich die Reduktion der da und dort geäußerten religiös-kulturellen gesamthaften Ansprüche auf die persönlichen und privaten Bereiche. Das lässt die freie Religionsausübung ungehindert zu und erlaubt selbstverständlich auch das sichtbare Bekenntnis zum Islam. Aber die Hegemonie der europäischen Werte, die Hoheit des säkularen Rechtsstaats, die Tradition der Aufklärung und des Christentums dürfen dadurch weder in Frage gestellt noch politisch, kulturell oder sonstwie angegriffen werden.

Man möge jetzt bitte nicht behaupten, dass damit eine Diskriminierung stattfinden würde. Im Gegenteil, dies ist eine Gleichstellung: Keine Religions- oder Kulturgemeinschaft darf sich über den Rechtsstaat und über die zivilisatorischen Errungenschaften Europas erheben. Wer dies will, kann nicht bleiben.

Und wer bleiben will, der muss sich in den grundsätzlichen Bereichen anpassen, das ist eine Bringschuld. Dazu ist es aber auch nötig, dass jene, die kein Bleiberecht erhalten, so rasch wie möglich wieder in ihr Herkunftsland zurück geschickt werden. Und um eine machbare, geordnete und nachhaltige Integration zu erreichen, ist es absolut indiziert, Obergrenzen der Aufnahmekapazitäten festzusetzen.

Fotolia/Jale Ibrak

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