Spätestens seit den Wahlen in der Steiermark und im Burgenland sollten wir beginnen, übers Geld zu reden.

Konkret und allgemein verständlich, denn es liegt in der Natur der Sache, dass beides tabuisiert wird: der Reichtum und die Armut - und ja, es ist kein Zufall, dass der Reichtum einen männlichen Artikel sein eigen nennt, und die Armut auch grammatikalisch weiblich ist. Reden sollten wir, und zwar vor allem in den Gratisblättern, über die Folgen der aufgehenden Vermögensschere. Aber über Geld spricht man nicht - man hat es. Oder eben nicht - wofür man sich schämt und schweigt und in Österreich desaströs wählt. Das große Schweigen rund ums Geld beweisen derzeit u.a. auch eindrücklich die geschwärzen Akten im Hypo-Untersuchungsausschuss. Und mir fällt Balzac ein, der meinte: „Hinter jedem großen Reichtum steht ein großes Verbrechen.“ Aber das nur am Rande.

Die MeinungsmacherInnen würden uns einen großen Gefallen tun, wenn sie sich trauen würden, Tacheles zu reden, wenn es um den Erwerb von Reichtum geht. Denn den kann man sich in den allerseltensten Fällen erarbeiten. Erben und Heiraten ist die Devise. Durch das Verschleiern dieser Tatsache hängen aber diejenigen, die sich vom Abstieg bedroht sehen, der Illusion nach, „es doch noch schaffen zu können.“ Und das ist brandgefährlich.

Nicht nur, weil das Märchen vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird, den Turbokapitalismus entfesselte, der sich munter darauf spezialisiert hat, die Mittelschicht in die Historie zu katapultieren, nein, das Vertuschen der gesellschaftspolitischen Ursachen, die die Arbeitslosenrate und die Mieten in die Höhe schnellen lassen, produziert eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die die einzige Expertise der FPÖ ist: Flüchtlinge, Obdachlose, BettlerInnen und Arbeitslose werden als Feinde geortet und nicht das System, das diese produziert (was der linke Ansatz wäre).

Folgen davon sind, laut der Armutsforscherin Mag.a Margit Appel,drei Punkte:

  • Depression: die Studie der grandiosen Marie Jahoda zu den Arbeitslosen im Marienthal widerlegt den Mythos, dass die Menschen immer auf die Strasse gehen, wenn es ihnen so richtig schlecht geht. Nein, sie können sich auch in ihre Lethargie zurückziehen und nehmen, weil es „eh scho wuascht is“ Risiken auf sich, indem sie sich in Schulden stürzen und/oder Raubbau an ihrer Gesundheit treiben.
  • Underdogs ausrufen: das Finden von Schuldigen in dem Pool von Menschen, denen es noch schlechter geht, ist ein psychologisches Phänomen, das man auch Mobbing nennt. Mobbing geht immer von schwachen Menschen aus, die sich über die Abwertung von anderen selbst erhöhen. Die beobachtende Gruppe reagiert mit Solidarität, allerdings nicht mit den Opfern sondern mit den Tätern, um sich selbst aus der Gefahrenzone zu nehmen.
  • Politisches Verhalten: die VerliererInnen solidarisieren sich mit den Eliten. Das klingt nicht sonderlich klug, ist es auch nicht. Weil dadurch bei den Wahlen tendenziell die gestärkt werden, die gegen das eigene Interesse handeln. Dahinter steckt die Angst, dass, wenn sich etwas ändert, „die Anderen“ davon profitieren, und die Hoffnung, „es selber schon noch zu schaffen, wenn man brav ist“ oder zumindest „nicht noch mehr zu verlieren“, frei nach dem Motto „Rette sich wer kann“. Was ein tragischer Irrtum ist.

Die Entwicklung des Bewusstseins ist eine evolutionäre und anstrengende Angelegenheit und deswegen langsam. Dass die Sicherung von Bildung, Gesundheit und die Umverteilung im Sozialstaat das Gebot der Stunde ist, wird zwar von vielen PolitikerInnen gebetsmühlenartig wiederholt und auch umgesetzt - danke Kreisky! - es ist aber nicht so sexy wie das Ausrufen billiger Parolen im offenen Hemd auf Ibiza.

In einer Demokratie liegt die Verantwortung auf vielen Schultern. In unsicheren Zeiten wächst die Sehnsucht nach der einen starken. Wir wissen, wohin das führen kann.

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Daniela Noitz

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WasMichBewegt

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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