Ich hatte ein Gespräch mit einer Bekannten, die in einer Einrichtung Flüchtlingskinder und jugendliche Geflüchtete betreut. Sie erzählte mir unter Anderem von einem Jungen, der seine Familie in Zentralafrika hat sterben sehen, jetzt Deutsch büffelt, aber immer noch unter Albträumen leidet. Klar hätte sie auch Problemfälle, doch die Mehrheit der Menschen, mit denen sie zusammen arbeitet, sei liebenswert. Jeder von ihnen hätte sein eigenes Schicksal. Gleichzeitig lese ich von einem Syrer, der gerade mit einem Lkw mehrere Menschen töten wollte und offensichtlich ein Islamist war, der für unsere Gesellschaft, die ihn mit offenen Armen empfangen hat, nur Hass empfindet. Und nein, auch das ist längst kein Einzelfall mehr - ein Blick in die Pressemeldungen der Generalbundesanwaltschaft spricht Bände. Spätestens seit der Kölner Silvesternacht wissen wir, dass viel zu viele unseren Schutz nicht verdient haben.

Beide Seiten gehören zur Wahrheit, aber beide Seiten werden in der hochemotionalen Debatte nicht gut und differenziert beleuchtet. Es gibt nur noch das große „Hallo“ oder das hässliche „Hau ab“. Während auf der einen Seite Menschen die negativen Seiten der Migration vollkommen ausblenden und Migranten wie Kuscheltiere behandeln, fallen auf der anderen Seite Begriffe wie „Invasoren“ oder „Parasiten“. Beide Seiten begehen dabei den Fehler, Menschen zu kollektivieren und nicht mehr als Individuen zu sehen. Politik und Medien, die die negativen Seiten anfangs fast völlig ausblendeten, haben einen gehörigen Anteil an dieser Lagerbildung.

Ich wünsche mir eine Politik, die Radikale und Gewaltverbrecher abschiebt, aber gleichzeitig Menschen - besonders Kinder -, die sich wirklich einbringen und die wirklich in Not sind, fördert. Eine Politik, die fördert, aber auch fordert. Eine Politik mit Augenmaß, in der Verantwortungs- vor Gesinnungsethik kommt. Ich wünsche mir eine Debatte jenseits von „Gutmensch“ und „Nazi“, in der jeder seine Ängste sagen kann und in der differenziert alle Aspekte beleuchtet werden. Die Einseitigkeit und die platten Keulen aller Lager gehen mir zunehmend auf den Senkel.

Ich werde jetzt nach Spanien fliegen, aber danach die Einrichtung für geflüchtete Jugendliche besuchen und euch davon berichten. Lasst uns versuchen, die Debatte sachlich zu führen, nicht zu pauschalisieren, zu kritisieren, aber bei allem, was wir tun, das Menschsein nicht vergessen.

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