Deutsches Gericht: Rechtsgut Tierwohl rechtfertigt Hausfriedensbruch

Diese Tage ist ein sehr erfreuliches Urteil eines deutschen Gerichts in Haldensleben öffentlich bekannt geworden. 3 TierschützerInnen waren in eine Schweinefabrik eingedrungen und hatten gefilmt. Sie bekannten sich zu der Tat und wurden wegen Hausfriedensbruch angeklagt. Jetzt wurden sie freigesprochen. Zwar liege Hausfriedensbruch vor, so der Gerichtssprecher, doch das Tierwohl wiege schwerer.

Eine sehr erfreuliche Entwicklung, Tierwohl als Rechtsgut in einer Güterabwägung anzuerkennen. Zwar geht das nur indirekt über das öffentliche Interesse am Tierwohl solange Tiere als Sachen gelten, trotzdem sind auch in Österreich solche Entscheidungen möglich. Im März 2003 war ich zusammen mit einer Redakteurin des Falter in eine Legebatterie eingedrungen und hatte sogar 7 Hennen mitgenommen und in die Notaufnahme der Vet-Uni gebracht. In erster Instanz verurteilte man mich zu einer bedingten Geldstrafe, doch in zweiter Instanz am Landesgericht St. Pölten wurde ich freigesprochen, obwohl ich mich ja zu der Tat bekannt hatte. Das Gericht sah meine Handlung nicht als strafwürdig an, ich hätte im öffentlichen Interesse gehandelt. Das Tierwohl der Hennen stand über dem Eigentumsrecht des Legebatteriebetreibers.

Anfang Oktober 2015 habe ich 17 Rebhühner befreit und in das Wiener Tierschutzhaus gebracht, die bei Mensdorff-Pouilly im Südburgenland in einer Voliere darauf warten mussten, für zahlende Jagdgäste zum Abschuss ausgesetzt zu werden. Ich habe mich öffentlich dazu bekannt, siehe https://www.fischundfleisch.com/martin-balluch/ich-habe-eingebrochen-und-17-sachen-gestohlen-1358. Einige KommentatorInnen haben mir ein Strafverfahren prophezeit. Daraus wurde aber nichts. Die Staatsanwaltschaft hat das ganze nie aufgegriffen, ich wurde nicht einmal einvernommen, gar nichts ist geschehen. Da kam wohl wieder das Tierwohl vor dem Eigentumsrecht, wie es sich für eine Gesellschaft, die Tierschutz als Staatsziel in der Verfassung stehen hat, gehört.

Vor 2 Wochen entschied das Wiener Oberlandesgericht in einer Klage des Salzburger Gatterjägers Max Mayr-Melnhof gegen mich. Er hatte das Gericht aufgefordert, mir zu verbieten, Aktionen gegen ihn durchzuführen und seinen Namen bei öffentlicher Kritik zu erwähnen. 6000 Euro Schmerzensgeld wollte er sogar. Er ist damit aber nun auf allen Instanzen abgeblitzt. Das Oberlandesgericht entschied, dass unsere Kritik am Jagdgatter im Kern wahr ist und dass er diese Aktionen gegen ihn dulden muss, auch wenn wir dabei seinen Namen und Bilder von seiner Person verwenden.

So also ist die Rechtslage. Das könnten sich insbesondere jene Personen hinter die Ohren schreiben, die kleingeistig nach „Recht und Ordnung“ schreien, wenn jemand in Tierstallungen filmt oder Tierschutzaktionen durchführt. Diese Tierschutzaktivitäten sind offenbar rechtens und Punkt. Interessant, dass unsere kleinbürgerlichen Kleingeister das nicht anerkennen werden wollen. De facto kommt es bei der Auslegung von Gesetzen immer zu Rechtsabwägungen, so ist es z.B. verboten, Flugblätter ohne behördliche Genehmigung auf der Straße zu verteilen, außer es handelt sich um aktuelle politische Themen ohne kommerzielles Interesse. Auch dazu gibt es ein Höchstgerichtsurteil, dass man dann auch ohne Genehmigung verteilen darf, z.B. im Rahmen einer Versammlung aber auch ohne. Ähnlich darf man im Rahmen einer Versammlung auch mit einem Fahrzeug gegen die Einbahn fahren oder auf dem Gehsteig stehen, wenn das die Meinungsfreiheit erfordert.

Manchmal denke ich mir, die „Recht und Ordnung“-SchreierInnen, die beim gegenwärtigen Rechtsruck von allen Seiten aus ihren Löchern kriechen, meinen gar nicht unsere Rechtslage, sondern sie sind einfach gegen jede Form von Protest. Gesellschaftskritische Aktivitäten, wie Tierschutz, lehnen sie grundsätzlich ab. Man habe sich an den Status quo in der Gesellschaft anzupassen und aus. Oft wird auch das Eigentumsrecht verabsolutiert. Durch Tierschutz solle es jedenfalls nicht eingeschränkt werden dürfen.

Kürzlich hörte ich einen erschütternden Vortrag von TierschützerInnen aus Weißrussland. Dort herrscht ein totalitäres System, es gibt kein Demonstrationsrecht. Tierschutzflugblätter darf man grundsätzlich nicht verteilen, bei Übertretung drohen Festnahmen und hohe Geldstrafen. In Weißrussland gibt es überhaupt kein Tierschutzgesetz, das Eigentum am Tier ist unbeschränkt. So sieht „Recht und Ordnung“ nach einem Rechtsruck aus! Wie kann man da die Gesellschaft ändern und das Los der Tiere erleichtern oder andere zivilgesellschaftliche Fragen angehen?

Und, liebe kleingeistigen KleinbürgerInnen, liebe „Recht und Ordnung“-SchreierInnen, wäre Weißrussland Ihr Paradies? Endlich keine lauten Demos mehr in Einkaufsstraßen, die Gutmenschen mit Gewalt zum Schweigen gebracht. Friedhofsstille! Ich hätte einen Vorschlag: auswandern. Wenn ein derartiges politisches System so toll sein soll, dann bitte sehr, hier hält Sie niemand, auch in Nordkorea wäre noch ein Plätzchen frei. Mir würden diese Leute in Österreich jedenfalls nicht abgehen.

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