Warum wird in Österreich die Natur so zerstört?

Gerade bin ich wieder von 3 Wochen Wanderungen mit meinem Hundefreund zurück. Ich liebe es, draußen in der Natur zu sein, im Zelt zu übernachten, und keine Spur von Menschen zu sehen. Die Wanderkarten nutze ich nur, um Gebiete ohne Wege und Hütten und Almen zu finden. Ich möchte die Natur spüren, ihre rohe Ursprünglichkeit. Und ich möchte die Sicherheit der menschlichen Zivilisation aufgeben. Ohne Handy will ich die Gefahren der Wildnis erleben, vom Gewitter bis zur Begegnung mit wilden Bären.

Aus Ostösterreich ist es nicht sehr weit in die Südkarpaten und so war ich bis zum letzten Wochenende wieder einmal dort unterwegs. Zum siebenten Mal, genau genommen. Und jedes Mal komme ich mit der Frage zurück, was bei uns so falsch gelaufen ist, dass die Berge hierzulande mit den Karpaten nicht konkurrieren können. Wildnis ist in Österreich mehr oder weniger ein Fremdwort.

6000 Hektar bietet der größte Urwald der Südkarpaten, im Vergleich zu den schmächtigen 500 Hektar unseres Rothwaldes, der als der größte Urwald Mitteleuropas gilt. Aber nicht nur das. Wo ich in den Südkarpaten die Wälder betrete, befinde ich mich sofort in oft uralten, gemischten Baumgesellschaften mit Buchen und Tannen. In Österreich dagegen dominieren überall die Fichtenmonokulturen. Gleichaltrig, in Reih und Glied, ein reiner Nutzwald ohne Unterwuchs, und bis zu 1400 m Seehöhe artfremd. Dazu quert alle 100 m eine unterschotterte Forststraße oder eher Forstautobahn, auf der JägerInnen mit 60 Sachen vorbeibrausen und mich im Staub zurücklassen.

In Rumänien habe ich nie ein Jagdgatter gesehen, auch kein Wintergatter und nicht einmal Futterstellen für Paarhufer. Trotz vieler Monate Wanderungen ist mir auch noch nie ein Jagdstand untergekommen. Jagdgruppen traf ich schon, aber diese erklärten mir nur mit einer Lizenz auf gewisse Tiere unterwegs zu sein, pachten könne man hier keine Reviere. In Österreich dagegen finden sich im obersteirischen Bezirk Liezen alleine 100 Wintergatter. Überall sind Rot- und Rehwildfütterungen zu sehen und Jagdstände gibt es ohne Ende. Das auf diese Weise zu hohen Populationsdichten aufgemästete Wild frisst, bis auf die Jungfichten, den gesamten Nachwuchs an Bäumen auf.

Geht man in den Südkarpaten weglos durch die Wälder, trifft man jeden zweiten Tag auf Bärenspuren und jede Woche einmal auf einen lebendigen Bären. Regelmäßig hört man Wolfsheulen und sieht Wolfsspuren. Sogar wilde Bisons sind mir schon begegnet und einmal traf ich auf einen Luchs. In Österreich sind alle diese Tiere schon längst ausgerottet und jedes Mal, wenn sich einzelne Individuen aus den Nachbarländern zu uns verlaufen, werden sie sofort abgeschossen. Österreich ist neben den britischen Inseln und Holland das einzige Land Europas ohne Wölfe.

Was ist da falsch gelaufen? Meine These: der Großgrundbesitz. Speziell im waldreichen Ostösterreich hat sich der Adel und das Finanzkapital den Zugriff auf große Ländereien gesichert, zunächst im 18. Jahrhundert als Energielieferant für die Industrie, später dann für die Forstwirtschaft – und immer schon als Jagdgebiet, anfangs nur für den Adel und ab 1848 auch für das reiche Großbürgertum. GroßgrundbesitzerInnen haben die finanziellen Ressourcen um die Natur total auszubeuten, ob forst- oder jagdwirtschaftlich. Ist der Wald im Besitz vieler kleiner LandwirtInnen, gibt es weder Kahlschlag noch eine Ausrottung der Raubtiere. Doch der Kapitalismus fordert vom Großgrundbesitzer, aus Grund und Boden Profit zu schlagen, und zwar so viel wie möglich. So hätte auch der Wienerwald völlig abgeholzt werden sollen, wurde aber durch eine zivilgesellschaftliche Protestinitiative gerettet.

Und jetzt beginnt dieser Prozess in den Südkarpaten. Große Landflächen aus dem kommunistischen Erbe werden an die Meistbietenden verschachert. Und diese sind Großindustrielle mit klarem Profitinteresse. Der Kahlschlag hat begonnen, ein Netz von Forststraßen verbreitet sich wie ein Krebsgeschwür, und die Ausrottung der Großraubtiere droht. Die ersten ausländischen Jagdverbände drängen bereits darauf, wie hierzulande Reviere pachten zu können.

Doch wir müssen aus der Erfahrung in Österreich lernen. Die Natur ist ein Allgemeingut, sie darf nicht am Profit gemessen werden, der aus ihr zu gewinnen ist. Die Trophäenjagd gehört zusammen mit der künstlichen Fütterung und Zucht von Tieren für die Jagd, ohne wenn und aber abgeschafft. Die Wälder sollten der Allgemeinheit gehören und so dem Zugriff des Raubtierkapitalismus entzogen werden. Nur so lässt sich eine lebenswerte Welt erhalten.

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Unplugged 1-Stein

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fischundfleisch

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