Max Neumeyer

Von einem, der die Schnauze voll hat.

Teil 5

Die Nenzen sind Rentiernomaden in der sibirischen Tundra. Die sibirische Tundra ist vielleicht nicht das angenehmste Fleckchen Erde das wir uns vorstellen können, aber es ist die Heimat eben jener Nenzen, die hier als Beispiel für ein klassisches Nomadenvolk herhalten müssen. Auch wenn ein großer Teil der Nenzen bereits sesshaft geworden ist, so gibt es immer noch rund 2000 Vollnomaden, die mit ihren freundlichen Rentieren durch Taiga und Tundra ziehen und sich ganz traditionell in Rentierfell kleiden. Wenn sie weiterziehen, bauen sie ihre Zelte ab, geben ihren Rentieren einen familiären Klaps auf den Hintern und suchen sich sich einen neuen Platz zum „Campen“. Wenn man einen Nenzen fragt, was ein Immobilienmakler ist, wird man mit Sicherheit nur fragende Blicke ernten. Zurecht.

Bei der Planung unseres „Ausstiegs“ haben meine wunderbare Frau und ich uns entschieden, die Hilfe eines Maklers in Anspruch zu nehmen. Der Verkauf unseres Hauses im Bezirk Baden sollte möglichst rasch über die Bühne gehen und nach zehn Privatführungen durch unsere Privatgemächer hatten wir die Schnauze voll (siehe Teil 4). Da wir bislang nicht die besten Erfahrungen mit Immobilienmaklern gemacht haben, und sich bereits rund 80 Makler telefonisch bei uns gemeldet haben und wie die Geier über unsere Immobilien-Anzeige kreisten, fiel uns die Entscheidung nicht leicht.

Unsere erste Wahl fiel auf eine junge Maklerin, die sich erst zwei Wochen zuvor selbstständig gemacht hatte. Sie tat uns irgendwie leid und wir wollten ihr die Chance geben, ein Haus in einer begehrten Wohngegend zu verkaufen. Anscheinend war Mitleid nicht der richtige Entscheidungsgrund, denn nach zwei Wochen hatte sie es nicht geschafft auch nur einen einzigen Besichtigungstermin auszumachen, obwohl wir alle Anrufe die bei uns eingelangt waren an sie weitergeleitet haben. Keine Ahnung, wie sie das gemacht hat.

Jetzt musste ein Vollprofi her. Über eine große internationale Immobilienfirma wurde uns ein solcher vermittelt. Uns was für einer. Mister X war entweder eine Wucht oder ein Blender. Mit dickem BMW, teurem Outfit und fesch frisiert kam er zum Erstgespräch in unser Haus und legte seine Referenzmappe vor. Egal ob Rohbau-Villa im Überschwemmungsgebiet, ehemaliges Bordell an der Autobahn oder Nomaden-Jurte in der Taiga: Er kann alles zum Bestpreis verkaufen. Hat er gesagt. Nach einer Woche Bedenkzeit – Menschen mit riesigem Selbstvertrauen machen uns normalerweise immer sehr skeptisch – gaben wir ihm dem Alleinvermittlungsauftrag. In drei Monaten sei unser Haus verkauft. Ja, das hat er gesagt.

Während Mister X sich übermotiviert ans Werk machte und an manchen Tagen fünf Besichtigungen in unser Heim schleppte, machten wir uns auf die Suche nach einem neuen Heim im Grünen. Eilig hatten wir es ja nicht, dachten wir, also könnten wir uns mal umschauen. Falsch gedacht.

Die ersten Häuser, die wir besichtigt hatten waren ein Reinfall. Von der ehemaligen Ärztevilla mit dem Charme eines Kriegsverbrechers bis zum Haus an einer Serpentinenstraße und ohne Parkmöglichkeit war alles dabei. Mein Favorit: Ein baufälliges Häuschen in dem wir bei der Besichtigung die ganze Zeit das Gefühl hatten, die Vorbesitzer seien gestorben, ...mitten im Wohnzimmer. Von Termin zu Termin hangelten wir uns immer weiter in den Süden-Burgenlands vor. Bis wir im Bezirk Jennersdorf gelandet sind. Hier sollten wir uns verlieben!

Der Jennersdorfer Makler, ein Deutscher, der sich ebenfalls in die wunderschöne Gegend mit den meisten Sonnenstunden Österreichs verliebt hatte und bereits vor über 20 Jahren hier sesshaft wurde, fuhr mit uns über einen Güterweg mit unzähligen Schlaglöchern, über eine Waldstraße bergauf in einen 400-Seelenort am Kamm eines saftigen Hügels über der Bezirkshauptstadt. Das alte Haus war liebevoll gepflegt und die Besitzer, ein älteres Ehepaar, das gerade Kaiserschmarren vom urigen Holzherd auftischte, führten uns gemeinsam mit dem Makler durch die mit Zierrat vollgestopften Räume. Das Haus mit dem Kaiserschmarren-Geruch (ein Super-Verkaufstrick!) hatte Charme, auch wenn es noch viel zu tun gäbe. Erster Eindruck: SEHR GUT.

Dann kamen wir in den Garten und um mich war es geschehen. Die Aussicht war ein Traum (ist sie übrigens immer noch) und ich sah uns schon mit einem Glas Uhudler und einem guten Buch im Garten entspannen. Lediglich meine wunderbare Frau war noch ein wenig unsicher und sah in erster Linie viel Arbeit. „12500 Quadratmeter Garten, mähst du oder sollen wir regelmäßig Brandroden?“ Ich dachte an Schafe, Ziegen und ungarische Billiglohnsklaven, hatte aber tatsächlich keine Antwort parat, bis der Makler die Garage öffnete. Dort stand, wie von oben mit göttlichem Licht beleuchtet, ein Rasenmähertraktor. Tataaaa! „Der ist beim Haus dabei“, betonte der Deutsche und ich wusste, dass wir unser neues Heim gefunden hatten. Das war eindeutig mein Projekt und auch meine wunderbare Frau schien nicht ganz abgeneigt zu sein. Auch ihr hatte es die traumhafte Lage angetan. Jetzt lag es an mir meine Begeisterung in nachvollziehbare Argumente zu verpacken, denn schließlich hatten wir unser Haus selbst noch nicht verkauft und kein Geld für eine Zusage. Ich musste unser Schicksal in die Hände von Mister X und unserer Hausbank legen und begann bei der Heimfahrt bereits meine Überredungskünste spielen zu lassen. Wenn es nicht klappt, konnten wir uns immer noch den Nenzen anschließen – meine wunderbare Frau sieht sicher auch in Rentierkleidern ganz fantastisch aus. Ich weniger, aber egal. Baba, wir lesen uns.

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Kraut

Kraut bewertete diesen Eintrag 05.04.2016 13:21:21

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