Österreich, ein Luxusland - für Jedermann?

Mit offenen Augen zu Reisen ist die beste Art, unsere Welt kennenzulernen. Ich unterstelle einer Mehrheit an Menschen, die Welt nicht gut zu kennen – es gibt da nämlich eine Diskussion, die es in dieser Weise gar nicht geben würde, wenn dem nicht so wäre. Die Diskussion, was uns denn nun so sehr von „den Anderen“ unterscheiden würde, was uns zu etwas Besonderem machen würde und was am Ende dieses „Österreichische“ sein soll, dass es laut einigen öffentlichen Meinungen ja doch nicht geben kann, das aber andere wiederum so erhaltenswert finden. Nun, wer gewohnt ist in Analogien zu denken wird sehr schnell erkennen was das Österreichische ist, das uns so lieb ist – so fiel es auch mir mit immer ausgedehnteren Reisen immer mehr wie Schuppen von den Augen.

Dieses Land ist nicht nur aufgrund seiner mannigfachen, erhaltenswerten Traditionen einzigartig. Hier finden Glöcklerläufe, Perchtenumzüge, der Nikolausbesuch, Sonnenwendfeuer, das Paschen, das Plochziehen, Erntedankfeste und Maibaumrituale ebenso wie Seeprozessionen, Trachtenaufmärsche, Prangerschießen oder obligatorische Zeltfeste in jedem Dorf statt. Und dann die Bälle! Einen Großteil des Jahres gibt es zu unterschiedlichsten Anlässen Bälle zu den verschiedensten Themen, wobei jeder Markt alleine für diverse Vereine und Körperschaften eigene Bälle veranstaltet – ob Jäger-, Musiker-, Sportler- oder Feuerwehrball, daneben noch Goldhauben- und Trachtenbälle. Diese Vielfalt rührt mitunter von den unzähligen Vereinen her, die neben dem Präsenzdienst einen guten, kleinsten gemeinsamen Nenner in (vor allem) der männlichen Bevölkerung hergeben. Ein zwischenmenschlicher Kitt sozusagen, der viele Bürger fest in der Mitte der Gesellschaft integriert – dort, wo man sich bekanntermaßen am wohlsten fühlt, wo das eigene Potenzial in der Regel am besten ausgeschöpft werden kann. So verwundert auch das enorme Maß an Ehrenamtlichkeit und die dem Gemeinsamen unentgeltlich dargebrachten Stunden nicht so sehr, auch wenn sie unser Heimatland umso einzigartiger machen.

Denn, so darf man sich fragen, in welcher industrialisierten Gesellschaft wird (zumindest außerhalb anonymer Großstädte) noch so viel Wert auf Gemeinschaft und Eintracht gelegt? Eintracht, vor allem vor dem Hintergrund, dass wir längst eine durch und durch pluralistische Bevölkerung haben – eine, die sich ebenso aus Katholiken wie Atheisten, Linken wie Rechten, Gutmenschen wie Hetzern, Armen wie Wohlhabenden und Alten, die ihre Interessen über jene der Jungen (wie auch umgekehrt) stellen, zusammensetzt. Wir sollten uns erinnern, dass alle diese Dinge hier bei uns noch vor wenigen Generationen ganz und gar nicht normal waren – heute gibt es sie, und die Gräben sind immer noch längst nicht tief genug um die Nation unwiederbringlich zu spalten. Natürlich gibt es diese Trends in anderen Staaten auch – doch dort ist es an der Oberfläche selten so ruhig wie bei uns, die wir trotz aller Unterschiede doch immer wieder das Gemeinsame in den Vordergrund stellen. Weder ist es selbstverständlich, dass man für die eigene Meinung keine körperlichen Konsequenzen zu fürchten hat, noch, dass das in einem solchen Falle greifende Rechtssystem auch tatsächlich greift. Beides haben wir in Österreich garantiert.

Aber auch abseits der persönlichen Wohlfahrt (u.a. durch unser extremes Sozialsystem repräsentiert) kann man sich über vieles an diesem Land freuen: So wird bei uns nach wie vor keine Atomenergie erzeugt – wir sind Musterschüler unter allen anderen Nationen mit hohem Energiebedarf, auch wenn wir uns wegen der importierten Atomkraft immer noch die Hände mit schmutzig machen. Unseren Enkeln und Urenkeln werden wir dereinst nicht erklären müssen, warum wir bei dieser irreversiblen Zerstörung planetaren Habitats durch Atommüll(erzeugung) mitgemacht haben. Überhaupt gibt es bis auf den ewig leidigen (wie alternativlos erzwungenen!) Anschluss 1938 nicht besonders viel zu rechtfertigen: Österreich machte sich geschichtlich nie mitschuldig an der europäischen Kolonialpolitik, in den wenigen Fällen (z.B. Bosnien) wurde eine menschlich vorbildliche Arbeit betrieben. Noch heute herumstehende Schul- und Amtsgebäude in Bosnien bezeugen die ehrlichen Bestrebungen des Kaisers – wer ein Land ausbeuten will, baut dort keine Schulen.

Aber auch die Ablehnung gegenüber der Gentechnik wird uns noch einmal zu Gute kommen, sofern sie es nicht schon heute tut. Das Forschungsgebiet würde zwar seinen Zweck versagen wenn wir es nicht doch einmal zur gezielten Gestaltung der Natur verwenden würden, doch habe ich keinen Zweifel daran, dass „wir“ noch weitaus nicht genug Kenntnis über die langfristigen Auswirkungen unseres (derzeit noch völlig unbedachten und rein auf Profitmaximierung ausgelegten) Handelns haben. Sollte die Nutzung von Gentechnik überhandnehmen, muss der Staat alles in seiner Macht stehende tun, um die von ihm verwaltete Landfläche auch zu einer „grünen Insel der Seligen“ werden zu lassen. Es ist ein Glücksfall für jeden hier geborenen, in einer Oase aufzuwachsen, in der schon die Beschaffenheit der Landschaft an sich zur Erholung und Entzückung aufruft. Österreicher wachsen ganz selbstverständlich mit einer hervorragend gepflegten Kulturlandschaft auf – Natur, die zwar nicht mehr wild ist, die den menschlichen Vorstellungen von Ästhetik aber nicht weniger widerspricht, als sie nebenher auch noch nützlich ist. Das ist auch unter herangereiften Industrienationen nicht selbstverständlich. Manche Gegenden Frankreichs muten etwa an wie verelendete Gebiete in Ex-Jugoslawien – und auch diese gehören noch nicht zu den am schlechtesten bewirtschafteten Flächen von entwickelten Ländern.

Neben dem gewohnten Trinken von Leitungswasser und der den heimischen Gewässern überhaupt (beinahe) überall zu eigenen Trinkwasserqualität haben wir Wald und Wild in einer Hülle und Fülle, dass uns viele zu Recht darum beneiden. Doch auch politisch können wir uns einer Stabilität und Friedlichkeit gewiss sein, wie sie nur blockfreie, neutrale Staaten erfahren können. Dieser himmlische Zu-Fall sollte uns allerdings im Hinblick auf die Schweiz stets dazu ermahnen, nicht leichtfertig zu werden. Die Eidgenossen dürfen sich nicht umsonst über viele Jahrhunderte des Friedens freuen, der ihnen heute zu Wohlstand und Prosperität über den Verhältnissen der ohnehin schon reichen Nachbarn verhilft. Nein, sie stützten diesen Frieden beständig auf militärische, und damit die einzig wahre Souveränität. Unmöglich stark genug um andere Länder zu invasionieren (und damit keine Bedrohung) aber stark genug um invasionierenden Ländern eine Unmöglichkeit aufzubürden, sind sie quasi auf Ewigkeit sicher vor Angriffen von außen. Österreich hingegen leistet sich einen anderen Luxus: Es gibt wohl kaum ein Land, das derartig demilitarisiert ist – außer am Nationalfeiertag, bei wiederkehrenden Katastrophen oder in Form von Heeressportlern hat das Heer kaum einen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung. Ein Umstand, der in absolut sicheren Zeiten so entspannend ist, wie er in unsicheren Zeiten beunruhigend ist.

Am Ende aber ist es nicht nur die Gesamtheit von hunderten vorbildlichen und wichtigen Persönlichkeiten, deren Namen fest im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert sind, sondern die entbehrungsreiche Leistung von Millionen, die dieses Land zu einem ganz besonderen Land unter wenigen, einem echten Luxusland, werden ließ. Nur wegen dem Schweiß und dem Blut von solchen Unzahlen unserer Altvorderen, können wir heute ein Leben führen, das schon von Geburt an ein derartig sorgenbefreites ist, dass Milliarden von Menschen ihr Leben auf die Sekunde gegen ein solches eintauschen würden! Nur wegen unseren Ahnen, die nicht zuletzt in liebevoller Voraussicht auf unser besseres Leben damit begannen, Lebenswerke für ihre Kinder und Kindeskinder zu vollführen! Die einzige Art, dieses Erbe in ihrem Sinne fortzuführen wäre, es zu ehren und in die Welt zu tragen um sie daran teilhaben zu lassen. Wir aber gehen an, die Welt zu uns zu tragen um sie an Ort und Stelle daran teilhaben zu lassen, und wenn jemand fragt was das Österreichische sei, dann können wir es ihm nicht nennen – so wird also die Arbeit unserer Vorgänger geschätzt, indem wir sie in einer gedankenlosen Art verhöhnen.

So kommt es, dass sich mit der Frage nach unserer nationalen Identität die Antwort auf damit in Zusammenhang stehende Probleme (wie etwa das Immigrationsproblem mitsamt Asylkrise) von selbst findet. Es macht keinen Sinn, Millionen der Milliarden Hilfsbedürftigen zu importieren und sie quasi „ins kalte Wasser“ mit glücklichen Umständen zu betrauen, von denen schon wir selbst so wenig verstehen, dass wir sie nicht richtig wertschätzen können. Wie sollen wir diese Wertschätzung dann erst von ihnen erwarten? Wie können wir davon ausgehen, dass diese Menschen dann dieses Erbe in derselben Dankbarkeit weiterreichen werden, wie es eine dahinschwindende Minderheit von Autochthonen heute noch praktiziert? Durch solche Denkweisen und die damit einhergehende (Un-)Tätigkeit wird viel mehr zerstört, als dass sie ein paar unwesentliche, gute Entwicklungen rechtfertigen würde. Im Sinne unserer Vorfahren, wie auch im Sinne des Verstandes, möchte ich damit sagen, dass der Welt viel eher geholfen wäre, wenn wir uns all das (Identität, Herkunft, Zukunft) bewusst machen, an einem standfesten, lebenswerten Staat weiterarbeiten und erst von dieser Position der Stärke aus dazu übergehen, in vom Schicksal benachteiligten Ländern und Regionen nach besten Mitteln am Aufbau von Wohlstand [Am Erhalt der Lebensfähigkeit hat sich Österreich ohnehin ungefragt zu beteiligen!] mitzuwirken. Dann, ja dann können wir endlich wieder guten Gewissens ein Heer nach heutigem Maßstab unterhalten und alle Grenzzäune niederreissen.

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Mephistopheles

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