Die Liste fürs Leben

Achtung, Oberflächenalarm. Gemessen an den Beiträgen, die ich in letzter Zeit auf fischundfleisch gelesen habe, ist dieser einer der Seichteren - aber dennoch habe ich gerade ein Bedürfnis, folgendes niederzuschreiben: Ich habe in Amsterdam eine wundervolle Freundin, die ich für ihre Offenheit gegenüber allen Abenteuern, Erlebnissen, aber auch Stolpersteinen, die das Leben so bietet, bewundere. Bei meinem letzten Besuch bei ihr verbrachten wir einen Abend in ihrem kleinen Apartment unterm Dach bei viel Rotwein und erzählten uns vom Leben. Vom Reisen, vom Arbeiten, von Freunden, von der Familie, von den Männern, die gerade so durch unseren Mikrokosmos schwirren. Nach ein paar Gläsern wurde s zu einem sehr lustigen „Hast du eigentlich schon einmal..?“-Gespräch. Und dann stellte Cariene die Frage, die in mir nicht nur einen Stein, sondern eine ganze Schotterlawine ins Rollen brachte: „Hast du eigentlich eine Bucket List“?

Was sie meinte: Eine Liste an Dingen, die man unbedingt noch erleben wollte. Nein, habe ich nicht. Oder besser: Hatte ich nicht. Die elendiglich lange, aber gleichzeitig sehr entspannende Zugfahrt zurück nach Wien verbrachte ich mit Überlegen, Aufschreiben, wieder Durchstreichen, weiter Überlegen, doch noch mal Aufschreiben. Handschriftlich übrigens. Der Laptop erschien mit in diesem Zusammenhang irgendwie unromantisch.

– Die Textilfabriken in Bangladesch mit eigenen Augen sehen.

Ja, das will ich. Ich will endlich einmal wirklich sehen, worüber ich seit über drei Jahren auf ichkaufnix.wordpress.com schreibe. Und gleichzeitig geht mir beim Gedanken daran ordentlich der Reis.

– Einen Sommer in den USA in einem Holzhaus mit typischer Veranda verbringen und am Schaukelstuhl Kurzgeschichten schreiben, Katze am Schoß.

Gemessen an meinem beruflichen Alltag könnte sich das schwierig gestalten, aber ein Ziel ist es. Und wenns eins für die Pension ist.

– Eine Französische Dogge namens Emil großziehen.

Ja, das steht sogar sehr weit oben auf meiner Bucket List. Emil, my love. Toll wird das. Und anstrengend.

– Endlich ein Rezept finden, bei dem Kohl der Hauptbestandteil ist und das mir trotzdem schmeckt.

– Bald nach Kuba.

– Eine aus einem Kriegsgebiet geflüchtete Frau für ein paar Wochen in der eigenen Wohnung aufnehmen.

Die Liste wurde fast zwei Seiten lang. Einige Dinge darauf sind Reisen oder Orte, die ich (teilweise wieder) erleben will. Andere haben mit der grundsätzlichen Ausrichtung meines Alltags zu tun, mit der Frage, wie ich eigentlich leben will. Wiederum andere sind Erlebnisse im zwischenmenschlichen Bereich, die ich hier sicher nicht preisgeben werde, Code „Mama liest mit“.

Obwohl ich abgesehen von Packlisten nichts von Auflistungen halte, war ich begeistert. Die Beschäftigung mit den Dingen, die man noch erleben möchte, ist unglaublich befreiend. Einerseits, weil mir mal wieder sonnenklar wurde, was für eine unbeschreibliche Sau ich habe, in mein Leben ausgerechnet hier hineingeboren worden zu sein – frei in meinen Entscheidungen und meiner Lebensführung als Frau, in einer funktionierenden und manchmal sogar ziemlich liebevollen Familie, wirtschaftlich gut über die Runden kommend und mit der Möglichkeit, in meinen Zielen auch über den Tellerrand hinaus zu denken. Diesen Luxus teile ich wohl nur mit den wenigsten Frauen weltweit.

Andererseits wurde mir auch wieder klar: Ich hab unendlich viele Möglichkeiten. Ich muss nur drauf hin arbeiten, sie zu meinem Ziel erklären. So viele Türen stehen offen. Natürlich ist auch viel von externen Faktoren abhängig: Wie schaut meine berufliche Laufbahn in den nächsten zehn Jahren aus, werde ich halbwegs gesund bleiben, wie werden sich meine Freundschaften entwickeln, wer wird Teil meines Lebens bleiben, wer nicht, welche Schicksalsschläge warten da noch auf mich und wird einer der Frösche, die ich so am Wegesrand sehe, vielleicht in meinen Augen doch mal zum Prinz? Und will ich das überhaupt alles?

Glück, Schicksal, Zufall, Kismet, Rikscha. Wie auch immer man das nennen mag: Es ist die Würze in der Suppe - nur dass wir die Suppe selbst kochen müssen. Dass wir meiner Ansicht nach in weiterer Folge Verantwortung für jene übernehmen sollten, die nicht gar so viele Möglichkeiten wie ich (wie wir?) haben, steht auf einem anderen Blatt Papier und wohl auch demnächst in einem anderen Blogbeitrag.

Ich hasse packen. Ich krieg das einfach nicht strukturiert hin. Vor dem Packen eine Liste zu schreiben, ist für mich die einzige Möglichkeit, nicht ohne Unterhosen, dafür sechs Paar Socken ins Wochenende zu starten. Die Liste ist da also ein notwendiges Übel.Aber Bucket Lists, die machen echt Spaß. Noch nie waren 14 Stunden Zugfahrt so kurzweilig. Leute, schreibt mal auf, was ihr noch so alles erleben wollt. Es macht innere Horizonte auf, es macht glücklich, und es lässt einen träumen. Und hin und wieder tun Träume im stressigen Alltag einfach gut!

Danke, Cariene!

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