Der Einzelfall "Reichsbürger" – Widersprüchlichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

„Drei mal pro Stunde – EIN Thema – DAS Thema – in hr-info.“

So preist der hessische Sender täglich sein Tagesthema an. Hier finden sich häufig tagesaktuelle Ereignisse, über die in 20 Minuten-Abständen berichtet wird. Ich höre gerne hr-info, da der Sender in der Regel recht sachlich und weniger tendenziös als beispielsweise Printmedien wie der Spiegel oder die taz berichtet.

Heute früh was DAS Thema „Militante Verfassungsfeinde? Die Reichsbürger und der Staat“. Das ist in sofern interessant, als das Justizminister Maas diese Bewegung zum Anlass genommen hat, die Waffengesetze in Deutschland zu verschärfen. Die neue Regelung, so berichtet auch hr-info, sieht vor, dass vor der Erteilung des Waffenscheins eine Abfrage beim Verfassungsschutz stattfinden muss. So sollen auch gewaltaffine Reichsbürger nicht legal an Waffen kommen können. Ob das ganze natürlich auch umsetzbar ist, bleibt fraglich: Wer in diesem Land nichts gutes im Sinn hat und an Waffen kommen möchte, schafft das in der Regel auch, weil er die offiziellen Bezugsquellen meidet.

Was im Falle von hr-info jedoch verwundert ist die Tatsache, dass hier über eine Gruppierung (ausführlich) berichtet wird, deren Mitgliederzahl – nach Angaben von hr-info – bundesweit im „unteren dreistelligen Bereich“ liegt, in Hessen gar im „unteren zweistelligen Bereich“. Es wurden also letzten Endes Steuermittel verwendet, um durch das Land zu reisen, zu recherchieren und Interviews zu führen, damit die Zuhörer des hr Informationen über etwa 100-200 (?) Reichsbürger in Deutschland erhalten oder gar über zehn bis zwanzig (?) dieser – man entschuldige meine persönliche Wertung – Spinner in Hessen.

Da fragt man sich schon, ob diese mediale Präsenz für solch eine vergleichsweise kleine und im Endergebnis bislang harmlose Gruppierung gerechtfertigt ist.

Im Gegenzug, und hier wird es für mich nicht nachvollziehbar, möchte sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen – in diesem Falle in Form des ZDF – nicht mehr zu „Einzelfällen“ äußern. Offenbar ist der bislang einzig bekannte Fall, in dem ein „Reichsbürger“ gewalttätig wurde und sogar einen Polizisten tötete, kein Einzelfall!?

Hier wird einmal mehr deutlich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Staatsfunk mutiert. Täglich sieht man auf Facebook und in der Lokalpresse Berichte von Übergriffen gewalttätiger Migranten oder Deutscher mit Migrationshintergrund. Ist der Täter überraschenderweise dann mal Deutscher ohne Migrationshintergrund, muss dies natürlich zwingend erwähnt werden. In den anderen Fällen druckst man sich gerne um die Täterbeschreibung herum. Gerne verwendet man die Umschreibung „südländisches Aussehen“:

http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/50152/3463325

http://www.focus.de/regional/nordrhein-westfalen/gronau-westfalen-polizei-20-jaehrige-sexuell-genoetigt_id_5872728.html

http://www.thueringen24.de/erfurt/article208049681/Frauen-in-Erfurt-von-Exhibitionisten-belaestigt.html

Ein Schlag ins Gesicht für alle friedlich in Deutschland lebenden Spanier, Italiener, Griechen oder Portugiesen.

Diese mittlerweile zum Alltag gehörenden Meldungen von sexuellen Übergriffen, versuchter oder vollzogener Vergewaltigung, Diebstahl, Androhung oder Vollzug von Gewalttaten sind also zumindest für das ZDF offenbar nur Einzelfälle. Für die Kollegen von ZDF und hr-info reicht jedoch der tatsächliche Einzelfall eines Reichsbürgers in Georgensgmünd, so schrecklich die Tat auch war, dafür aus, um zum einen tagesaktuell vor Ort mit Kamerateam zu berichten und zum anderen dem Thema „Reichsbürger“ drei mal pro Stunde für ca. 5 Minuten Aufmerksamkeit zu schenken.

Shutterstock/Urheberrecht: Chat des Balkans

Dieses mediale Ungleichgewicht lässt die „vierte Gewalt“ im Staat einmal mehr außerordentlich schlecht dastehen und fördert keinesfalls den Glauben an eine objektive, gleichgewichtete Berichterstattung innerhalb der Bundesrepublik.

LubosHouska / pixabay www.pixabay.de

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Grummelbart

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