Ich habe dieses Wochenende einen Kurs mit 3 Vorträgen in Wien besucht. Nach dem gestrigen Abendvortrag saßen wir noch bis 1 Uhr in der Früh zusammen und hatten nette Gespräche. Danach machte ich mich vom Schwedenplatz auf dem Nachhauseweg. Ich dachte, ich gehe einfach unten am Donaukanal entlang und nach dem Flex (Club) gleich nach oben, denn danach konnte es vielleicht gefährlich sein, so ganz allein in der Dunkelheit. Ich ging die Rampe runter zum Feuerdorf, wo die Grillhütten entlang des Donaukanals standen.

Aber gleich nach der letzten Grillhütte kamen mir 7 Jugendliche entgegen. Ich denke, es waren wahrscheinlich Türken oder Araber. Da ich früher Krav Maga trainiert hatte, wusste ich, dass man am Besten keinen Konflikt herbeirufen sollte. Also versuchte ich im großen Bogen auszuweichen. Trotzdem lief einer der 7 auf mich zu. Interessanterweise war dies der Kleinste. Er sagte irgendwas zu mir und ich versuchte ihn zu ignorieren. Aber er lies nicht nach und ich sagte: „Ich will nur nach Hause gehen“. Zu meinem Glück, sagte er „ok“ und lief dann zu den anderen 6.

Keine halbe Minute war vergangen und es kamen fünf weitere Jugendliche ähnlicher oder gleicher Abstammung auf mich zu. Ich versuchte wieder im großen Bogen auszuweichen, aber einer der 5 hatte mich sofort auf dem Bildschirm und folgte meinen Ausgleichsbewegungen.

Bei mir angekommen, forderte er: „Gib mir 2 Euro!“ Ich sagte, ich will nur nach Hause gehen. Aber er lies nicht locker und befahl mir wiederholt: „Gib mir 2 Euro!“ Ich wiederholte „ich will nur nach Hause gehen“. Das ging 2- oder 3mal so.

Mein Gegenüber war geschätzte 1,82 groß, 78 kg schwer und 25 Jahre jung. Ich überlegte mir, wie ich ihn abwehren und weglaufen könnte, denn ich spürte bereits große Angst in mir. Das war kein Spiel!

Doch in der Zwischenzeit war etwas sehr Wichtiges für mich passiert. Die anderen 4 gingen weiter und er und ich hatten unsere Position getauscht. Es war so, dass ich von der Wasserseite zur U-Bahnseite auswich und wir uns um 180 Grad drehten. Dass war sehr wichtig für mich, denn ich hatte in meiner Wunschrichtung den Rücken frei.

Dann kam es. Er forderte wieder seine 2 Euro und während seiner Forderung trat er mit seinem rechten Fuß seitlich gegen mein Knie.

Es tat nicht sehr weh, aber ich wusste die nächsten 10 Sekunden würden das Geschehen entscheiden.

Ich sah, dass seine Hände noch unten waren und rechnete meine Verteidigungsschläge aus. Mein Blick wanderte an der Mittellinie von seinem Herzen über den Hals aufwärts bis zur Nase. Ja, als erstes würde ich auf seine Nase schlagen. Oberkörperschläge würden ihn nur kitzeln und ein Kehlkopfschlag könnte ihn zwar ausschalten, aber dann würden die anderen 4 zurück kommen und mich ganz sicher jagen. Und selbst wenn ich davonlaufen könnte, die Polizei würde mich suchen. Außerdem wollte ich ihn ja nicht töten.

Also gab es nur eine Möglichkeit, die Nase. Blitzschnell auf die Nase mit der Faust und nicht mit der offenen Hand, denn ich befürchtete, er könnte irgendwo meine Finger erwischen. Also mit der Faust, auch wenn ich mir dabei einen Finger brach. Was sehr leicht sein konnte, denn meine Finger bzw. Knöchel waren nicht abgehärtet. Also Nase und dann schnell laufen. Und ich hatte gute Schuhe an und außerdem bin ich im Training für Wiener Marathon-Staffellauf. All diese Gedanken kamen in einen Bruchteil einer Sekunde und da ich einen Fluchtplan im Kopf hatte, antwortete ich wieder: „Ich will nur nach Hause gehen“.

Das war der Moment, den jeder aus den Filmen kennt. Wo sich 2 Kämpfer gegenüberstehen und überlegen was die Zukunft bringt und sie malen sich das Ergebnis des Kampfes aus. Aber es ging nicht um Ruhm, Ehre oder History.

Nein, bei mir war einfach nur Angst. Angst schwer demoliert zu werden. Angst nie mehr richtig laufen zu können. Angst in Zukunft nie mehr meine Freunde verteidigen zu können. Angst zu sterben.

Zum Glück hatte mein Gegner das Risiko des Kampfes hoch eingeschätzt. Er drehte um und ging.

Ich drehte mich auch um 180 Grad und ging Richtung Flex vollgepackt mit all dieser Angst und einer Portion Adrenalin. 100 Meter später war ich beim Flex, wo ich 2 rothaarige Typen beim Eingang stehen sah.

Ich dachte, jetzt bin ich wieder in Sicherheit. Überlebt und nix passiert ☺

Nach dem Flex ging es noch die Stufen rauf – raus aus der Gefechtszone ☺☺

Zuhause angekommen spürte ich den Schmerz am linken Knie. Er hatte ganz genau, dieses Verbindungsband hinten außen getroffen. Ich legte mir Eis drauf und versuchte zu schlafen, aber das ging nicht. Um wieder runter zu kommen, las ich in meinem derzeitigen Buch „Sorge dich nicht – lebe!“ von Dale Carnegie weiter. Dieses Buch war genau das Richtige. 2 Stunden später war ich beruhigt und konnte schlafen.

Am nächsten Morgen, also heute früh, überlegte ich, wie ich zu meinem Seminarvortrag reisen sollte. Am Besten wäre, ich wurde den gleichen Weg wie Gestern gehen, damit ich das Drama von letzter Nacht überwinden könnte, sowie wenn man von einem Hund gebissen wird und man am nächsten Tag ein Haar des Hundes verspeist, oder die Alkoholiker sagen „a Reparatur-Seidl“. Aber das traute ich mich nicht. Zu groß war noch der Schock. Aber ich wollte irgendwas in die Richtung tun. So entschied ich mich mit dem Rad die Strecke abzufahren.

Beim Vortrag starrte ich die ganze Zeit ins „Narrenkastl“. Neben mir saß Astrid, die ich erst Gestern kennengelernt hatte. Sie ist ca. 60ig und hat weiße lange Haare. Auf einmal gab sie mir ein „Busserl“ auf die Wange. Ich lachte und sagte zu ihr, das war jetzt genau das Richtige. Dann schrieb ich auf meinen Notizblock „Die Welt ist trotzdem gut!“

So und jetzt gehe ich zur Polizei und mache eine Anzeige gegen Unbekannt, denn Österreich ist immer noch ein Rechtsstaat und diesen möchte ich unterstützen. Euer Othmar

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