Meinungsmasse ohne Gewicht – warum alle reden, und niemand zuhört

Robert Satovic

Soziale Netzwerke, Blogs, Foren und Kommentarbereiche wohin das Auge im Internet blickt – noch nie in seiner Geschichte konnte der Mensch seine Meinung derart frei gegenüber einer so großen Zahl von Mitmenschen äußern. Noch nie war sein Zugang zu Informationen so groß. Trotzdem bleiben Kritik, Vorschläge, Ideen und Unmut aus Hilflosigkeit offensichtlich wirkungslos, wenn es um Verbesserungen in unserer Gesellschaft und Umwelt geht.

Früher – also in einer Zeit vor der totalen Kommunikation, wo sich Menschen noch im realen Leben treffen mussten, um Meinungsaustausch zu betreiben, wurden Kräfte gebündelt, damit sie etwas Gemeinsames bewirken. Aus den einzelnen Meinungen wurden die besten dazu erkoren, zu einer tragfähigen und wettbewerbsfähigen Meinung gebündelt zu werden. Der beste Sprecher einer Gruppe wurde ausgewählt, diese Meinung gegenüber anderen Gruppen zu vertreten. Kommt Ihnen bekannt vor? Richtig, es handelt sich hier um das demokratische Prinzip.

Zurück zu heute – wir sind zu einer Gesellschaft von rechthaberischen Meinungseinzelgängern geworden. Als säßen wir in einem Autobus alle in der ersten Reihe. Die unzähligen Plattformen geben uns die Möglichkeit, unsere eigene Meinung ungefiltert und im Kontext mit der Allgemeinheit unabgestimmt, hinauszuschreien. Damit wir in diesem Tumult auch wirklich wahrgenommen werden, geben wir unseren Worten oftmals mehr verbale Energie als Inhalte mit. Wer lauter schreit, hat auch mehr recht?! Wir sind jedoch so sehr mit Schreien beschäftigt, dass wir nicht nur vergessen zuzuhören, sondern darauf vergessen was wir eigentlich bewirken wollen und wie es zu erreichen wäre. Zu sehr beschäftigt sind wir von der Durchsetzung unserer Meinung. Wobei – an diesem Punkt geht es oft nicht mehr um eine Diskussion, vielmehr um Worte die mit der Wirkung eines Baseballschlägers auf unsere Diskussionspartner einschlagen. Die Gesetze der Dynamik fordern nun, dass auf eine Aktion eine Reaktion folgt. Voila – aus Diskutanten werden Duellanten. Es geht nicht mehr um Konsens oder Weiterentwicklung und schon gar nicht um Lösungen. Alleine den Kontrahenten vom Platz zu drängen ist das Ziel. Jedes Mittel scheint angemessen, das eigene Ziel zu erreichen. Es herrscht ein Krieg der Worte.

Doch – wie so oft im Leben, streben viele Menschen zwar dasselbe an, finden aber nicht die gemeinsamen Worte es zu beschreiben und damit auch zu erreichen. Das Ziel wird zum Opfer des Weges. Weshalb dieser unkanalisierte Meinungsschwall zwar sehr laut geworden ist, jedoch schon lange nicht mehr gehört wird. Weder von jenen, die tatsächlich versuchen Verbesserungen und Lösungen für unsere Gesellschaft zu finden, noch jene, die wir zu Verantwortlichen gemacht haben. Die wirklich brauchbaren Vorschläge und Ideen gehen im Getöse und Gequake einfach unter.

Was braucht es also um wieder gehört zu werden?

Einerseits einen sachlichen Dialog, woraus sich eine ebenso sachliche Diskussion entwickeln kann, die rasch und unbürokratisch Lösungen gebiert. Andererseits Sprecher, denen wir unsere Meinung anvertrauen können. Deren Rückgrat wir sind, damit Verbesserungen auch tatsächlich stattfinden können.

Fühlen Sie sich angesprochen? Nein? Oder vielleicht doch eher ‚Jein‘…?

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