Schwierige Phasen kommen auf uns zu: Mehr Fremdbestimmung, mehr Regeln.

Ich wohne mit meiner Frau versuchsweise in einem hölzernen Zirkuswagen, der an keine externen Versorgungssysteme angeschlossen ist. Mit einer kleinen Fotovoltaikanlage erzeugen wir selbst Strom, um unseren relativ geringen Energiebedarf in diesem Wagen zu decken. Wir heizen mit Holz und kochen mit Gas aus Flaschen, durch welches uns auch Warmwasser zur Verfügung steht. Glücklicherweise haben wir auf unserem Grund einen Brunnen zur Wasserversorgung. Als Nutzwasser könnten wir jederzeit über die Dachfläche Regenwasser sammeln und können damit sparsam umgehen, denn im Holzwagen ist eine Trockentoilette eingebaut. Wir sind mit dieser Behausung also an keinerlei Netz angeschlossen und hätten die Möglichkeit, weitgehend autark zu leben. Und es ist ein wirklich gutes Gefühl, nicht mehr so sehr von den „Großen“, von Konzernen und technischen Systemen, abhängig zu sein. „Daseinsmächtigkeit“, das ist es, wonach wir alle streben sollten.

So etwas klappt aber nur, wenn alles in Zukunft kleiner wird, und wir Menschen unseren Bedarf dadurch von uns aus reduzieren können. Nicht Wachstum, sondern „Gesundschrumpfung“ wird der Schlüssel zu einem guten Leben sein – also die Reduktion auf das Wesentliche und sich in der Kunst des Weglassens zu üben. Das wären wichtige Schritte, um aus dem Homo demens wieder einen Homo sapiens zu machen und dieser Bezeichnung auch gerecht zu werden.

Ich kann einen Holzwagen, also einen Raum mit 28 Quadratmetern, ohne großen Aufwand autark versorgen, ein Haus mit 250 Quadratmetern hingegen nicht mehr. In letzter Konsequenz könnten wir – meine Frau und ich – unser Haus zur Gänze verlassen und ausschließlich im Wagen leben. Ich habe jetzt die Möglichkeit, zu sagen: „Ich packe meine Sachen und ich bin weg“.

Wir sollten die Dinge selbst in die Hand nehmen und jeder Einzelne in den Ländern des Überflusses müsste seinen eigenen Lebensstil Schritt für Schritt so ändern, dass der Raubbau und die Ausbeutung in der sogenannten „Dritten Welt“ endlich ein Ende finden. Ein reduziertes Leben – das weiß ich aus eigener Erfahrung – ist qualitativ hochwertiger als ein Lebensstil der Verschwendung und des Überflusses, und man begreift viel besser, was es eigentlich bedeutet „zu leben“. Wir sind dann mit unserem Boden, mit der Erde, verwurzelt und können der Natur, die uns nährt, die Wertschätzung entgegenbringen, die sie verdient hat.

Bei jedem Ding, das wir uns anschaffen möchten, sollten wir zuerst gründlich fragen: „Was ist das, woher kommt es, und wie viel Energie wurde verbraucht, damit dieses Ding hier im Laden stehen kann? Und: Brauche ich das wirklich?“ Dann würden wir in vielen Fällen andere Entscheidungen treffen. Solange wir diese Denkweise nicht in unsere Köpfe lassen, wird sich relativ wenig auf dem Planeten ändern.

Unser Schlaraffenland wird wie ein Kartenhaus zusammenbrechen und wir werden auf uns selbst zurückgeworfen sein. Ich hoffe insgeheim mit Blick auf unsere Kinder und Enkel, dass es so kommen wird. Ich glaube aber auch, dass bis dahin einige sehr – wirklich sehr! – schwierige Phasen auf uns zukommen werden. Wir werden letztendlich für unseren Lebensstil im Überfluss bezahlen. Es wird zunächst zu noch mehr Fremdbestimmung kommen, da die wirtschaftlichen und politischen Institutionen natürlich alles daran setzen werden, zu verhindern, dass die Menschen wieder echte Eigenverantwortung übernehmen. Es wird noch mehr Regeln geben, noch mehr Überwachung. Der persönliche Freiraum wird immer kleiner werden, bis es für uns alle zu eng wird, und die Leute irgendwann nicht mehr umhinkommen, zu sagen: „Jetzt ist es vorbei! Jetzt leckt uns am Arsch.“ Und dann wird es im schlimmsten Fall krachen.

Das sind keine schönen Aussichten, dessen bin ich mir bewusst. Aber wir werden die wirkliche Rechnung für unseren Konsum erst bezahlen müssen und ich hoffe, dass wir, also die Angehörigen unserer Generationen in den frühindustrialisierten Ländern, dafür geradestehen werden müssen und nicht unsere Kinder und der Rest der Welt. Das wäre nur gerecht. Denn eine Gesellschaft, die 50 Prozent der produzierten Lebensmittel jeden Tag in den Mülltonnen der Supermärkte verschwinden lässt und Tiere so schlecht behandelt, als wären sie leblose Waren, darf nicht ungeschoren davonkommen. Vielleicht werden wir früher als wir glauben Verantwortung übernehmen müssen.

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