Ein Ausstellungsort, morbid, verletzlich mit Rissen in den Wänden, mühsam von Vorstellwänden verdeckt, ein Ort von den vielen Tritten der Besucher gezeichnet, eine kleine Halle, ehedem Pferdestallungen, ein Ort mit, will man sie sehen, Tristesse, passend zu dem Gezeigten.

Gleich beim Eingang hängen Stofffahnen, schaukeln sanft in dem geringen Luftzug, Stofffahnen mit aufgedruckten Bildern und sie ziehen die Blicke an. Ich kenne das Portrait des dunkelhäutigen Mädchens mit den fragenden Augen und den seitwärts abstehenden Zöpfen, Sidonie Adlersburg, ein Romamädchen mit einer eigenen Geschichte und schon da begegne ich der Entmenschlichung der Vergangenheit und es wird sich steigern, es wird mich tief berühren und dieses Zeigen von Gestern mit dem Heute verknüpfen, ein Knoten zum Nachdenken.

Die Ausstellung ist ein Störenfried im taumelnden Bratwursthimmel, wird leider die im Schweinsbratenkoma liegenden ewig Unzufriedenen nicht erreichen, aber vielleicht schafft sie es, denen die hier waren, den Mut zum Widerspruch mitzugeben.

Widerspruch gegen das, was sich vor dem Tor und auch sonst überall anbahnt, Widerspruch gegen eine aus dem Sumpf kriechende Ideologie, gegen ein Gedankengut des Herrenmenschentums. Dagegen richtet sich die Ausstellung.

Auf bräunlich gewordenen alten Schwarzweißbildern sind Menschen zu sehen und ja, sie sehen anders aus, aber sieht nicht jeder anders aus, ist das nicht egal, wie wir aussehen? Man sieht auch die Armut von damals, die von heute in Ungarn oder Rumänien, die sieht man nicht und vielleicht will man sie deshalb nicht sehen, sie könnten doch so etwas wie ein kleines schlechtes Gewissen in jedem erzeugen, der noch fähig ist Empathie zu leben.

Ich spüre Zorn in mir, gerichteten Zorn gegen all jene, die den Rassismus auf der Zunge führen und in ihren Gedanken Züge mit Menschen, die ihnen nicht passen, beladen. Die sich nicht scheuen, Konzentrationslager gar nicht so schlecht zu finden und ich spüre meinen Zorn, der sich gegen Politiker richtet, die lautstark sagen, wenn sie an der Macht wären, dann käme schon mal der Knüppel aus dem Sack. Der Mann verdient 112.000 € im Jahr, Steuergelder von Leuten, die er gerne knüppeln würden, denn es könnten Rote sein.

Es geht um die Heimat der Roma, die wir noch immer verächtlich Zigeuner nennen, gleichzeitig die Musik der „Gipsy Kings“ zum abtanzen nehmen als wären die Gitarristen keine Roma oder Sinti. Die Ausstellung zeigt die einfachen Verleugnungen auf, die aus einer fragewürdigen Selbsterhöhung kommen, zeigt wie sehr wir noch immer im Schubladendenken leben und nicht verstehen können, dass diese Menschen keinen festen Wohnsitz wollen, dass sie ihrem Gefühl von Freiheit folgen möchten und das sie in einer inneren Ordnung leben, die uns verschlossen bleibt.

Die 4000 Roma und Sinti in Österreich der Nazizeit hat man zusammengetrieben, sie eingepfercht, verladen, transportiert, gezählt, gedemütigt und vergast. Auch Sidonie hat man nicht verschont, Friede ihrer Asche.

„Die Heimat der Roma ist ihre Sprache“ ist der Satz den ich nach einer Stunde mitnehme und sicher noch einige Zeit damit beschäftigt bin.

Ausstellungsort: Projektraum Landesgalerie Eisenstadt

Buchtipp: Erich Hackl, Abschied von Sidonie.

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Mona Loga

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robby

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