Wenn das Schwein zum Himmel stinkt - Mensch und Tier contra Wirtschaft

Die Steiermark verbinden wir Österreicher gerne verklärend als das grüne Land des Weines, des Apfels und des Kürbisses, respektive dessen Öls. Kaum jemand aber weiß, das die Steiermark auch einer der sogenannten "Schweinegürtel" Österreichs ist, also eine Zone beschreibt, in der Schweine für den schnitzelliebenden Landsmann in Groß-Aufzuchts- und Groß-Masten wohl nach "EU-Norm", aber wenig artgerecht für den "billigen" Markt produziert werden.

Seibersdorf bei St. Veit in der Steiermarkt ist ein knapp Dreihundert-Seelen-Dorf. Und dieses Dorf hat ein Problem, das wahrlich zum Himmel stinkt, denn: Die Relation von Schwein zu Mensch ist enorm - 10 000 Schweine, auf knapp dreihundert Einwohner - ein schier unglaublich ungleiches Verhältnis.

Die Problematik der Situation ist hier keinesfalls zu verharmlosen: Anwohner, die teils in unmittelbarer Nähe (50m) der Großmast-, oder Aufzuchtbetriebe leben müssen und stark - aufgrund der Geruchsbelästigung - in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind, aber auch Schweinebauern, die aufgrund wirtschaftlicher Zwänge (Preisdumping- und Absprachen) gar nicht mehr in der Lage sind, anders zu wirtschaften, geraten zusehends in einen Konflikt, der eigentlich auf politischer Ebene gelöst werden müsste. Dazu käme noch die erhebliche Umweltbelastung, die gerne und tunlichst und den Teppich gekehrt wird....

Ein Schwein - ob Zucht-, oder Mastsau - lebt derzeit - ganz EU-Konform, auf 0,7m². Ein Zustand, den wir  für uns Menschen nicht einmal annähernd in Erwägung ziehen würden. Diese Tiere verbringen ihr ganzes kurzes Leben auf einem sogenannten Spaltboden, in dem die Ausscheidungen der Tiere zwecks Arbeitserleichterung und Materialersparnis (kein Stroh, oder sonstige Einstreu notwendig) durchfallen. Dies führt oft zu schmerzhaften Veränderungen der Klauen. Auch chronische Schmerzen sind an der Tagesordnung, denn die Tiere finden auf dem Boden kaum Halt und gleiten aus. Hinzu kommt noch, dass Schweine extrem territorial und hierarchisch veranlagt sind - es kommt also auf beengtem Raum zu Revier- und Rangkämpfen, was Verletzungen zur Folge hat, die dann mit Antibiotika behandelt werden, um Infektionen zu verhindern. Der Endverbraucher kommt also ungefragt in den "Genuss" einer Antibiotikabehandlung und die daraus resultierende, zunehmende Resistenz, respektive die Allergie gegen Antibiotika macht uns heute im Kampf gegen Krankheiten und Infektionen das Leben schwer.

In Seibersdorf und in den umgebenden Orten gehen mittlerweile die Wogen hoch. Anrainer und Tierschützer  wehren sich gegen bestehende und neu entstehende Großbetriebe, diese wiederum kämpfen aber ebenfalls um ihre Existenz, haben durchaus Verständnis für die anklagenden Rufe und können aber doch schlecht aus dieser unfairen, weil ungleichen Preis-Leistungsspirale austeigen, denn die Lobby der profitorientierten Wirtschaft spielt auch hier wieder  - wie schon öfter an dieser Stelle erwähnt - eine dominierende Rolle, die primär die Quantität über die Qualität stellt - zu lasten von Mensch und Tier, aber immer zugunsten von Wirtschaft und Politik.

Einen wichtigen Faktor stellt natürlich - wie immer - der Endverbraucher, respektive dessen (Kauf)Bewußtsein (und Geldbeutel) dar. In dem wir - wie uns erfolgreich medial suggeriert wird - unsere Nahrungsmittel im sogenannten "Preiskampf" der Anbieter immer billiger kaufen möchten - z.B. das Kilo Schwein für fünf Euro (für das der Viehbauer schlappe € 1,30 erhält), forcieren wir selbst diese Abwärtsspirale von Qualitätsverlust und Tierleid, denn der Erzeuger kann gar nicht anders, als mit minimalsten Aufwand den größtmöglichen Gewinn zu erzielen, will er selbst überleben. Gewinner sind hier nur die Zwischenhändler und die Politik.

Ein Mastschwein-Bauer bringt es auf den Punkt: "Natürlich ist diese Art der Haltung nicht artgerecht, auch mir wäre es lieber, würden meine Schweine in natürlicher Umgebung herumlaufen können - aber wenn das Fleisch nichts mehr kosten "darf", ich also mehr oder weniger nichts dafür bekomme, lohnt es sich auch nicht mehr für mich und meine Familie. Wovon soll ich also leben? Eine artgerechte Haltung würde auch mehr Fläche bedeuten - die mir (auch aus finanziellen Gründen) gar nicht zur Verfügung steht."  Es ist also ein Teufelskreis.

Was aber tun? Ein (wirtschaftliches) Umdenken wäre hier dringend angebracht. Das Schlucken von regionalen Kleinbauern durch Großbetriebe müßte gestoppt und Chancengleichheit am Markt gewährleistet werden. Natürlich würde der Preis für Nahrungsmittel steigen und viele Menschen sind derzeit für die billigen Angebote dankbar, damit sie ihre Familien überhaupt satt bekommen. Das Umdenken würde also voraussetzen, dass es auch in der Lohnpolitik zu einem Umschwung kommt, denn laut einer Umfrage wären die meisten Endverbraucher nur zu gerne bereit, mehr für Nahrungsmittel auszugeben, die dafür qualitativ hochwertiger wären, können sich dies aber nicht leisten. Auch das Kaufbewußtsein selbst müsste noch mehr gestärkt werden, denn noch immer kaufen viele ohne nachzudenken ein - was von der Wirtschaftslobby natürlich beabsichtigt ist. Es ist ein Dominoeffekt, der darauf abzielt, den Gewinn für einige Wenige zu maximieren.

Für Seibersdorf bei St. Veit in der Steiermark wird sich vermutlich in nächster Zeit wenig ändern - schon weil die örtliche Politik nicht wirklich ein Interesse daran hat, die "Goldgrube" Billigfleisch zu verlieren. Demnächst soll zusätzlich zur Schweineproduktion auch ein Geflügelproduzent seinen Standort hier eröffnen dürfen - 50 000 Hühner sind geplant. Ein neuer Albtraum für die kleine Gemeinde und kein Ende in Sicht.

Umweltverträglichkeitsprüfung? Baugenehmigung? Keine Sorge: Die Lobby der Wirtschaft machts möglich.....

Link zu diesem Thema:

http://tvthek.orf.at/program/Am-Schauplatz/1239/Am-Schauplatz-Es-stinkt-zum-Himmel/9083611/Am-Schauplatz-Es-stinkt-zum-Himmel/9093158

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