Was ich mir von Anschober gewünscht und zum Glück nicht bekommen habe

„Der Klügere gibt nach.“ Genau. Und deshalb wird unsere Welt hauptsächlich von Deppen regiert.

Da steht er also, verkündet seinen Abschied, spricht langsam, mit Pausen, es macht ihm sichtlich Mühe, bisweilen scheint er fast ein wenig den Tränen nahe. Der von Naturell und Engagement her immer schon Hundertprozentige redet davon, nicht mehr genug Kraft zu haben, um sein Amt zu eben diesen 100 Prozent ausfüllen zu können.

Allein gelassen habe er sich gefühlt. Was für ein todtrauriges Statement. Nicht ganz kaputt wolle er sich machen. Machen lassen! Das wäre die Wahrheit! Aber die sagt er so nicht. Dazu ist er zu anständig, zu fein, zu vornehm.

Und ich fühle mit ihm.

Diesen ohnmächtigen Zorn, den er immer wieder gespürt haben muss.

Die tiefe Enttäuschung darüber, dass es ihm nach all dem viel versprechenden Anfang schließlich so unerträglich schwer gemacht wurde – aus Missgunst, aus Eifersucht, denn Beliebtheitswerte über denen des Kanzlers, das konnte nicht hingenommen werden, da musste schnellstens was geschehen.

Wie sehr es ihn auch geschmerzt haben muss, wie seine eigenen Parteifreunde sich verbiegen lassen von jenem selbst ernannten Messias und seinen unsäglichen Jüngern.

Hat er letztlich auch das gemeint, als er sagte, er fühle sich allein gelassen?

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Ich kann so nicht arbeiten! Ich ertrage ihn nicht mehr, diesen abgefeimten Basti-Fanclub, der mir wie ein Klotz am Bein hängt! Nicht die Arbeit, nein, die türkise Buberlpartie und ihr machtgeiler Anführer sind es, die mich krank machen!

Dieser größenwahnsinnige Egomane, der alles, was andere richtig machen, sich auf die eigenen Fahnen schreibt! Der alles, was er selbst verbockt, anderen in die Schuhe schiebt! Der plötzlich verschwindet, wenn es brenzlig wird und erst wieder auftaucht, wenn er meint, Frohbotschaften verkünden zu müssen, auch wenn sie noch so an den Haaren herbei gezogen sind!

Es macht mich kaputt, wie er lügt, wie er plappert, wie er sein scheinheiliges Geschwafel zelebriert, während er wacker dabei ist, unser Land gegen die Wand zu fahren!

So oder so ähnlich hätte wohl der Text gelautet, wenn ich ihm seine Abschiedsrede hätte schreiben dürfen. Zum Glück durfte ich nicht. Doch es brodelt in mir.

Da steht ein blitzgescheiter Politiker, einer der wenigen, denen man Integrität und ehrliches Engagement getrost bescheinigen kann, ein Kämpfer für seine Werte, und wirft das Handtuch in diesem Ring aus Hickhack, Falschheit, Freunderlwirtschaft, Korruptionsskandalen und sonstigem Dreck.

Und es zerreißt mich beinahe.

Klartext, Rudi! möchte ich rufen. Da ist nichts mehr zu verlieren! Sag es ihnen zum Abschluss vor aller Welt nochmal so richtig, richtig rein! Sag es! Sag es! Sprich es aus!

Aber er tut es nicht.

Er ist zu anständig, zu vornehm im besten Sinn des Wortes. Seine Klinge ist feiner, viel feiner.

Allein das ostentative Weglassen der gesamten ÖVP (inklusive Kanzler) bei seinen ansonsten durchaus parteiübergreifenden Danksagungen spricht Bände, ein unüberhörbares Statement für alle, die zuhören. Wer ihm zusieht und zuhört, sieht und hört all das Unausgesprochene hinter der stillen Trauer ohnehin.

Und mein Respekt vor ihm wächst. Fast bin ich stolz auf diesen Politiker (obwohl es ja gar nicht mein Verdienst ist, dass er so ist, wie er ist). Ich wünsche mir mehr von seiner Sorte. Ein frommer Wunsch, ich weiß.

Was ich mir und ihm noch wünsche: Dass es ihm gut gehen möge, dass er bald wieder zu sich und seiner alten Kraft zurückfindet. Viele schöne Spaziergänge mit seinem Hund wünsche ich ihm. Erholung, Zuversicht, neue Perspektiven, viele gute Freunde und dass er aufrecht und erhobenen Hauptes in die Zukunft geht. Weil nicht nur ich stolz auf ihn bin. Er selbst kann es auch sein. Aber sowas von!

falter.at

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Iris123

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Ttavoc

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