Beinahe hatte ich ihn vergessen, denn die heutige Küche funktioniert ja etwas anders als damals in meiner Kindheit.

Die fand in Thüringen statt. Und Thüringer Klöße sind Legende. Und sehr aufwändig. So dass das sonntägliche Klöße-Essen (und, ja, es gab jeden Sonntag Klöße!) Familiensache war. Jeder in der Familie hatte seinen Platz im Herstellungsprozess.

Ich, die Jüngste von allen, stand am Anfang. Mit zwei Eimern, dem mit den Kartoffeln und dem mit dem Wasser, durfte ich vor dem Fernseher sitzen und das Sonntagvormittagsfernsehprogramm sehen, während ich Kartoffeln schälte. Am Ende des Vormittags war der anfänglich volle Kartoffeleimer leer und in dem mit dem Wasser schwammen nurmehr die letzten geschälten Kartoffeln, denn zwischendurch war immer wieder der große Bruder gekommen und hatte die Ausbeute zum mühsamen Reiben mit der Hand auf der vom Vater einstens selbst gemachten Reibe (eine gefährliche Sache, denn das Dinge hatte sauscharfe Kanten, funktionierte aber deswegen umso besser) geholt.

Wenn der Boden des Kartoffeleimers sichtbar wurde und beim "Feuerroten Spielmobil" die Ansage kam "Jetzt ist Pause, Pause ist jetzt, jetzt ist Pause ..." dann wusste ich, dass ich es bald geschafft hatte.

Meist schaute ich mir dann an, wie der Bruder den Rest der Kartoffeln mit der sauscharfen Reibe rieb in eine große Emailschüssel mit etwas Wasser (damit die Kartoffeln nicht braun werden). Am Ende schüttete die Mutter den Kartoffelschnitz in einen Kartoffelsack und packte das Ganze in die Presse, die einzig und allein dem Zweck der Kloßherstellung diente. Mein Bruder legte allen Ehrgeiz darein, den Hebel so weit zu drehen, dass aber auch kein winzigster Tropfen mehr heraus kam. Hernach wurde der nun ganz trockene Kartoffelschnitz zusammen mit der aufgefangenen Kartoffelstärke, Salz und etwas heißem Wasser angerührt, dass sich eine formbare Masse ergab. Meine Schwester währenddessen hatte Brotwürfel geschnitten und in einer Pfanne mit Butter und Salz angebraten, dass sie knackig wurden.

Und dann ging es ans Formen der Klöße, die - kleiner, als allgemein üblich - jeder einen Kern von vier Brotwürfeln kriegten. Sobald das Wasser im großen Topf kochte, wurden sie behutsam hinein gelegt bis sie zu schwimmen anfingen. Denn das war das Zeichen, dass sie gar wurden.

Um herauszukriegen, ob die Klöße wirklich und wahrhaftig gut waren, wurde nach einiger Zeit der Probekloß aus dem Topf genommen. Beinahe wie bei den richtigen Köchen kam er auf einen kleinen Teller, wurde auseinander gebrochen, damit man schon sehen konnte, ob innen alles "durch" war. Aber egal ob durch oder nicht. Der Probekloß war das Beste von allem. Er war der Lohn für die Arbeit einer ganzen Familie, Zeichen dafür, dass es ganz oder beinahe geschafft war. Denn alles andere, den Braten und das Gemüse, hatte die Mutter schon am Tag vorher gerichtet oder wenigstens vorbereitet. Es garte beinahe von allein. Die Klöße jedoch waren Gemeinschaftswerk.

http://www.chefkoch.de/rezepte/344541118755699/Thueringer-Kloesse-oder-Gruene-Kloesse.html

(PS: Für alle, die es besser wissen. Kloßrezepte gibt es die Menge. Erst am Ende meiner Kindheit erfuhr ich, dass eine erkleckliche Zahl Thüringer einen Teil gekochte Kartoffeln da hinein schmeißen und das eigentlich besser schmeckt. Im ersten Gang. Aber beim noch-mal-Aufbraten waren unsere Klöße die Spitzenreiter.;) )

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 30.08.2016 23:11:34

10 Kommentare

Mehr von sisterect